Deutsche Staatsräson konkret: Polizei greift Luxemburg-Liebknecht-Demo an

„Die haben sich doch nur gewehrt“

Gegen Krieg und Krise – Für Frieden und Solidarität“ war das Motto der traditionellen Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am vergangenen Sonntag in Berlin. Mehr als 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen vom Frankfurter Tor zum Friedhof der Sozialisten nach Friedrichsfelde – und schafften es ausnahmsweise in die Hauptstadtpresse. Die wusste von Krawall, Gewalt und 21 verletzten Polizisten zu berichten.

Tatsächlich gab es Krawall, Gewalt und viele zum Teil schwer Verletzte – Demonstranten. Ein aggressiver Polizeimob hatte den Zug angegriffen, der von der Solidarität mit dem palästinensischen Volk geprägt war. Mit Schlagstöcken und Pfefferspray gingen die Beamten auf einzelne Demonstranten los, zogen sie aus dem Zug und traten und prügelten auf sie ein. Einem 65-jährigen Mann, der ohnmächtig und blutend auf dem Boden lag, wurde die Hilfe verweigert. Sanitäter wurden behindert und Parlamentarier konnten ihrer Arbeit nicht nachgehen, um die Situation zu deeskalieren. Mehrere Demonstranten mussten im Krankenhaus behandelt werden. So geht deutsche Staatsräson.

Unter den Betroffenen war auch Shabnam Shariatpanahi, Kandidatin der DKP im EU-Wahlkampf: „Plötzlich ging es ganz schnell. Die Polizei schlug wild um sich, griff nach unserem Palästina-Transparent und unseren Fahnen. Wie viele andere wurde auch ich zu Boden geworfen. Ich blieb zum Glück unverletzt. Andere aber wurden schwer verletzt“, berichtete die im Iran geborene Kommunistin am Montag gegenüber UZ. „Die Demonstranten solidarisierten sich, blieben stehen und schützten gemeinsam den Zug“, so Shariatpanahi. „Wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Wir werden weiter für Gerechtigkeit, gegen Krieg und Waffenlieferungen und gegen den Völkermord gegen das palästinensische Volk auf die Straße gehen. Wir werden solidarisch Widerstand leisten.“

Diese Stimmung prägte das Luxemburg-Liebknecht-Wochenende insgesamt und insbesondere die Demonstration am Sonntag. Die überwiegend jungen Teilnehmer ließen sich nicht provozieren und nicht spalten. Sie reagierten geschlossen, solidarisch und geduldig – und brachten so die Demonstration lautstark zum Ziel, zu den Gräbern ihrer Vorkämpfer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Der Berliner Senat stellte sich zu Wochenanfang wie gewohnt hinter den prügelnden Mob. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) giftete auf X. „Wenn sich Linksradikale mit Terroristen solidarisieren und zur Vernichtung Israels aufrufen, dann ist es eine Straftat und keine Meinung.“ Da wird man ja wohl beherzt zuschlagen dürfen …

In einer Sitzung des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus am Montag nannte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) die Gewalt gegen die Polizei „unerträglich“. Videos, die die tatsächlichen Vorgänge zeigten, beeindruckten sie nicht. In den „sozialen Medien“ würden nur bestimmte Videosequenzen gezeigt, „nämlich in dem Augenblick, wo die Polizei sich wehren muss, weil sie massivsten Angriffen ausgesetzt ist“. Eines dieser Videos hatte der Berliner Abgeordnete der Partei „Die Linke“ Ferat Koçak auf X veröffentlicht. Den Tränen nahe, erklärte Spranger dazu: „Herr Koçak, was Sie gemacht haben, war nicht in Ordnung. Die Beamten haben sich verdammt noch mal gewehrt, weil sie angegriffen worden sind.“ Und tief in die Moralkiste gegriffen: „Sie haben eine Verantwortung als Abgeordneter. Die jungen Menschen dort draußen, die schauen auf Sie. Die sagen sich, wenn der das gemacht hat, dann dürfen wir das auch. Das ist eine Verrohung der Gesellschaft, das dürfen wir nicht dulden.“ Verzweiflung macht sich breit im Berliner Senat.

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"„Die haben sich doch nur gewehrt“", UZ vom 19. Januar 2024



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