Die Gewerkschaft ver.di und der Deutsche Beamtenbund hatten die Hand ausgestreckt, wollten einen Kompromiss für die 2,3 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von Ländern und Kommunen. Die Gewerkschaften – neben ver.di sitzen GEW, IG BAU und GdP in der Tarifkommission – hatten vor, den Beginn der Tarifrunde wegen Corona zu verschieben und eine Einmalzahlung rauszuschlagen. Sie erhofften vom Tarifgegner ein Zeichen gegenseitigen Respekts und der Verantwortung für die Beschäftigten, die doch immerhin bis gestern Helden des Alltags waren. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) dachte nicht dran und schlug aus. ver.di erkannte, „Applaus war gestern – Jetzt herrscht Respektlosigkeit“, und kündigte einen „munteren Sommer und munteren Herbst“ an, um trotzdem einen „fairen Deal“ zu erreichen.
Bei den Tarifverhandlungen geht es exakt um die systemrelevanten Corona-Heldinnen und -Helden, deren Arbeit in den vergangenen Monaten immer wieder beklatscht, aber weder ausreichend unterstützt noch ausreichend vergütet wurde. Es geht um Beschäftigte in Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, Pflegeheimen, in sozialen Einrichtungen zum Beispiel der Jugendhilfe, in Kitas und Schulen. Das taktische Kalkül der VKA ist klar: Urlaubszeit, mit den Lockerungen alleingelassene und überforderte Beschäftigte, die alle Hände voll zu tun haben, um zum Beispiel Hygienemaßnahmen umzusetzen, die Angst haben vor einer zweiten Welle oder lokalen Hotspots und erneutem Lockdown. Unter diesen Umständen schlagkräftige Aktionen auf die Beine zu stellen ist eine noch größere Herausforderung als unter „normalen“ Umständen.
Die Begleitmusik der Arbeitgeberverbände: Die Kassen sind ohnehin leer und durch Corona noch leerer. Das könne auch das Konjunkturpaket des Bundes nicht auffangen. Bei steigenden Personalkosten fehle das Geld für dringend notwendige Investitionen, um aus der Krise zu kommen.
Die Kolleginnen und Kollegen sind nun aufgerufen, sich bis Ende August an der Erarbeitung von Forderungen für den Tarifkonflikt einzubringen. Die Pandemiesituation hat vielen von ihnen vor Augen geführt, wie uninteressant ihre Arbeits- und Lebensbedingungen für das Kapital sind. Sie müssen funktionieren – dafür wird auch schon mal eine Plexiglasscheibe finanziert. Bei vielen ist in den letzten Monaten die Erkenntnis gewachsen, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn dieses „Wir haben die Schnauze voll“ in die Forderungsfindung und den Arbeitskampf einfließt und wenn sich die Menschen an ihre Helden des Alltags erinnern, könnte es mehr als nur „munter“ im Herbst werden. Selten waren die Kampfbedingungen so ungünstig, aber selten steckte genau in dieser ungünstigen Situation auch eine so große Chance.