Fidel Castro Ruz, ein Mensch von Größe und Würde

Die längste Nacht

Von Lisandra Fariñas Acosta, Granma Internacional

„Was uns die Imperialisten nicht verzeihen können, ist, dass wir hier sind; was uns die Imperialisten nicht verzeihen können, sind die Würde, die Integrität, der Mut, die ideologische Standhaftigkeit, die Opferbereitschaft und der revolutionäre Geist des kubanischen Volkes.

Das ist es, was sie uns nicht verzeihen können, dass wir hier vor ihrer Nase sind und dass wir eine sozialistische Revolution vor der Nase der Vereinigten Staaten gemacht haben!

Und dass wir diese sozialistische Revolution mit diesen Gewehren verteidigen! Und dass wir diese sozialistische Revolution mit dem Mut verteidigen, mit dem gestern unsere Flak-Schützen die angreifenden Flugzeuge mit Kugeln durchsiebten!

Und diese Revolution, verteidigen wir nicht mit Söldnern, diese Revolution verteidigen wir mit Männern und Frauen des Volkes (…) Kameraden, Arbeiter und Bauern, das ist die sozialistische und demokratische Revolution der einfachen Menschen, mit den einfachen Menschen und für die einfachen Menschen. Und für diese Revolution der einfachen Menschen, mit den einfachen Menschen und für die einfachen Menschen sind wir bereit, unser Leben zu geben.“

Fidel Castro am 6. April 1961, einen Tag nach der gescheiterten Invasion der Söldner des Imperialismus in der Playa Girón.

Es ist 22.29 Uhr in der Nacht, der längsten Nacht. Fidel ist gestorben. Über 600 Mal wollten „sie ihn uns umbringen“. Versuche, die zum Scheitern verurteilt waren, denn Menschen wie ihn tötet man nicht. Sie sterben, wenn sie an der Reihe sind. Und sie gehen still von uns.

Da ist Stille, selbst in der Nähe des betäubenden Straßenlärms. Denn ganz plötzlich ist eine jahrhunderteschwere Traurigkeit über Kuba gekommen. „Der letzte Revolutionär ist gestorben“, hieß es in einem großen Pressemedium.

Ja, ein Mann ist gestorben, aber nicht die Revolution. Wenn es etwas gibt, das Fidel sicherstellte, war es dies, sie zu beginnen, sie mit seinen Händen aufzubauen und viele darin zu unterweisen. Es konnte für jenen Mann nicht anders sein, als dass er „trotz aller Widrigkeiten“ trotz der Aggressionen von außen und der Übergriffe von innen, bis zum letzten Atemzug seiner 90 Jahre kämpfen würde, damit „diese Insel, die viel Leid ertragen musste aber trotzig glücklich ist, die am wenigsten ungerechte Gesellschaft Lateinamerikas hervorbingt“.

„Seine Feinde sagen uns, dass diese Heldentat dank der Opferbereitschaft seines Volkes möglich war, aber es war auch das Werk des eisernen Willens und des altmodischen Ehrbegriffs dieses Ritters, der immer für die Verlierer kämpfte, wie jener berühmte Kollege auf den Feldern Kastiliens“, wie uns Eduardo Galeano erinnert.

Du bist wach, die Nachricht hält dich auf den Beinen und du kannst nicht mehr schlafen. Du bist nicht allein. Vorher hat die kubanische Regierung bereits eine neuntägige Staatstrauer angekündigt. Jetzt bist du nicht mehr allein mit dieser ohnmächtigen Stummheit. Mit dir sind Millionen von Kubanern, Menschen, die Kuba lieben, innerhalb und außerhalb des Landes. Fidel hat uns seinen Platz auf der geopolitischen Landkarte der Welt verschafft. Er hat uns dort hingebracht und uns dort gehalten. Er hat uns durch sein Beispiel die Mission hinerlassen, dort zu verbleiben.

Ich suche im Internet. „Der Tod“ verbreitet sich, er vervielfacht sich und außerhalb und innerhalb des Kaimans herrscht Ruhelosigkeit.

Ich spreche mit Haiti, mit den kubanischen Ärzten, die dort sind, die dort gewesen sind. Mit den Brigaden der Hoffnung, die er geschaffen hat. Der Henry Reeve Brigade, Werk seines befreierischen Geistes, die zusammen mit der in der südlichen von Hurrikan Matthew schwer getroffenen Gemeinde Anse d’Haunault ständig präsenten Medizinbrigade arbeitet, die „entschlossene und nicht verhandelbare Verpflichtung mit den Armen der Erde, mit der Menschheit“.

Es ist die beste Art und Weise „seine Ideale lebendig zu erhalten, als Heer der weißen Kittel. Alle Revolutionäre, die wir heute das Glück haben unter uns das Beispiel und den Leitstern zu haben, den er verkörpert hat; er ist, war und wird immer unser unbesiegter Comandante sein, Fidel Castro Ruz, ein Mensch von Größe und Würde, ein Patriot – heute und für immer werden wir das physische Verschwinden dieses Vulkans an Ideen spüren, eines immerwährenden Schützengrabens der Würde, fest entschlossen im größten aller Kämpfe“, erklärten die Ärzte bei Tagesanbruch von diesem Bruderland aus, von dem Fidel bei mehr als einer Gelegenheit sprach und für das er die Menschheit aufrief, die Anstrengungen zu vereinen.

