Der 14. Parteitag der Kommunistischen Partei Südafrikas

„Die Macht!“ – „Dem Volke!“

Von Manfred Idler

In Ekurhuleni bei Johannesburg fand vom 10. bis 15. Juli der 14. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) statt. Unter dem Motto „Die nationaldemokratische Revolution verteidigen, vorantreiben und vertiefen: Die Avantgarderolle der SACP“ zogen 1 819 Delegierte eine Bilanz der Entwicklungen im Land und international seit 2012, dem Jahr des 13. Parteitags, und berieten die Strategie für die kommende Periode. Sie vertraten mehr als 280 000 Mitglieder. Eingeladen waren auch 382 Vertreter aus der Regierungsallianz, aus Massenorganisationen, SACP-nahen Institutionen, religiösen Vereinigungen, Veteranen und Angehörige von verstorbenen herausragenden Persönlichkeiten der Partei. Der Parteitag fand großes internationales Interesse, Gäste aus 59 Kommunistischen und Arbeiterparteien folgten den Reden und Debatten.

Die SACP hat ihren Mitgliederbestand in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt, beim letzten Parteitag wurden noch etwa 150 000 Genossinnen und Genossen gezählt. Allein seit Dezember 2016 sind 26 000 neue Mitglieder in ihre Reihen eingetreten.

In der riesigen Kongresshalle brodelt es. 1800 Delegierte der Kommunistischen Partei Südafrikas singen Kampflieder, begleitet von Trillerpfeifen. Sie tanzen und rufen Schmähungen gegen prominente Regierungsmitglieder. 10 Minuten, eine Viertelstunde, 20 Minuten lang. Dann tritt der Versammlungsleiter ans Mikrophon, übertönt die Schlachtrufe: „Amandla!“. Noch einmal: „Amandla! Der Hexenkessel brodelt weiter. Ein drittes Mal: „Amandla!“ und und aus allen Kehlen die machtvolle Antwort: „Ngawethu!“ Und noch einmal „Amandla“. Ngawethu!“ „Die Macht!“ „Dem Volk!“

Die Delegierten, allesamt gekleidet in rote T-Shirts und Hemden, rote Jacken und zum größten Teil mit roten Mützen auf dem Kopf, beruhigen sich, nehmen ihre Plätze ein. Die rote Kleidung hat nicht den Sinn einer Uniformierung, sie soll die Unterscheidung nach der sozialen Stellung verhindern. Die Delegierten stammen aus allen Klassen und Schichten der Bevölkerung, hier sitzt der junge erfolgreiche Kleinunternehmer neben der arbeitslosen Mutter, die die Sorge um die nächste Mahlzeit für ihre Kinder plagt. Hier soll jede Stimme dasselbe Gewicht haben, darum die einheitliche Kleidung.

Die Beratung beginnt. Es geht um viel auf diesem 14. Parteitag. Blade Nzimande, alter und wiedergewählter Vorsitzender der SACP, umreißt die großen Probleme der Partei und des Landes. Die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Reiche und Arme, die überbordende Arbeitslosigkeit von – im engeren Sinn – inzwischen 27,7 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung. Und vor allem die Korruption in Politik, staatlicher Verwaltung bis in die Regierungsspitze, ausgehend von den Mächtigen der Wirtschaft. Drei tiefe Krisen, in denen Südafrika steckt, und Nzimande spricht von einer vierten Krise, die mit den drei ersten verknüpft ist: Die der Gewalt, und besonders der gegen Frauen und Kinder. Der Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung werde dadurch ein grundlegendes Bürgerrecht genommen: das Gefühl der persönlichen Sicherheit.

Nzimande geht den dominierenden Partner in der Regierungsallianz aus ANC, Kommunistischer Partei und Gewerkschaftsdachverband Cosatu direkt an: „Was geschieht, wenn die Staatsführer ihr Amt missbrauchen? Kommt es zu einer Spaltung des ANC? Für die meisten von uns ist es kaum denkbar, unter der Führung von Gangstern im ANC zu bleiben. Und genauso denken viele im ANC!“

