Die „Gemeinsame Erklärung“, die am 10. Januar in Brüssel von EU- und NATO-Funktionsträgern abgegeben wurde, offenbare „die Vorurteile und Arroganz der EU und der NATO in Bezug auf die Wahrnehmung von China, denen China vehement widerspricht“, so ein Sprecher der chinesischen Botschaft bei der EU. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa meinte, die Erklärung habe „die völlige Unterordnung der EU unter den (NATO-)Block“ nochmals bestätigt, Die NATO sei ein militärisches Instrument, welches benutzt werde, „um US-Interessen abzusichern“. Was war passiert?
NATO-Lautsprecher Jens Stoltenberg sowie die führenden Vertreter der EU-Bürokratie Charles Michel und Ursula von der Leyen – selbstredend allesamt ohne irgendeine Form eines demokratischen Mandats – waren vor die Presse getreten und hatten eine 14-Punkte-Erklärung abgegeben, in der Russland und China als Bedrohung für die europäische und globale Sicherheit benannt werden. Dabei steht, wie in NATO- und EU-Brüssel nicht anders zu erwarten, „Russlands brutaler Krieg gegen die Ukraine“ im Vordergrund, aber schon kurz darauf folgt die Aussage, „Chinas Strategie und wachsende Selbstbehauptung“ stellten eine Herausforderung dar, auf die man antworten müsse. In Peking und Moskau weiß man, dass man das Fadenkreuz der US- und NATO-Geostrategen auf der Stirn hat. Und man weiß ebenso, dass die Von-der-Leyen-Bürokraten im vorauseilenden Gehorsam alles aufsagen, was die Washingtoner Neokonservativen zur Verteidigung der globalen US-Dominanz so auf dem Zettel haben. Gegenwärtig wird am zehnten EU-Sanktionspaket gebastelt – koste es die deutsch dominierte EU, was es wolle.
Da es in Zukunft nicht so leicht werden dürfte, die suizidale Russland- und Chinapolitik der Von-der-Leyen-EU durchzuhalten, versucht Washington mithilfe eines „NATO-EU-Paktes“ stärkere Sicherungsstrukturen einzuziehen. Man sollte die Rolle Stoltenbergs und die auf Augenhöhe zugeschnittene Bündnisrhetorik nicht überbewerten. Die NATO hat seit ihrer Gründung 1949 die Aufgabe, die Globalinteressen Washingtons in Bezug auf Europa abzusichern, dessen tatsächliche Souveränität zu verhindern und die europäische Kampffront gegen die Sowjetunion beziehungsweise Russland in jeder Hinsicht zu stärken. Oder in den Worten des ersten NATO-Generalsekretärs Hastings Ismay: Der Zweck der NATO sei es, „die Russen rauszuhalten, die Amerikaner drinzuhalten und die Deutschen untenzuhalten“. Entsprechend ist auch das NATO-Verhältnis zur EU gestaltet. Es ging immer darum, die Frontstellung Europas gegen den Osten aufrechtzuerhalten sowie eine für die US-Dominanz bedrohliche Zusammenarbeit Europas mit der SU beziehungsweise Russland ebenso zu verhindern wie eine „Strategische Souveränität“, wie sie in den Trump-Jahren von naiven Berliner Politikern zeitweise diskutiert werden durfte. Dazu sind mittlerweile hinreichend viele Pro-USA-Zirkel wie die Visegrád-Gruppe oder die Baltische Versammlung in der EU installiert worden. Europa sollte ökonomisch prosperieren und militärisch aufrüsten, aber als Speerspitze und Kanonenfutter Washingtons gegen den Osten – eine Rolle, die momentan von der Ukraine ausgestaltet werden darf. Das Land ist zu diesem Zweck, wie der ukrainische Kriegsminister Oleksij Resnikow freimütig zugab, längst ein De-facto-Mitglied der NATO geworden.
Da mittlerweile doch dem einen oder anderen aufgegangen ist, zu welchen Konsequenzen die blinde Vasallentreue zum „Großen Bruder“ in Washington in den Zeiten des westlichen Abstiegs führen kann, tritt die repressive Dimension von NATO und EU immer mehr in den Vordergrund. Das ursprüngliche Wohlstandsversprechen – oder anders: die sozialökonomische Integrationsvariante – ist ja mit der Eurokrise ab 2009 obsolet geworden. Mit der Ukraine-Krise, genauer den Anti-Russland-Maßnahmen, ist die Deindustrialisierung und Massenverarmung Europas zum Programm erhoben. Da dürfte es für die EU-Bürokraten nicht einfach werden, Kurs zu halten. Es steht nicht weniger als die Existenz der EU in ihrer jetzigen Form auf dem Spiel. Der alte Traum der deutschen Geostrategie von einem geeinten Europa unter deutscher Führung ist ohnehin längst passé.