Zu Rettern des Planeten, für die Krieg kein Thema ist

„Die Guten“ liegen schief

Bekanntlich ist diese Bundesregierung die letzte, die den Klimawandel noch aktiv aufhalten kann. So jedenfalls „Die Grünen“ im Wahlkampf vor einem Jahr und so „Die Grünen“ – dann im Chor mit ein paar anderen Parteien – im nächsten Wahlkampf. Die Zeit dazwischen gehört allenfalls den Umfragen; vorwiegend aber dem, was Realpolitik genannt wird und der Mehrung der Pfründe hiesiger Industrie dient.

Viele Jahrzehnte, von Adenauer bis Merkel, wurde in der BRD vor allem die Autoindustrie gefördert. Nebenbei bescherten nach 1990 die Privatisierungen der DDR im Osten und von ehedem staatlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge oder der Infrastruktur im Westen Unternehmen, Banken und Versicherungen enorme Einnahmen – und hinterließen tiefe Narben und gesellschaftliche Desillusionierung bei denen, die in den Zwischenzeiten nicht interessieren.

Denn Zwischenzeiten sind keine Zeitenwenden; dass Interessen der arbeitenden Menschen von den Herrschenden berücksichtigt werden, ist von den einen weder zu hoffen noch von den anderen zu befürchten. Die aktuelle Zeitenwende ist vielmehr eine, die mit dem Militärvorrang sogar die Automobillobby ins Hintertreffen geraten lässt. Und auch das Klima muss mit seinen kleinen und großen Zipperlein auf die nächsten Wahlen warten.

Das passt nicht allen. Vor allem nicht denen, die sich nicht in Realpolitik und Demokratiestatistendasein fügen wollen. Wer für sich reklamiert, die „letzte Generation“ zu sein, gehört zu den Guten, hat viel vor und darf natürlich auch alles.
„Letzte Generation“: Weil diese – nämlich ihre – Generation diejenige sei, die noch aktiv den Klimakollaps abwenden könne. Ähnlichkeiten mit Slogans der Grünen sind nicht zufällig, aber auch nicht beabsichtigt im Sinne einer politischen Gefolgschaft, denn die Wut auf diese Partei dürfte angesichts des klima- und umweltpolitischen Versagens der Bundesregierung immens sein. Nachdem auf ihre Ultimaten erwartungsgemäß nicht reagiert wurde, werden nun von der „letzten Generation“ europaweit Straßen blockiert, alte Gemälde verunstaltet, Parteizentralen bemalt. So gewiss wie solcher Protest früher verschwiegen wurde, sofern er auch eine gesellschaftspolitische Komponente hatte, und so sicher wie er heute angesichts seiner politischen Selbstlimitierung die Medien anlockt – so postwendend kommt von rechts der Ruf nach schärferen Gesetzen. Den Letztgenerationären wird eben nicht gestattet, unerwünschte Begleitumstände ihrer Aktionen als Kollateralschäden abzutun, wie es die NATO regelmäßig macht. Da kann manche Kritik nicht unter „Klima-RAF“ bleiben.

Gegen solche Angriffe gilt es, den Aktiven beizustehen, auch wenn kommunistische Ersthelfer – und damit marxistische Erkenntnis über die Grenzen des Wachstums – längst von der planetaren Unfallstelle vertrieben wurden und es nicht so leicht fällt, sich mit den selbstmandatierten Planetenletzthelfern gemein zu machen.

Denn dass deren Sorge um die Zukunft und die gerechte Wut sich nicht etwa gleichermaßen auf die massivste Aufrüstung seit Bestehen der Bundeswehr und auch nicht auf die in Sachen Feindberichterstattung dreisteste Fake-News-Kampagne seit Goebbels bezieht, hinterlässt Ratlosigkeit. Viele der jungen Leute machen sich durchaus mehr Gedanken um Essensverschwendung, Kohlekraftwerke und SUV-Bereifung als um die Mutter allen gesellschaftlichen Daseins – den Frieden. Sie tragen mit Annahme und Weiterverbreitung von NATO/Baerbock-Lügen dazu bei, den Kräften für die kriegerische Auseinandersetzung mit China den Weg zu bereiten.

In den entscheidenden Fragen signalisieren sie Verlass. Die Guten sind eben nicht automatisch die Klügeren.

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"„Die Guten“ liegen schief", UZ vom 18. November 2022



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