Strategisches Denkens ist nicht die Stärke von Trump, Bolton & Co.

Die Kunst des Krieges

Von Klaus Wagener

„Ich möchte einigen Leuten raten, die Illusion aufzugeben, dass ein neuer ‚Plaza Accord’ gegen China verhängt werden könnte“, bemerkte der chinesische Botschafter in den USA, Cui Tiankai, in der letzten Woche. „Sie sollten die Illusion aufgeben, dass China jemals der Einschüchterung, Nötigung oder grundlosen Einschüchterung nachgeben wird.“ Der Plaza Accord war ein Abkommen zwischen den G5, USA, Japan, Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik. Es wurde 1985 im Plaza Hotel in New York von der Reagan-Administration durchgesetzt und hatte zum Ziel, das Handelsdefizit der USA zu senken und eine Abwertung des Dollar in Relation zum Yen und zur D-Mark zu erreichen. Wenn man will, ein Vorläufer des heutigen Handelskrieges, der allerdings von den damaligen US-Vasallen notgedrungen akzeptiert werden musste.

Die Konsequenzen für die damalige Boomtown Japan waren desaströs. Die Spekulationsblase platzte, der Nikkei-Index brach völlig zusammen, der Yen verdoppelte seinen Wert innerhalb von zwei Jahren. Trotz enormer Finanz- und Konjunkturprogramme kam das japanische Wirtschaftswachstum weitgehend zum Erliegen. Bis heute. Etwas in dieser Richtung dürfte Donald Trump wohl vorschweben, wenn er verkündet, Handelskriege seien leicht zu gewinnen. Allerdings ist die Welt 2018 eine andere als 1985.

Elf Jahre nach Ausbruch der Großen Krise ist auch der Protektionismus zurück. Verschwunden war er nie. Nur pragmatisch begrenzt. Nun ist der Kampf um die globalen Mehrwertressourcen härter denn je. Dazu kommt: Die Erosion des Imperiums verlangt von der Washingtoner Kriegspartei, nach den ebenso teuren wie nutzlosen Kriegen im Mittleren Osten und Nordafrika, nach Antworten. Eine davon ist der nun begonnene Handelskrieg. Das Imperium kämpft verbissen gegen den Abstieg, so lange es noch geht.

Trumps Fokussierung auf die Handelsbilanz deutet eine deutliche Überlegenheit der USA in diesem Kampf an. China exportiert Waren für 506 Mrd. Dollar in die USA. Die USA für 130 Mrd. in die Volksrepublik. Doch die Handelsbilanz ist nicht alles. Das US-Kapital stellt immer noch rund 36 Prozent des globalen „Vermögens“. Und ein erheblicher Teil dieses Kapitals erzielt seine Profite in der Volksrepublik. Die US-Direktinvestitionen 1990 bis 2017 betrugen dort akkumuliert 256 Mrd. Dollar. Wall Street, aber auch Walmart, Apple und Co. profitieren beträchtlich vom gegenwärtigen „Globalisierungs“-Modus. Das muss nicht so bleiben.

Der nationale Blick auf diesen Handelskrieg verstellt den Blick auf die wahren Fronten. Die US-Zollpolitik gefährdet auch das Geschäftsmodell des im Chinageschäft engagierten eigenen Kapitals erheblich. Wenn die Zölle tatsächlich, wie angekündigt, auf Waren von 200 Mrd. Dollar, möglicherweise 400 oder 500 Mrd. Dollar ausgeweitet werden sollten, dann dürften die Wirkungen der chinesischen Antwort nicht nur für die US-Bürger und hunderttausende Arbeitsplätze, sondern auch für diese Wirtschaftsschwergewichte beträchtlich sein. Die von Trump bereitgestellte Kriegskasse von 12 Mrd. Dollar zur Kompensation der Kriegsfolgen könnten sich dann schnell als reichlich dürftig erweisen.

Handelskriege generieren keine win-win-, sondern eine lose-lose-Situation. Es „gewinnt“ der ökonomisch Mächtigere, der sozial Leidensfähigere, bzw. derjenige, der die neue Lage besser in seine Strategie integrieren kann. Das extrem exportgestützte Wachstumsmodell der Volksrepublik ist ohnehin passé. China steuert auf ein schwächeres, binnenmarktgestütztes Wachstum zu. Die Trump-Administration befeuert also die ohnehin verfolgte chinesische Strategie. Gleiches gilt für den Dollar. Das US-Imperium refinanziert sich nicht nur zu einem beträchtlichen Teil über die Notenpresse, der Dollar ist die Basis der Ausnahmestellung der Wall Street, sondern Washington begründet auch seinen globalen Jurisdiktions- bzw. Sanktionsanspruch mit dem Dollar. Wie beispielsweise im Iran. Der Ausstieg aus der Weltreservewährung Dollar ist daher Teil der anti-imperialistischen, anti-neokolonialen Emanzipation. Washington wird auch diesen Prozess beschleunigen.

Und schließlich gilt es für China, sich aus der engen bilateralen Wirtschaftsverflechtung mit dem Imperium zu lösen und zu diversifizieren. Im Kalten Krieg an der Seite der USA und in den Blütenträumen der Globalisierung konnte China auf Washingtoner Wohlwollen zählen. Das ist Geschichte, und die Volksrepublik ist zum erklärten Gegner aufgestiegen. China hat massiv aufgerüstet und mit der Belt and Road Initiative (Neue Seidenstraße) strategisch reagiert. Seither ist Peking zum Hoffnungsträger der halben Welt geworden. Der plumpe Handelskrieg wird auch den Prozess der ökonomischen Integration Eurasiens eher beschleunigen denn verhindern.

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"Die Kunst des Krieges", UZ vom 7. September 2018



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