Rechte entzückt über Wagenknecht – Sahra Wagenknecht wirft Deutschland einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vor. Die Linksfraktion klatscht gemeinsam mit der AfD“, ereifert sich die „tageszeitung“ (taz) in ihrer Online-Ausgabe vom 8. September. Der nicht gerade für validierte Einschätzungen bekannte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzte am 20. September auf „Twitter“ den Post ab: „Sarah Wagenknecht sagt gerade bei Markus Lanz, dass sie keine Waffen in die Ukraine liefern würde und Gas von Putin annähme. Ich erkenne keinen Unterschied mehr zur ‚Haltung‘ der AfD. Moralisch ist das im Angesicht des Terrors Putins gegen alle Demokraten eine Bankrotterklärung.“
Der Marathon-Talkmaster Lanz kanzelte kurz vorher Wagenknecht mit den Worten „Das ist dieser abfällige AfD-Sound, der da so reinkommt, dieses Eliten-Bashing“ ab. Wagenknecht wehrte sich: „Wo kommen wir hin, wenn wir etwas nicht benennen, weil die AfD applaudieren könnte?“ In der Tat verzeichnete das Sitzungsprotokoll verschiedentlich bei Wagenknechts „Wirtschaftskrieg-Rede“ am 8. September „Beifall bei der AfD“, so bei der an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) adressierten Passage: „Ein Wirtschaftsminister, der nichts mehr liefert, muss leider tatsächlich keine Insolvenz anmelden“, oder Wagenknechts Aussage, „wie bescheuert“ es denn sei, „Millionen Familien in Deutschland in die Armut zu stürzen, während Gazprom Rekordgewinne macht“. Der Ampel-Koalition und ihren Apologeten in Redaktionsstuben und Fernsehstudios gibt dies genug Anlass, die Mär einer „Querfront“ zwischen Links und Rechts zu befeuern.
Die Zielsetzung dabei ist klar: Jede Gegnerschaft zur herrschenden Kriegshysterie und dem Geschrei nach immer mehr Waffen für die Ukraine, jede Kritik an der Energiepolitik der Ampel, die Monopolen nie gekannte Gewinnmargen sichert und im gleichen Atemzug die arbeitenden Menschen und sozial Schwachen der flächendeckenden Verarmung ausliefert, soll in die Ecke einer rechten antidemokratischen Verschwörung gedrängt werden. Dazu kommt die hämische Freude – gespeist durch Kommentare wie den von Ex-Linkspartei-Chef Bernd Riexinger: „Es gibt keinen ‚Wirtschaftskrieg gegen Russland‘“ – dass sich die Linke endlich „zerlegt“, wie man auf „Spiegel-Online“ vom 16. September nachlesen kann.
Die Funktion der AfD ist es, die Unzufriedenheit der Menschen mit den mehr und mehr für jeden ablesbaren Symptomen kapitalistischen Wirtschaftens umzulenken. Schuld an den herrschenden Verhältnissen haben nichtdeutsche, vom Ausland gesteuerte Eliten und latente Bedrohungen von Außen. Mit allen Mitteln soll verhindert werden, die Klassenfrage zu stellen. Stattdessen geht es allein um die Bewahrung deutscher Identität. Deutlich wird dies in der Rede der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel am 7. September im Bundestag: Da sorgt die „illegale Migration“ für den Zusammenbruch der Sozialsysteme, da müssen die Staatsausgaben auf „das Wesentliche“, nämlich „innere und äußere Sicherheit“ konzentriert werden, den Schutz des „unternehmerischen Mittelstands“.
Wie einfach gestrickt das Querfrontgerede ist, zeigt sich in der alltäglichen parlamentarischen Praxis. Niemand stört sich daran, dass FDP und AfD den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken befürworten. Es ist weder Zufall noch Ausnahme, dass FDP und AfD die gleichen marktradikalen Positionen teilen, da sie programmatisch glühende Verteidiger des kapitalistischen Systems sind. Die im Jahre 2020 erschienene Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung „Abstimmungsverhalten der AfD im Bundestag“ bestätigt diesen Gleichklang mit unzähligen Beispielen. Der AfD „reicht es häufig aus, lediglich öffentlichkeitswirksam zu polemisieren oder zu kritisieren. Tatsächlich bemüht sich die AfD nur in den seltensten Fällen darum, wirklich alternative Politikangebote zu unterbreiten oder eigene Antworten auf aktuelle politische Herausforderungen zu geben“. Kein Grund sich beirren zu lassen.