Auf die SPD kann sich das Kapital verlassen

Die Kapitulation und ihre Folgen

Von Rolf Priemer

Die Erklärung des Euro-Gipfels, die vom griechischen Ministerpräsidenten und vom Parlament Zustimmung abpresste, wird nach Auffassung des ehemaligen Finanzministers, Yanis Varoufakis, als die „Kapitulationsurkunde Griechenlands“ in die Geschichte eingehen. Fast alle Entscheidungen der letzten fünf Monate sollen rückgängig gemacht werden. Die Regierung muss die Institutionen zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf konsultieren und sich mit ihnen abstimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird. Nachdem Athen den ersten erpresserischen Forderungen nachzukommen beschlossen hat, befasste sich der deutsche Bundestag mit einem dritten Hilfspaket.

Schon das erste Hilfspaket war bei den damals im Bundestag vertretenen Parteien umstritten. Es wurde als einmalige Hilfsmaßnahme deklariert. Doch gebracht hat es nichts. Dann wurde das zweite Hilfspaket nach Athen verschickt, was bei etlichen Abgeordneten auf Widerspruch stieß. Doch die in Athen damals Regierenden Konservativen bzw. Sozialdemokraten schoben es erneut den Banken zu. Es änderte sich im Land nichts. Oh doch – denn Syriza entstand und versprach, eine andere Politik gegen die Banken und gegen das Europa der Konzerne durchzusetzen.

Dieser hoffnungsvolle Versuch wurde nunmehr vorerst gestoppt. „Dafür danken wir aufrichtig der deutschen Kanzlerin und dem französischen Präsidenten“, sagte Sigmar Gabriel am Freitag im Bundestag. Befriedigt nahmen er und die Seinen zur Kenntnis, dass die Troika wieder über das Land herrscht. 2 000 Beamte will Finanzminister Schäuble bestens bezahlen, die in Griechenland für den Aufbau eines „handlungsfähigen Staats- und Finanzwesen“ tätig werden sollen. Denn Deutschland sei „ein mitfühlendes Land“, so Sigmar Gabriel in der Bundestagsdebatte am vergangenen Freitag, und er dankte Schäuble ausdrücklich für dessen „Hilfsbereitschaft“.

Dass Bundeskanzlerin Merkel und ihr Finanzminister bei der Niederwerfung der Syriza-Regierung eine maßgebliche Rolle spielten, ist in aller Welt wahrgenommen und kommentiert worden. Was kam und kommt von der SPD? Wenige Tage vor seiner Danksagung an Merkel, Hollande und Schäuble hatte der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende noch davon gesprochen, dass Tsipras „letzte Brücken eingerissen“ habe, „über die Europa und Griechenland sich auf einen Kompromiss zu bewegen konnten“. Nun, nachdem Athen unterworfen wurde, kämpfe Griechenland „um seine Selbstbehauptung“, so Gabriel. „Es kämpft darum, in Europa geachtet zu werden und es kämpft darum, endlich aus dem Status eines Almosenempfängers herauszukommen und sein Schicksal als vollwertiges Mitglied des Euroraums.“

Ein „Höhepunkt“ seiner Rede war seine Kritik an den „Superreichen“ (in Athen, versteht sich), deren „steuerpflichtige Vermögenswerte“ eingefroren werden müssen. Die hätten in den vergangenen Jahren Geld abgezogen und Wohnungen in Berlin, London, Amsterdam und Paris erworben. „Wir dürfen in Europa und Deutschland“, wetterte Gabriel weiter, „nicht der Rückzugsraum für asoziale Superreiche werden, die sich zu Hause der Verantwortung entziehen.“ So spricht ein verantwortungsloser Demagoge, der hierzulande jede Forderung und jeden Parteitagsbeschluss kassiert, die auf eine höhere Besteuerung der Gewinne und Vermögen sowie gegen ein Verschieben von Geldströmen ins Ausland hinauslaufen.

Ähnliche Ansichten äußerte natürlich auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann. Dessen Wahrnehmung war, dass sich Tsipras in den vergangenen Monaten überhaupt nicht an die Lösung der eigentlichen Probleme gemacht habe. „Im Gegenteil: Die Reichen im eigenen Land wurden verschont und die Rentner haben am Ende kein Geld mehr bekommen.“ Dabei weiß der Oppermann genau, wer die Bankschalter schließen ließ. Auch weitere Drohungen gegen diejenigen, die sich nicht unterwerfen wollen, sprach er offen aus. Die SPD stimme einem dritten Hilfspaket nur zu, wenn sich die Athener Regierung „scharfen Kontrollen der zugesagten Reformen“ unterwerfe. „Finanzielle Unterstützung darf nur Zug um Zug und nur jeweils nach erbrachten Reformleistungen freigegeben werden. Deren Umsetzung muss permanent überwacht werden.“

Es waren schließlich vier SPD-Abgeordnete, die gegen das erpresserische Hilfspaket im Bundestag stimmten. Einer von ihnen war Peer Steinbrück. Dem die Sache nicht drakonisch genug war: „Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg“, meinte er. Grexit!

Nun weiß man in der SPD sehr gut, dass es auch andere Stimmen gibt. Stimmen der Sympathie mit der Syriza-Regierung und mit Tsipras, Sympathie mit dem Lüftchen namens Aufbruch und Erneuerung im alten Europa. „Ein Teil der linken SPD-Wählerschaft hegt offene Sympathien für das zynische Dilettanten-Kabinett in Athen, das aus links- wie rechtsradikalen Kräften zusammengeschraubt ist. Das revolutionäre Auftreten des Premiers und seines … Sidekicks mit Motorradhelm und ohne Krawatte erfüllte rebellische Distinktionsphantasien von Alt-68ern wie Neo-Attacisten unter den SPD-Freunden“, fand Ulf Poschardt in einem Kommentar der Springer-Zeitung „Die Welt“ heraus. Sein Fazit ist eindeutig: „Die führenden Sozialdemokraten riskieren in diesen europäischen Krisen viel. Sie setzen Verantwortung vor Gesinnung. Sie erweisen sich einmal mehr als Säulen dieser Republik und eines liberalen Europas. Der aktuell einzige Weg, den Kanzler zu stellen, fällt damit ebenfalls weg: den in einer Koalition mit Grünen und der Linken. Sie opfern viel.“

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"Die Kapitulation und ihre Folgen", UZ vom 24. Juli 2015



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