Die Demokratie funktioniert in der Ukraine. Beweis: Der alte Präsident ist abgewählt, der künftige gewählt. Ohne Randale. Das genügt unseren Qualitätsmedien. In ihrem Sinn sind die Kontrahenten ja beide „Demokraten“, nämlich „westorientiert“, „EU-freundlich“, was nichts anderes heißt als russlandfeindlich. Das kann auch nicht anders sein, hatte die Regie doch Bewerber mit anderer Ausrichtung vom Wahlzirkus ferngehalten. Eben: Demokratie.
Petro Poroschenko hat seine Pflicht getan und kann gehen. Loyalität hat so ein Handlanger nicht zu erwarten. Seine Auftraggeber reden ihm jetzt übel nach: Er sei ein korrupter Oligarch. Das stimmt. Es stimmte schon im Mai 2014, als Poroschenko den Präsidentensessel erklomm. Nur hat es da noch keiner von denen gesagt.
Alle Hoffnungen richten sich jetzt auf den Neuen, Wolodymyr Selenskij. Der, Komiker von Beruf, ist politisch ein unbeschriebenes Blatt und somit Projektionsfläche für alle Wünsche und Hoffnungen der gebeutelten ukrainischen Bevölkerung. Popularität genießt der 41-Jährige wegen seiner Rolle in der Fernsehserie „Diener des Volkes“. Da spielte er einen Lehrer, der, man weiß nicht wie, plötzlich Präsident wird und seine Sache mit Witz und Redlichkeit gut macht. Vermutlich wurde diese Figur gewählt und nicht der Schauspieler – was heißt, die 73 Prozent Selenskij-Stimmen in der Stichwahl sind eher Quote als Wahlergebnis.
Nach der Wahl ist Schluss mit lustig. Selenskij hat versprochen, im Osten der Ukraine Frieden zu schaffen. Dazu müsste er sich an die Minsker Vereinbarungen halten, was man in den westlichen Hauptstädten nicht zulassen wird. Er hat versprochen, der Korruption einen Riegel vorzuschieben. Dem steht seine enge Verbindung mit dem Poroschenko-Rivalen Ihor Kolomoiskyj entgegen. Der ist unter anderem Besitzer des Fernsehsenders 1+1, dem Sender, dem Selenskij seine Popularität verdankt. Der Multimilliardär, dem Schmuggel, Folter und Mord vorgeworfen wird, ist vor der Verfolgung durch die Justiz im März 2018 nach Israel geflohen. Er wird von seinem Strohmann mindestens erwarten, dass er seine „PrivatBank“ zurückerhält. Von wegen „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“: Poroschenko hatte das Unternehmen seines Konkurrenten vor drei Jahren verstaatlichen lassen.
Zustände wie in einem Hollywoodfilm über die Mafia. Die eigentliche Show beginnt wohl erst jetzt. Denn wie Selenskij nach der Wahl so schön sagte: „Schaut auf uns! Alles ist möglich!“