Viele Unternehmen werden diesen langen Winter nicht überstehen

Die nächste Welle: Pleiten

Die Welt driftet auseinander. Zähneknirschend meldet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 8. Dezember: „China präsentiert Traumzahlen“ und weist auf den „größten Handelsbilanzüberschuss in seiner Geschichte“ hin. Dies sei ein „klarer Ausdruck wirtschaftlicher Stärke“ – während es in Deutschland mittlerweile mehr als eine Million Corona-Infizierte gebe und täglich rund 20.000 dazukämen, „meldet die Regierung der chinesischen Milliardennation derzeit im Durchschnitt 19 neue Fälle je Tag“.

In China – dessen Wirtschaft dieses Jahr erneut wachsen wird – spucken in der Tat seit einem halben Jahr die Fabriken genau die Waren aus, die die Menschen der sogenannten ersten Welt, gefangen in einem Wechselbad von Hoffnung, Lockdowns und verwaisten Innenstädten, gegenwärtig ordern: Masken, iPads, Kopfhörer, Router für schnelle Internet-Verbindungen, Möbel, Heimwerkerzubehör. Zugespitzt ist es so, dass viele dieser Dinge bezahlt werden mit Lohnersatzleistungen der kapitalistischen Nationen, die deren Staatsapparate auskehren, um einen völligen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern, sich dieses Geld aber auf den (kapitalistisch dominierten) Finanzmärkten leihen müssen. Chinas Wirtschaft floriert also auch dank des von Scholz und anderen Ministern geliehenen Geldes.

Derweil mag hierzulande viel über zweite, dritte und vierte Wellen spekuliert werden. Eine Welle kommt so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Pleitewelle. Vor allem im gastronomischen Gewerbe, in der Veranstaltungs- und umfangreichen Freizeitindustrie Deutschlands und anderer alter kapitalistischer Industrienationen hangeln sich die Unternehmen dieser Branchen von einem Hoffnungsstrohhalm auf bessere Zeiten zum nächsten. Derweil schmelzen ihre meist spärlichen Rücklagen wie Schnee in der Sonne. Eine Weile konnten sie durch die Konjunkturprogramme am Leben erhalten werden. Ewig wird das nicht gehen – voraussichtlich kommt die Stunde der Offenbarung für tausende vor allem kleinerer Unternehmen irgendwann während des langen kalten Winters, der vor uns liegt.

Darauf stellen sich inzwischen viele ein. Das gilt auch für Branchen, die zur Zeit noch relativ gut dastehen. Die Banken und Sparkassen hatten zwar vereinzelt Kurzarbeit anmelden müssen, werden aber ebenso gute Jahresabschlüsse vorlegen wie die meisten Versicherungen. Und der Internethandel boomt wie nie zuvor. Aber bei Banken und Sparkassen werden bereits jetzt intern eine Reihe von Krediten auf Gelb gestellt und Versicherungen preisen die zu erwartende Insolvenzwelle in ihre Plandaten für 2021 bereits ein. Auch der Aufschwung der Online-Händler wird die volkswirtschaftlichen Folgen der Pleiten der jetzt schon vielfach vernagelten Innenstadtgeschäfte von Berlin bis Köln nicht ausgleichen.

Wenn es nicht ganz so schlimm kommt, liegt das wiederum an dem chinesischen Erfolgsmodell. Denn der dortige Aufschwung füllt zwar nicht die Kassen von Kaufhof und der deutschen Veranstaltungsunternehmen, aber doch die von VW, Daimler-Benz und der mittelständischen Maschinenindustrie, die nach China – sofern sie dürfen – die Ausrüstung liefert, mit denen das Reich der Mitte seine Fabriken entwickelt.

Diese ökonomisch eigentlich zu Bescheidenheit und Demut ratende Lage hindert bis jetzt die Mächtigen des US-Imperiums und seiner Vasallen nicht, weiter auf dicke Backe zu machen – so wie Olaf Scholz mit seiner vollmundigen Behauptung, Deutschland könne sich die gigantische Kreditaufnahme dieser Tage leisten. Der neue Hoffnungsträger des Westens, Joe Biden, hat bereits angekündigt, er werde die von Donald Trump verfügten milliardenschweren Zölle auf chinesische Waren nicht zurücknehmen. Die oben genannten Zahlen und die deprimierende ökonomische Lage sowohl in den USA als auch in der EU zeigen, dass schon im vergangenen Jahr diese Konfrontationspolitik immer mehr zu einem Schuss ins eigene Knie wird. Dieser Trend wird sich 2021 verstärken: Aufschwung in China, Vietnam und anderswo, Vertiefung der Krise, Pleiten und Verzweiflung in den USA, Deutschland und anderswo.

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"Die nächste Welle: Pleiten", UZ vom 18. Dezember 2020



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