Zwei Jahre nach dem Anschlag auf das Linke Zentrum in Oberhausen sind Verbindungen zu einem anderen Fall wahrscheinlich

Die Neonazis und der Bombenbauer

Die Räume der Partei „Die Linke“ in der Ruhrgebietsstadt, die regelmäßig auch anderen linken Gruppen und Vereinen zur Verfügung standen, wurden im Juli 2022 durch einen „unkonventionellen Sprengsatz“ weitgehend zerstört. Nichtsdestotrotz waren die polizeilichen Ermittlungen „in alle Richtungen“ nach einem Jahr sang- und klanglos eingestellt worden.

Eher durch einen Zufallsfund während einer Hausdurchsuchung bei zwei Oberhausener Neonazis im Februar dieses Jahres waren dann Gegenstände gefunden worden, die auf eine Beteiligung des braunen Pärchens hindeuteten. Sowohl der 49-jährige Thomas L., der in den neunziger Jahren in der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) in Duisburg aktiv war, als auch seine 32-jährige Lebensgefährtin Nina S. hatten in ihren öffentlichen Facebook-Profilen Sprüche und Bilder mit eindeutigem NS-Bezug gepostet. Beide befinden sich seit der Razzia in Untersuchungshaft.

Mindestens Nina S. hatte ein Bekanntschaftsverhältnis mit Kevin Antonio C., der am 5. Mai vor dem Duisburger Landgericht zu siebeneinhalb Jahren Haft wegen des Besitzes von Drogen, Waffen, einer fünfstelligen Summe Falschgeld und mehreren Sprengstoffen verurteilt wurde. Im Zeitraum zwischen Januar 2016 und Oktober 2021 soll C. auf dem Industriegelände seines Arbeitgebers zudem vorsätzlich vier Explosionen mit einem unbekannt gebliebenen Sprengstoff herbeigeführt hatte. Bei einer Wohnungsdurchsuchung wurden neben Betäubungsmitteln unter anderem ein Distanz-Elektroimpulsgerät, eine Schreckschusspistole sowie eine halbautomatische Kurzwaffe gefunden. Im Arbeitsspind des Angeklagten wurden außerdem Patronen sichergestellt. Bei der Durchsuchung seiner Arbeitsstelle wurde in einem weiteren Spind Magnesium- und Aluminiumpulver aufgefunden. Durch die Öffnung des Spindes mit einem Trennschleifer kam es laut Anklageschrift aufgrund des Funkenflugs zu einer Explosion, bei der ein Zeuge verletzt wurde.

Vor Dezember 2021 soll der 33-jährige Oberhausener zudem rund 64 Gramm des Sprengstoffs HMTD, fünf Gramm des Initialsprengstoffs Bleiacid und 180 Gramm des Sprengstoffs PETN verarbeitet und an einen gesondert verfolgten Dritten übergeben haben. Die Übergabe eines solchen Sprengsatzes wäre damit mindestens ein halbes Jahr vor dem Anschlag auf das Linke Zentrum möglich gewesen.

Am letzten Prozesstag gegen C. wurde Nina S. in Handschellen für eine Aussage vorgeführt, die sie allerdings verweigerte. Auf UZ-Nachfrage nach den Verbindungen des Verurteilten in neonazistische Kreise gab Lara Zwirnmann, Sprecherin des Landgerichts, an, keine Erkenntnisse darüber zu besitzen. Gleiches gelte für die Frage, ob aktuell ein Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten oder gegen weitere Personen wegen Beteiligung oder Beihilfe zum Anschlag auf das Linke Zentrum laufen. Soweit die angeklagten Taten nicht Gegenstand der Verurteilung seien, seien sie in der Hauptverhandlung vorläufig eingestellt beziehungsweise das Verfahren insoweit beschränkt worden. Auch seitens der Staatsanwaltschaft erfolgte trotz mehrmaliger Nachfrage bislang keine Auskunft. Pressesprecherin Marie-Luise Hepe teilte mit, dass dies unter anderem aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei. Es muss also abgewartet werden, bis die Hauptverhandlung gegen Nina S. und Thomas L. beginnt.

„Als Betroffene bekommen wir seit der Durchsuchung und den Festnahmen von Behördenseite keinerlei Auskunft, auch nicht was mögliche weitere Angreifer auf freiem Fuß betrifft. Wir wollen den Ermittlungsstand natürlich umgehend mitgeteilt bekommen“, fordert Yusuf Karaçelik, Fraktionsvorsitzender der „Linken.Liste“ im Gespräch mit UZ. Man werde sich auch weiterhin nicht einschüchtern lassen und im Bündnis mit vielen Akteurinnen und Akteuren der Stadtgesellschaft alten und neuen Nazis entgegentreten.

Im September 2023 eröffneten die Betroffenen in der gleichen Straße unweit des Anschlagsortes den Paroli-Treff, wo neben Ratsfraktion und Kreisverband auch wieder die Rote Hilfe, die Friedensbewegung, Bündnisse gegen rechts und Kulturvereine ihren Sitz und feste Anlaufstelle haben. Die Nazis haben ihr Ziel nicht erreicht, was fehlt ist Aufklärung.

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"Die Neonazis und der Bombenbauer", UZ vom 7. Juni 2024



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