Stürmische Debatte

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Die Worte des Vorsitzenden werden von vielen Rednerinnen und Rednern in den Diskussionen bestätigt. Sie äußern auch die Sorge, die Entwicklung sei nicht umkehrbar, die durch und durch korrupte Fraktion innerhalb der Führung habe das Ansehen des gesamten ANC bereits so weit beschädigt, dass er seine führende Rolle in der Politik des Landes bei den nächsten Wahlen einbüßen werde. Es bestehe die Gefahr, dass dann eine opportunistische Koalition der Oppositionsparteien mit ihren eigentlich unvereinbaren Positionen das Steuer in die Hand nehmen werde. Und damit würde auch die SACP in den Strudel gerissen. Die Erfahrung mit dem ANC seit der Übernahme der Regierung im Jahre 1994 weise auf die Verankerung einer Fraktion des traditionellen bürgerlichen Nationalismus in der Allianz hin. Dessen Ablehnung und die Forderung nach einem revolutionären Nationalismus war eine der Säulen, die die dreiteilige Allianz und die Akzeptanz des ANC als deren führende Kraft tragen. Seit der Übernahme der Führungspositionen durch Jacob Zuma und seinen Anhang trete der bürgerlich-nationalistische Flügel immer offener und arroganter auf. Ein Delegierter zog Parallelen zu anderen „Entwicklungsländern“, wo ebenfalls der Kampf um nationale Befreiung zugunsten der Verwertungsinteressen der nationalen Bourgeoisie aufgegeben worden sei.

Yershen Pillay, der Vorsitzende des Jugendverbands „Kommunistische Jugendliga Südafrikas“ (YCLSA), differenzierte: Man könne nicht mehr von den politischen Repräsentanten einer einzigen kapitalistischen Klasse oder schwarzen Bourgeoisie im ANC sprechen. Es handle sich zum Ersten um eine nationale Bourgeoisie, deren Interesse der Besitz und die Kontrolle des Industriekapitals sei, dann eine Kompradorenbourgeoisie aus Teilen der schwarzen Mittelschicht, die mit dem Großkapital der USA, Europas und asiatischer Länder zusammenarbeitet, um die Beute zu teilen, und eine parasitäre Bourgeoisie, die sich an Staatsmitteln zu bereichern suchen. Diese drei Formationen konkurrieren zwar miteinander, geraten aber dadurch nicht in Widerspruch zueinander. Gemeinsam kämpfen sie um die Dominanz im ANC, dessen Strukturen sie bereits bestimmen. „Unweigerlich führt das zum Konflikt mit den Interessen der Arbeiterklasse und der ausgegrenzten Armen in Stadt und Land.“

Ramaphosa lässt die Bombe platzen

In Südafrika fand der Parteitag große Aufmerksamkeit der Medien, die sehr detailliert berichteten. Den größten internationalen Widerhall fand aber ein Detail, nämlich die Gastrede, die der stellvertretende ANC-Vorsitzende Cyril Ramaphosa hielt. In bisher nicht gekannter Schärfe ging er mit dem ANC-Vorsitzenden und Präsidenten der Republik ins Gericht. Dessen profitable Verbindungen zu dem milliardenschweren Gupta-Clan seien verbrecherisch. Auch andere Regierungsmitglieder, namentlich Bergbauminister Mosebenzi Zwane und Kommunikationsminister Faith Muthambi, müssten wegen ihrer illegalen Geschäfte mit der Familie Gupta vor Gericht gestellt werden. Er werde nicht schweigen, wenn eine Handvoll Superreiche den Staat kapern. Die Milliarden Rand, die sich die Guptas mit ihren zahlreichen Firmen ergaunert hätten, müssten zurückgeholt und Gerichtsverfahren gegen alle Beteiligten in Politik und Wirtschaft eingeleitet werden.

„Noch als sich hier die die Delegierten versammelten, um über diese Fragen zu beraten“, so Ramaphosa, „kamen immer noch weitere Beweise ans Tageslicht, wie weitgehend unsere staatseigenen Unternehmen geplündert wurden, wie Einzelne in verantwortlichen Positionen von Handlungen profitiert haben, die im besten Fall als unethisch gelten müssen und im schlimmsten Fall kriminell sind. Wir wissen jetzt ohne jeden Zweifel, dass öffentliche Mittel in Höhe von Milliarden Rand in die Taschen von ein paar Leuten umgeleitet wurden. Wir hätten diese Mittel nutzen können, um Schulen und Kliniken zu bauen, die Infrastruktur zu verbessern, arme Bauern zu unterstützen und Stipendien zu vergeben.“ Die Guptas und die Fraktion ihrer Freunde im ANC trügen Schuld an der Spaltung, die sich im ANC abzeichne, und an der Absicht der SACP, eigenständig bei Wahlen anzutreten. „Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das sagt, ‚Wenn Brüder bis aufs Messer kämpfen, erbt ein Fremder das Haus‘“, warnte er und kündigte an, auf der ANC-Wahlkonferenz im Dezember mit Zuma um die Kandidatur zur Präsidentschaftswahl zu ringen. Eine kämpferische Rede, die südafrikanische Zeitung „The Star“ berichtete darüber unter der Überschrift „Ramaphosa auf dem Kriegspfad“.

