In der vergangenen Woche gab der Energiekonzern RWE den inoffiziellen Startschuss für die Räumung des Weilers Lützerath, als das Unternehmen einen gewaltigen Schaufelradbagger an die Abbruchkante stellte; keine 50 Meter von der Mahnwache der dort ausharrenden Aktivistinnen und Aktivisten entfernt. In den letzten Tagen überschlugen sich die Ereignisse. Obwohl die Polizei ein transparentes Vorgehen angekündigt hatte und erst ab dem 10. Januar räumen wollte, rückten schon am Montag mehrere Hundertschaften an, um eigene Strukturen aufzubauen und Barrikaden zu abzureißen. Auch 24 Stunden später, zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe, waren die Polizisten noch nicht abgezogen. Die Demonstranten im Dorf riefen ihre Unterstützer dazu auf, schnellstmöglich nach Lützerath zu kommen und Widerstand zu leisten.
Die Räumung des Hambacher Waldes hatte das Land noch unter dem irrwitzigen Vorwand von Brandschutzmängeln beim Baumhausbau durchgesetzt. Diesmal wollte die schwarz-grüne Landesregierung cleverer vorgehen. Der simple Plan: Die Stadt Erkelenz, zu der Lützerath gehört, sollte sich die Hände schmutzig machen, die Räumung anordnen und anschließend das Polizeipräsidium Aachen um Vollzugshilfe bitten. Nachdem die Eckpunkte abgesteckt waren, begann die Polizei schon einmal mit der Einsatzplanung. Doch das erwartete Vollzugshilfeersuchen blieb aus. Die Erkelenzer Kommunalpolitik wehrt sich seit Jahren gegen eine Ausweitung des Tagebaus. Insgesamt ein Drittel des Stadtgebietes könnte den Baggern von Garzweiler zum Opfer fallen. Bürgermeister Stephan Muckel (CDU) und der Stadtrat widersetzten sich der Anordnung. Deshalb wurde der Landrat des Kreises Heinsberg aufgefordert, die Drecksarbeit zu erledigen. Er fügte sich, mit „Bauchschmerzen“, wie er betonte. Den formalen Akt, der zur Räumung führen soll, konnte Erkelenz also nicht verhindern. Aber immerhin wurde der Ball an die Landesregierung zurückgegeben und deutlich gemacht, wer die Verantwortung trägt.
Im Gespräch mit der „Deutschen Presse-Agentur“ erklärte die NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne), die Räumung sei ein „ein schmerzlicher, aber leider notwendiger Schritt“. Die vorgebliche „Notwendigkeit“ entspringt einem Deal, den das Land NRW und die Bundesregierung mit dem Energiekonzern RWE geschlossen haben. Der Handel wurde als klimapolitischer Erfolg verkauft: Zwar würden kurzfristig mehr Kraftwerke ans Netz gehen, aber dafür würde der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen auf das Jahr 2030 vorgezogen. Knapp 280 Millionen Tonnen Braunkohle blieben dadurch unter der Erde, hieß es. Inzwischen ist klar, dass es sich dabei um ein Märchen handelt. Wie eine Studie von Aurora Energy Research ermittelte, führt diese Politik zu einem Mehrausstoß von 61 Millionen Tonnen CO2. Der „vorgezogene“ Ausstieg intensiviert die Kohleverstromung und hält die Bundesrepublik auf einem Pfad, der gegen das international vereinbarte 1,5-Grad-Ziel verstößt.
Auch für die Kohlekumpel und die anderen RWE-Beschäftigten ändert sich wenig: Die Studie geht davon aus, dass RWE ohnehin bald aus der immer unprofitabler werdenden Braunkohleverstromung ausgestiegen wäre. Zum Ende des Jahrzehnts hätten sich Förderung und Verbrennung kaum noch gelohnt. Seit Jahren nutzt das Konzernmanagement die Arbeitsplätze als Verhandlungsmasse im Poker um möglichst hohe Subventionen und Entschädigungen. Um sie gegen die störenden Klimaaktivisten auszuspielen, wird den Arbeitenden erzählt, dass lange Laufzeiten und große Kohlemengen eine gute und sichere Zukunft versprechen würden – ein weiteres Märchen im Dienst der Dividende. Wie der Widerstand gegen solche Verdrehungen organisiert werden kann, zeigt beispielhaft die DKP Rheinland-Westfalen. Die Partei ruft zu Protesten für den Erhalt Lützeraths auf und fordert zugleich gute Ersatzarbeitsplätze für alle Kolleginnen und Kollegen aus den Kraftwerken und dem Tagebau.