Die Legende vom Imperium

Inge und Harald Humburg

Wir teilen die Einschätzung des Leitantrages: Die Kriegsgefahr wächst und Frieden ist eines unserer zentralen Kampffelder. Da enden aber die Gemeinsamkeiten. Wir meinen, dass die Einschätzung der Weltlage im Leitantrag ziemlich weit weg ist von der Wirklichkeit und seine theoretische Grundlage ziemlich nahe dran an Kautsky. Mit dem Austausch einiger Formulierungen ist es daher nicht getan. Her muss: Eine gründliche Einschätzung der Weltlage und intensive Diskussion der Schlussfolgerungen für den Friedenskampf. Wir haben zu beidem einen ersten Aufschlag versucht, der aber natürlich die 5 000-Zeichen-Hürde der UZ klar reißt.

Dankenswerterweise hat die UZ eine Online-Veröffentlichung zugesagt auf www.blog.unsere-zeit.de „Die Gefahr eines Weltkrieges wächst“.

Wir beschränken uns deshalb hier auf Schlaglichter, die die Diskrepanz zwischen Leitantrag und Wirklichkeit beleuchten.
Den Leitantrag durchzieht die Vorstellung eines relativ einheitlichen, von den USA geführten imperialistischen Lagers. Eingeräumt wird zwar, dass die EU-Staaten auch mal in gewisser Konkurrenz zu den USA agieren und es Rivalität in der EU um die Führung gibt, aber für die Kriegsgefahr in der Welt spielen diese Widersprüche keine Rolle. Auch der deutsche Imperialismus ordnet sich weiter ein, er will lediglich entsprechend seinem ökonomischen Gewicht einen höheren Rang in der gemeinsamen Räuberbande.

Vieles kann mit einer solchen Vorstellung vom „Imperium“ nicht erklärt werden. Dazu 4 beispielhafte Zitate:
Macron hat am 6.11.18 laut Spiegel gesagt: „Europa muss sich verteidigen mit Blick auf China, auf Russland und sogar auf die USA.“ „Dazu braucht es eine wahre europäische Armee.“ Am 8.11.19 hat er den „Hirntod“ der Nato festgestellt. Europa könne sich auf die USA „nicht mehr verlassen“. Europa müsse als vermittelnde Macht zwischen den Gorillas China und USA auftreten. Es müsse die eigene Region in den Griff bekommen, indem „die Beziehungen zu Russland wiederaufgebaut“ werden. Und: „Wenn Europa sich selbst nicht als Großmacht sehen kann, wird es verschwinden.“
Trump twitterte am 31.8.18: „Die Europäische Union ist fast so schlimm wie China, nur kleiner.“
Siemens-Chef Kaeser von der Reise mit der Kanzlerin nach China: „Die Exportnation Deutschland sitzt fast sprichwörtlich zwischen großen Stühlen – den beiden wichtigsten Absatzmärkten der eigenen Binnenwirtschaft.“

Autopapst Dudenhöffer am 2.10.19 in ntv:. Die Politik müsse endlich „auf Distanz zu den USA“ gehen und sich mehr China zuwenden. „Wir sind zu schnell dabei, China zu verurteilen.“ Dabei mache es „viel Sinn, stärker auf Distanz zu den USA zu gehen“.

Der Leitantrag stellt diesem angeblich ziemlich einheitlichen imperialistischen Block ein Lager von Widersachern gegenüber, die klassenmäßig gar nicht mehr eingeordnet werden. Sie sind klassenmäßige Neutren, die unabhängig von ihrer ökonomischen Basis nach „selbstbestimmter Entwicklung streben“. Früher haben Kommunisten die Außenpolitik eines Landes aus den Klasseninteressen der jeweils herrschenden Klasse abgeleitet und ein Krieg war für sie die Fortsetzung dieser Politik mit anderen Mitteln. Heute betreiben – folgt man dem Leitantrag – sogar Oligarchen an der Macht eine Politik der friedlichen Koexistenz, was früher ein untrügliches Kennzeichen von Ländern war, in denen die Arbeiterklasse herrschte.
Fazit: Beide Vorstellungen, die eines imperialistischen Lagers aus USA, EU, Japan, Türkei, und die eines Gegenlagers, das von keinen ökonomischen Interessen, sondern von ideellen Ziele zusammengehalten wird, sind von der Wirklichkeit weit weg. Diese Beschreibung hat starke verwandtschaftliche Beziehungen zu Leo Mayers „kollektivem Imperialismus“. Sie wurzelt in einer längst vergangenen Zeit, in der sie noch einen Hauch von Berechtigung hatte, nämlich als dem „Westen“ ein sozialistisches Lager gegenüberstand. Sie hat ihren Ursprung aber noch viel früher, nämlich bei Kauts­kys Ultraimperialismus. Deshalb hier ein letztes Zitat mit einer prinzipiell anderen Sichtweise des imperialistischen Weltsystems:
„Für den Imperialismus (ist) wesentlich“ „der Wettkampf einiger Großmächte in ihrem Streben nach Hegemonie“. „Denn unter dem Kapitalismus ist für die Aufteilung der Interessen- und Einflusssphären, der Kolonien usw. eine andere Grundlage als die Stärke der daran Beteiligten, ihre allgemeinwirtschaftliche, finanzielle, militärische und sonstige Stärke, nicht denkbar. Die Stärke der Beteiligten aber ändert sich ungleichmäßig …“ „Ultraimperialistische Bündnisse sind daher in der kapitalistischen Wirklichkeit, … notwendigerweise nur ‚Atempausen’ zwischen Kriegen.“ (Lenin, Imperialismus).
Mit diesem Leninschen Instrumentarium müssen wir die heutige Wirklichkeit untersuchen. Packen wir es an!

Mehr Informationen zum 23. Parteitag der DKP

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"Die Legende vom Imperium", UZ vom 6. Dezember 2019



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