Martin Koerbel-Landwehr ist Mitglied der ver.di-Streikleitung und Vorsitzender des Personalrats an der Uniklinik Düsseldorf.
UZ: Der Vorstand der Uniklinik Düsseldorf hat verkündet, dass euer Streik die Patienten gefährdet. Wie siehst du das?
Martin Körbel-Landwehr: Es ist die allgemeine Situation an der Klinik, die die Patienten gefährdet, nicht unser Streik. Jeden Tag unter Druck zu arbeiten, mit zu wenigen Menschen, das gefährdet die Gesundheit. Wir bekommen täglich Gefährdungsanzeigen aus den unterschiedlichen Arbeitsbereichen. Patienten in der zentralen Notaufnahme müssen bis zu zehn, zwölf Stunden warten, bis sie überhaupt behandelt werden. Patienten liegen dort tagelang auf Tragen, ohne dass sie entsprechend auf die Normalstation verlegt werden. Das ist eine Gefährdung der Patienten. Wir haben durch unsere einseitige Notdiensterklärung sichergestellt, dass die notwendigen Leistungen erbracht werden können.
UZ: Der Vorstand hat gesagt, er könne aus medizinischer Verantwortung dieser Notdiensterklärung nicht zustimmen.
Martin Körbel-Landwehr: Das hat uns überrascht, in den letzten Jahren haben wir schließlich regelmäßig Notdienstvereinbarungen mit dem Vorstand abgeschlossen. Natürlich hat ver.di mit der Notdiensterklärung die Lage an der Klinik berücksichtigt, aber wir haben natürlich auch das Streikrecht der Beschäftigten zu sichern. Man kann nicht sagen, dass die Beschäftigten nur streiken dürfen, wenn das Krankenhaus trotzdem läuft wie an jedem anderen Tag im Jahr.
UZ: Was tut der Vorstand?
Martin Körbel-Landwehr: Der Vorstand hat uns für den Streik eine Regelung für eine Mindestbesetzung vorgeschlagen, die aus unserer Sicht mehr Mitarbeiter vorsieht als an ganz normalen Tagen.
UZ: Diese Regelung würde also heißen, dass überhaupt kein Mitarbeiter streiken dürfte?
Martin Körbel-Landwehr: Genau, das ist das Ziel des Arbeitgebers.
UZ: Und der Vorstand hat Gehaltsaufschläge für Kollegen angeboten, die trotz des Streiks arbeiten.
Martin Körbel-Landwehr: Ja, sie haben sogar vorgeschlagen, dass Menschen, die aus dem Frei kommen, um die Streikenden zu ersetzen, 175 Prozent des Stundenlohns sofort ausgezahlt bekommen. Auf Überstundenzuschläge können die Kollegen sonst wochen- oder monatelang warten.
UZ: Wie haben die Kollegen darauf reagiert?
Martin Körbel-Landwehr: Die meisten, von denen ich weiß, haben das Angebot abgelehnt, weil sie den Streikenden nicht in den Rücken fallen wollen.
UZ: Seid ihr zufrieden mit der Streikbeteiligung heute?
Martin Körbel-Landwehr: Wir sind hochzufrieden. Gestern und heute haben jeweils etwa 450 Beschäftigte gestreikt – obwohl die Klinik voll ist, weil der Arbeitgeber nur in geringem Umfang planbare Behandlungen und Untersuchungen verlegt hat. Wir haben erreicht, was wir uns vorgenommen haben, gerade in den Bereichen OP und Anästhesie streiken viele. Das hat also auch ökonomische Folgen für den Arbeitgeber. Wir wissen, wir können Arbeitgeber nur zu Verhandlungen zwingen, wenn es ihnen ökonomisch wehtut. Im OP-Bereich konnten nur 30 Prozent des Normalprogramms gefahren werden.
UZ: Hat dieser Druck des Vorstands keine Spuren bei den Kollegen hinterlassen?
Martin Körbel-Landwehr: Das hat eher dazu geführt, dass einzelne Teams beraten, wie sie mit diesem Druck umgehen und ob es nicht nötig ist, zu beschreiben, wie ein künftiger Streik aussieht.
UZ: Der Landesgesundheitsminister Laumann sagt jetzt, er wolle sich für eine wissenschaftlich bemessene Personalfestsetzung einsetzen. Was ist verkehrt daran, den Personalbedarf wissenschaftlich festzustellen?
Martin Körbel-Landwehr: Wir wissen doch, wie wissenschaftliche Studien entstehen. Da gibt es unterschiedliche Sichtweisen und – je nachdem, wer der Auftraggeber ist – unterschiedliche Ergebnisse. Es gibt Berechnungssysteme, wie die Pflegepersonalregelung aus den 90er Jahren, die man direkt einsetzen könnte. Wir glauben, dass die Beschäftigten am besten wissen, was sie brauchen, um ihre Aufgaben zu erledigen.
UZ: Die Arbeitgeber sagen, dass sie zu einer tariflichen Regelung der Personalbemessung nicht bereit sind. Habt ihr überhaupt eine Chance?
Martin Körbel-Landwehr: Die Kollegen in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass wir eine Chance haben. Die haben in wenigen Streiktagen für die vier Unikliniken in Baden-Württemberg einen Tarifvertrag durchgesetzt. Unsere KollegInnen wollen das auch, heute ist auch die Uniklinik Essen in den Streik getreten. Wir glauben, es ist wichtig, dass Druck gemacht wird.
UZ: Heute werden viele Forderungen an die Gesundheitsminister vorgetragen. Wünsche sind das eine – aber mit welcher Reaktion der Minister rechnest du?
Martin Körbel-Landwehr: Wir haben keine besonders hohen Erwartungen. Die Politik weiß seit Jahren, wie die Situation in den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern ist. Es kann nicht nur darum gehen, dass wir heute den Gesundheitsministern unsere Meinung sagen, sondern das muss der Startpunkt sein für Auseinandersetzungen in den Betrieben. Nur die ständige Aktivität der Beschäftigten kann soviel Druck aufbauen, dass wir etwas verändern können.