Hin und wieder hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen ehrlichen Moment. Ein solcher durchzuckte ihn am vergangenen Sonntag im usbekischen Samarkand. Dort stellte er das vor, was in Regierungskreisen als „Abkommen über eine Mobilitätspartnerschaft“ bezeichnet wird. Scholz erklärte, „dass wir zwei Dinge miteinander zusammenführen, die zusammengehören, nämlich einerseits die Möglichkeit, Talente, Arbeitskräfte, Fachleute, Ingenieurinnen und Ingenieure nach Deutschland zu holen, wo wir sie brauchen, und gleichzeitig die Prozesse der Rückführung zu erleichtern, wo das in unserem Interesse ist.“
Usbekische Fachkräfte sollen nach Deutschland einwandern, nicht verwertbare Flüchtlinge und Ungelernte hingegen abgeschoben werden. Diese Vorgehensweise entspricht laut Scholz dem „Muster der Abkommen, die die Bundesregierung jetzt Stück für Stück mit vielen Ländern in der Welt vereinbaren“ wolle. Der Migrationspakt sei „ein kleiner Baustein in einer ganz großen Mauer, die da errichtet wird – für ein gutes Werk“. Nicht näher ging er auf die von zahlreichen Beobachtern geäußerte Vermutung ein, dass künftig Afghanen aus Deutschland nach Usbekistan abgeschoben werden könnten, um von dort „unbürokratisch“ ins von den Taliban regierte Nachbarland weitergereicht zu werden. Medien berichteten zudem von einem Paragrafen, der die „Durchbeförderung“ von Straftätern durch Usbekistan vorsehe.
In der Woche zuvor hatte Scholz Kenia besucht, um dort ein ähnliches Abkommen zu unterzeichnen: Fachkräfte raus, Flüchtlinge rein. Anschließend bezeichnete der Kanzler den vereinbarten Braindrain als „Win-win-Situation“. Sicherlich eine Untertreibung, denn in Wahrheit ist es mindestens eine „Win-win-win-Situation“ – und alle Gewinne gehen ans deutsche Monopolkapital. Schließlich profitiert dieses seit Jahrzehnten von der Ausbeutung des Globalen Südens, was in den betroffenen Ländern zu Verhältnissen führt, die eine Auswanderung attraktiv erscheinen lassen. Dank des gezielten Imports von Fachkräften sparen sich die Herrschenden hierzulande dann nicht nur die Ausbildungskosten – die von den Herkunftsländern berappt werden –, sondern erhalten dank steigender Konkurrenz auch noch Arbeitskräfte zu Niedrigstlöhnen. Große Auseinandersetzungen sind außerdem nicht zu erwarten: Wer um seinen Aufenthaltsstatus fürchtet, wird sich eher still verhalten und weniger zu gewerkschaftlichem Engagement, Arbeitskampf oder Betriebsratsgründungen neigen.
Doch damit diese Abschreckung auch glaubhaft ist, bedarf es eines knallharten Vorgehens gegen alle, deren Arbeitskraft derzeit nicht gebraucht wird. Die „Migrationsabkommen“ und die Verschärfungen der Asylpolitik, samt längeren Haftaufenthalten und Nacht-und-Nebel-Abschiebungen, sind zwei Seiten derselben Medaille.
Am Montag nahm die Bundespolizei die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angeordneten Grenzkontrollen auf. Dabei soll die Zahl der sogenannten „Zurückweisungen“ ausgeweitet werden. Dieses Vorhaben stieß bei den Nachbarländern – insbesondere in Österreich – auf klare Ablehnung. Wie „german-foreign-policy.com“ berichtete, schrieb Christopher Wratil, Assoziierter Professor für Government am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien, auf „X“, Berlin dürfe nun „nicht mehr damit kommen, irgendwer anders halte sich nicht an EU-Recht“. Die österreichische Regierung hatte zuvor bereits erklärt, keine Übernahmen an der Grenze durchführen zu wollen. Theoretisch haben Geflüchtete das Recht, an der Grenze Asyl zu beantragen. Wie das nach der Ausweitung der Kontrollen in der Praxis gehandhabt werden wird, ist unklar. Doch schon in der Vergangenheit gab es Berichte darüber, dass dieses Recht unterlaufen wurde – etwa durch Empfehlungen von Grenzbeamten, auf einen Asylantrag zu verzichten.