„Die Tragödie bewegt eine große Anzahl aufrichtiger Menschen, besonders dann, wenn sie auf eine Naturkatastrophe zurückgeht. Aber sehr wenige halten an und denken darüber nach, warum Haiti ein so armes Land ist. Ich kann nicht aufhören meiner Meinung Ausdruck zu verleihen, dass es an der Zeit ist, wirkliche und wahrhaftige Lösungen für dieses Brudervolk zu finden“, äußerte er.

Vor sechs Jahren sagte er: „Wir empfinden einen gesunden Stolz wegen der Arbeit, die die kubanischen Ärzte und die jungen in Kuba ausgebildeten haitianischen Ärzte für ihre Brüder in Haiti leisten!“

Sie sind immer noch dort, Comandante, um anderes Leid zu lindern. „Bis zum immerwährenden Sieg“. Indem sie helfen und Leben retten, geben sie diesen „Beweis für den so notwendigen humanitären Geist“, den er forderte.

Schmerz. Das Wort wiederholt sich im Chat. Es scheint ein allgegenwärtiges Wort zu sein. Das ist es. „Aber wir wissen, wie wir uns über den Schmerz erheben, wie er es uns gelehrt hat. Und wir werden treue Verteidiger seiner Ideen sein und weiter für unsere Freiheit und unseren Sozialismus kämpfen“, sagte uns von Haiti aus der 44 jährige Facharzt für Hygiene und Epidemiologie Fabián Pérez Hernández, der weiß, dass jetzt an Kuba zu denken, die beste Art und Weise ist an Fidel zu denken.

Schmerz. „Er stellt unsere Widerstandskraft auf die Probe. Ein doppelt trauriger Moment, weil wir außerdem noch so weit von unserer Familie entfernt sind“, sagt die junge Doktorin Vevis González Calderín aus der Provinz Pinar del Rio.

Ein doppelter Schmerz, das empfindet auch Dr. Alexis Díaz Ortega, der Chef der medizinischen kubanischen Henry Reeve Brigade. „Weil wir weit von unserem Land erntfernt mitten in einem armen vom Hunger gebeutelten Land sind, für das er so gekämpft hat. Wir können voller Stolz sagen: Danke Fidel, Danke Kubanische Revolution!, dafür, dass es bei uns keine Kinder gibt, die Hunger leiden, ohne Krankenhäuser leben müssen und mangelernährt sind.“

„Denn alles, was es hier in Haiti gibt, erinnert uns an Fidel. Dank ihm, gibt es in Kuba keine Kinder, die hungrig und ohne Schuhe sind, etwas, was wir hier jeden Tag erleben, und auch kein Elend wie in diesem Land. Viele von uns haben hier den Hurrikan Matthew erlebt und das erste an was wir gedacht haben war: Wenn das hier Kuba wäre, wären Fidel und Raúl hier bei uns. Weil sie uns Altruismus und Internationalismus gelehrt haben helfen wir diesem notleidenden Volk“, schreibt Dr. Dariana Dayami Velázquez, ein Mitglied der medizinischen Brigade, die ständig in Haiti arbeitet.

Jorge Armando Delgado González ist 59 Jahre alt. Er ist Epidemiologe und stammt aus Matanzas. Er versichert uns, dass der Tod des Comandante „ein harter Schlag ist, aber für die Generation, die in den 50er Jahren geboren wurde, ist er dies noch mehr. Fidel war es, der uns führte und uns von Anfang an lehrte, den revolutionären Prozess zu gehen. Alles was wir beruflich erreicht haben, haben wir dank ihm erreicht. Wir schulden ihm alles.“

Es gibt keine Worte. Der Epidemiologe David Goles Machado findet sie nicht. „Wir haben einen Bruder, einen Vater verloren!“

Ich schließe den Chat. Es sind Momentaufnahmen unserer Ärzte, die im ärmsten Land Lateinamerikas Körper und Seelen heilen. Ich suche weiter und zwischen Fotos von Fidel erscheinen einige, die ihn zusammen mit Chávez zeigen, in einem anderen Land, das er liebte. Ich lese dann dass die Gedenkfeier für Fidel in der Kaserne de la Montaña sein werde. Es gibt keinen geeigneteren Ort dafür.

Es gibt ein anderes zurückgehaltenes Lebewohl für den Freund Fidel, den Liedermacher praphrasierend. Die Worte gefrieren wieder, in einer langen Nacht, in einem Morgengrauen, das sich ausdehnt. Aber „Alle Freunde des Freundes/haben etwas auf die Seele gestickt/es gibt kein endgültiges Lebewohl/und auch kein Ende, das in Asche aufgeht.

Täuschen wir uns nicht. Fidel ist nicht gegangen, er streicht seinen Bart und sticht in See so wie er es vor 60 Jahren von Tuxpan aus gemacht hat, das war kaum ein Augenblick in der Unsterblichkeit. Und er wird wieder zurückkehren, um uns davon zu erzählen.

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"Die längste Nacht", UZ vom 2. Dezember 2016



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