Auf dem höchsten Berg der Welt staut es sich. Jedes Jahr versuchen über 100 000 Bergsteiger, hauptsächlich aus den Industrienationen, den 8848 Meter hohen Berg im Himalaya zu erklimmen. Die Folge ist, dass allein in diesem Jahr bis jetzt elf Menschen in der „Todeszone“ des Mount Everests umgekommen sind. „Sagarmatha“ (Stirn des Himmels) beziehungsweise „Qomolangma“ (Mutter des Universums), wie der Berg auf Nepalesisch beziehungsweise Tibetisch heißt, ist seit den 1990er Jahren zum Touristen-Magnet geworden. Das Komplettpaket inklusive deutscher Expeditionsleitung beginnt zum Beispiel beim Bergtouren-Anbieter „Amical Alpin“ bei 55 000 Euro pro Person. Bei der 44 Tage dauernden Expedition ist alles mit drin, angefangen beim Flug, über Hotels und Bergsteigerausrüstung bis hin zum persönlichen Sherpa. Sherpas sind Nepalesen und Tibeter, die die eigentliche Arbeit machen. Sie schleppen das Material zu den verschiedenen Lagern, versorgen die betuchten Gäste – auch mit Satellitentelefon und mobiler Toilette – und geleiten sie auf den Berg. Sie verdienen insgesamt 2 000 bis 5 000 Euro in den Monaten April, Mai und Oktober, wo eine Besteigung überhaupt möglich ist.
Seit der Sherpa Tenzing Norgay mit dem Neuseeländer Edmund Hillary 1953 zum ersten Mal den Mount Everest bestieg (bis heute ist umstritten, wer von beiden als erster auf dem Gipfel stand), hat sich auf dem „Dach der Welt“ vieles verändert. Geht es nach dem Präsident der „Nepal Mountaineering Association“, Ang Tshering Sherpa, soll es noch mehr werden. „Der Montblanc in Frankreich zieht in der Saison täglich 50000 Touristen an“, sagt er. „Warum sollen wir das nicht auch erreichen können?“ Seit den 1990er Jahren unterhält seine Organisation zahlreiche Kooperationsabkommen, unter anderem mit dem deutschen und dem österreichischen Alpenverein, DAV und ÖAV. Sherpas lernen in den touristisch gut erschlossenen Alpen, welchen Service ihre Kundschaft auch in ihrer Heimat erwarten.
Der Tourismus bringt Nepal rund 30 Prozent seiner Staatseinnahmen. Von den über 28 Millionen Nepalesen leben fast 40 Prozent unterhalb der Armutsgrenze, das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt 18 Euro. Sherpas verdienen demgegenüber gut, jedoch besitzen sie keine Absicherungen. Nachdem im April 2014 eine Lawine am Mount Everest 16 Sherpas tötete, kam es zum Streik. Daraufhin erhöhte die Regierung die Entschädigungssumme für die Hinterbliebenden von den ursprünglich angebotenen 300 auf 7 000 US-Dollar. Dem Versprechen, für die nepalesischen Bergführer eine Lebensversicherung von 11000 Euro pro Person einzurichten, ist die Regierung bis heute nicht nachgekommen. Seit den ersten Besteigungen starben insgesamt mehr als 300 Personen auf dem Weg zum Mount Everest, der Großteil der Verunglückten waren Sherpas.
Aber nicht nur für Sherpas birgt der Mount Everest extreme Gefahren. Waren es bis in die 1980er Jahre hauptsächlich Extrembergsteiger wie Reinhold Messner, die ihr Leben lang auf die Besteigung hintrainierten und technisch versiert waren, versuchen sich immer mehr untrainierte Menschen mit mangelnder Erfahrung und Technik am höchsten Berg der Welt. Schon ab 2 500 Höhenmeter kann die Höhenkrankenheit mit Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Atemnot, Schwindel und Benommenheit bis zur Apathie auftreten. Zudem kann sie Ödeme in Gehirn und Lunge auslösen, die zum Tod führen können. 1996 flogen drei Reporter vom Tal aus mit dem Hubschrauber ins Basislager des Mount Everest auf 5 200 Meter. Kaum angekommen, musste der Hubschauber zurückbeordert werden, um die drei wieder ins Tal zu bringen. Bei ihnen hatte sich umgehend die Höhenkrankheit in einem lebensgefährlichen Maße gezeigt.
Alle 80 Höhenmeter nimmt der Luftdruck um ein Prozent ab. Da die menschliche Lunge mindestens einen Druck von 350 Millibar benötigt, wird es selbst für erfahrene Bergsteiger ab einer Höhe von 7 000 Metern gefährlich. Ab 7 500 Meter beginnt die sogenannte „Todeszone“, Menschen dürfen sich (auch mit Sauerstoffgeräten) maximal 48 Stunden in dieser aufhalten, wollen sie nicht sterben. Ab 8 500 Meter kann es zum so genannten „Freak Weather“ kommen. Der sowieso schon geringe Sauerstoffanteil sinkt dann gegen null, die Bedingungen auf dem Mount Everest ähneln dann denen im Weltall. Mehr als die Hälfte aller Todesfälle unter professionellen Bergsteigern gehen auf das Konto dieses Wetterphänomens.