Der Beifall der Delegierten war dennoch verhalten. Südafrikas Kommunisten haben kämpferische Reden und große Versprechungen auch schon vom Nachfolger Nelson Mandelas im Präsidentenamt, Thabo Mbeki, gehört. Der schlug dann den Weg der neoliberalen Umgestaltung der Wirtschaft ein. Und Jacob Zuma fand ebenfalls klingende revolutionäre Phrasen, als er das Amt übernahm, das er so lukrativ für sich und die Seinen gestaltet.

Die Beschlüsse des Parteitags

Ungeachtet der Warnung Ramaphosas, nicht aus dem gemeinsamen Wahlantritt innerhalb der regierenden Allianz auszuscheren, beschloss der Parteitag die eigenständige Kandidatur der SACP im engen Schulterschluss mit dem strategischen Hauptverbündeten, dem Gewerkschaftsverband Cosatu. Wie das aussehen wird muss eine genaue Analyse ergeben, die bis zu einem Sonderparteitag im April kommenden Jahres nach Konsultationen mit Organisationen der Arbeiterklasse und anderen fortschrittlichen Vereinigungen vorliegen wird. Ungeachtet dieses Beschlusses bemüht sich die SACP als stabilste und einheitliche Kraft innerhalb der Regierungsallianz weiterhin um die organisatorische Erneuerung des ANC.

Die Abschlusserklärung des Parteitages zählt unter anderem folgende Punkte auf: Das wichtigste strategische Ziel ist die Einleitung einer tiefgreifenden zweiten Phase der nationaldemokratischen Revolution als dem direkten Weg zu einem sozialistischen Südafrika. Diesem Ziel dient auch der Kampf um eine wirkliche und nachhaltige Landreform, um die Anbauflächen für schwarze Kleinbauern zu erweitern. Eine Grundsteuer auf ungenutztes Land und landwirtschaftliche Großbetriebe soll die Mittel zu diesem Zweck erbringen. Die Landreform muss auch der Demokratisierung der Nutzung genossenschaftlichen und öffentlichen Eigentums an Grund und Boden dienen.

Die Wettbewerbsregeln müssen verschärft werden, um den Regulierungsbehörden zu erlauben, Marktabsprachen und monopolistische Marktdominanz in den Griff zu bekommen.Diese Dominanz behindert die Schaffung von Arbeitsplätzen zu behindern, die Entwicklung kleiner und genossenschaftlicher Betriebe zu verhindern und erstickt das Wachstum.Die Beschlüsse des Parteitags fordern eine Umorientierung der Wirtschaftspolitik – weg von der exzessiven Förderung privaten Eigentums in der Hand von Schwarzen, hin zu mehr öffentlichem und gesellschaftlichem Eigentum. Südafrikas Reichtum an Bodenschätzen muss allen gehören. Der bisherige Grundsatz, dass ein bestimmter Anteil der Bergbaugesellschaften in den Händen schwarzer Eigentümer sein muss, wird verworfen zugunsten eines nationalen Fonds, damit die Erträge der Ressourcen allen Einwohnern Südafrikas zugute kommen.

Der Parteitag beschloss eine „Roter-Oktober-Kampagne“ mit dem Schwerpunkt, in Betrieben und Kommunen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Gewalt gegen Kinder und junge Menschen aufzutreten.

Der „stille Putsch“ parasitärer Plünderung öffentlichen und Staatseigentums verlangt die sofortige Einrichtung einer Untersuchungskommission, die die illegalen Geschäfte aufdeckt und die Täter zur Verantwortung zieht.

Das erweiterte Zentralkomitee hat den Auftrag eine gemeinsamen Plattform zu entwickeln mit dem Ziel, eine breite Front von Organisationen der Werktätigen und der demokratischen Öffentlichkeit zu schaffen. Dies muss unter Einbeziehung des ANC geschehen.

Die Delegierten verpflichten sich zur Durchführung der Beschlüsse und dazu, ihrer Avantgarderolle am Arbeitsplatz, am Wohnort, in Schulen und Universitäten und Schlüsselpositionen gerecht zu werden. Sie werden vertrauensvoll und bescheiden im Dienst der Arbeiterklasse und der Armen wirken.

Die Erklärung endet mit den Worten: „Als patriotische südafrikanische Partei sind wir auch eine Partei des Internationalismus. Wir kämpfen solidarisch gemeinsam mit allen Ausgebeuteten und Unterdrückten. Wir erklären ein weiteres Mal: Die Zukunft heißt Sozialismus! Lasst ihn uns aktiv in den Kämpfen unserer Zeit aufbauen!“

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"„Die Macht!“ – „Dem Volke!“", UZ vom 21. Juli 2017



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