Politische Kunst. Peter Bruegel der Ältere in Anabella Weismanns neuer Sicht

Die Großen fressen die Kleinen

Von Hanns-Werner Heister

Peter Bruegel der Ältere (1525/1530 – 1569) ist einer der Großen in der Bildenden Kunst. Und er ist ein Künstler, der vom Standpunkt des Friedens und im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung Stellung nimmt in dem „Krieg der Klassen“, wie Bertolt Brecht (der Bruegel schätzte) das nannte. Seine auf Toleranz bedachte Humanität hebt ihn wohltuend ab von dem im vergangenen Jahr mehr als genug gefeierten Luther, dem Fanatiker und Lobredner der herrschenden Gewalt. Seine Kritik der herrschenden Gewalt sprach Bruegel in seiner Kunst aus. Das geschieht allerdings meist verschlüsselt wegen der Bedrohung durch Zensur, Inquisition, Gewalt. Aber es ist vernehmlich und hat eine Wirklichkeitsfülle, die Bruegel bis heute schön bedeutsam macht.

Pieter oder Peter Bruegel der Ältere war der Stammvater einer Großfamilie, die vor allem in der Handelsmetropole Antwerpen über mehrere Generationen künstlerisch produktiv war. Die Schreibweise der Namen war damals noch konfuser als vieles an der neuen deutschen Rechtschreibung. Die von Anabella Weismann vorgeschlagene als Bruegel ist von den Quellen her am angemessensten. Peter Bruegel der Ältere war der bedeutendste Maler dieser Familie. Sein Sohn Pieter Brueghel der Jüngere (1564 – 1638), mit gh, fertigte hauptsächlich Kopien der Werke seines Vaters. Jan Brueghel der Ältere (1568 – 1625) wurde „Samtbrueghel“ oder „Blumenbrueghel“ genannt und gewann als Blumenstillleben- wie Landschaftsmaler größere Eigenständigkeit so, wie dann wieder sein Sohn Jan Brueghel der Jüngere (1601 – 1678).

Peter Bruegel den Älteren als „Bauernbruegel“ (ab)zuqualifizieren ist inzwischen wissenschaftlich überholt, aber es ist seit einiger Zeit (wieder) in Mode gekommen, ihn auf einen Schilderer bäuerlichen Alltagslebens zu reduzieren und damit zu entpolitisieren. Die volle Bedeutung dieses Malers ist immer noch kaum eingeholt, trotz vieler Arbeiten über ihn. Anlässlich des 450. Todestags im September 2019 wird es große Bruegel-Ausstellungen geben, in Wien, Brüssel und Antwerpen. Der Kultur- und Kunstsoziologin Anabella Weismann gelingt es, hier schon vorher ein gutes Stück voranzuschreiten.

Mitte 2015 ist von ihr zu Pieter Bruegel eine Rowohlt-Monographie herausgekommen. Das kleine Buch ist die gehaltvolle Summe ihrer Jahrzehnte langen Beschäftigung mit dem Werk Bruegels. Es war der letzte Band dieser in der Qualität der einzelnen Bücher gemischten, aber doch für die allgemeine Bildung verdienstvollen Reihe. Das Bürgertum wirft den bildungsbürgerlichen Ballast vollends ab, um noch freier von humanitären Restbeständen und damit fitter für neokoloniale Kriege draußen und neoliberale Kriege drinnen zwecks faktischer Armen- und potentieller Aufstandsbekämpfung zu sein – beides auch Themen von Bruegel.

Der sehr dichte und zugleich verständliche Text von Weismann betont ausdrücklich den Aspekt „politische Kunst“ und arbeitet in ungewöhnlich sorgfältigen Analysen die Beziehungen zu den politischen, sozialen, religiösen Auseinandersetzungen in Bruegels Zeit heraus. Das Religiöse ist in dieser Zeit politisch – und umgekehrt. In der Bedeutungsstruktur der Bilder zeigt sich „parallel zur Eskalation der politischen Entwicklung … zwischen 1555 und 1568 – und in Abhängigkeit vom Auftraggeber und Medium – auch eine Verschärfung der gesellschaftskritischen Tendenz“. Wir verstehen Bruegels Bilder daher nur, wenn wir seine zeitgenössischen Kontexte mit einbeziehen. Sie lassen sich mit den Stichworten Habsburgisch-Französische Kriege (1559 Friedensvertrag von Cateau-Cambrésis mit Frankreich), Wirtschafts- und Hungerkrisen wie die Teuerung und Hungersnot 1556/57 oder der erste spanische Staatsbankrott 1557, Revolten von 1552 bis 1554, Inquisition, Protestantenverfolgung, August 1566 Bildersturm der Kalvinisten und Statthalterschaft des Herzogs von Alba in den Spanischen Niederlanden ab 1567 umreißen.

Peter Bruegel d. Ä., Großer Fisch frisst kleinen Fisch

Peter Bruegel d. Ä., Großer Fisch frisst kleinen Fisch

Bruegels Produktion fällt in die Jahre 1550 bis 1568. Sie reicht damit in die Zeit des Aufstands der siebzehn Niederländischen Provinzen gegen die absolutistische spanische Herrschaft hin­ein, der schließlich 1572 im Norden zur staatlichen Unabhängigkeit und zur ersten bürgerlichen Republik nördlich der Alpen in Europa führte, den heutigen Niederlanden.

Die politische Dimension von Bruegels Werk wird augenfällig etwa darin, dass bei Bruegel die Kreuztragung (1564) auf einem zeitgenössischen Galgenberg stattfindet und ihm unter anderem Anlass zur Kritik an der „Ketzer“-Verfolgung (Die beiden Räuber) gibt. Und er verlegt ebenso historisch-legendäre Greueltaten wie den „Bethlehemitischen Kindermord“ (1565/1567 nach Matthäus 2, Vers 16) in die Gegenwart. Spanisch-habsburgische Lanzenreiter überfallen ein verschneites flämisches Dorf. Der Herzog Alba, „der im August 1567 mit einem fast 10 000 Mann starken Heer in die Niederlande kam und sogleich ein Sondergericht zur Bestrafung der Ketzer und Rebellen installierte“, ist bildlich dingfest gemacht als der „bärtige schwarz gekleidete Reiter im Zentrum“. Bruegel kritisierte damit die Todesurteile des „Rats der Unruhen“ als Ermordung Unschuldiger. Bereits im Stofflichen verallgemeinert Bruegel. Denn im Gegensatz zu dem sich auf Knaben beziehenden Tötungsbefehl des biblischen Herodes werden bei Bruegel auch Mädchen ermordet. Von dem Bild gibt es nicht weniger als 14 Kopien von Pieter Brueghel d. J. Das mehrfach übermalte mutmaßliche Original zeigt in der Endfassung nurmehr einen einzigen ermordeten Säugling, in der Bildmitte auf dem Schoß der Mutter. Ansonsten sind die Kinder durch verschiedene Nutztiere ersetzt – es handelt sich also um eine Plünderungsszene, die ebenso aktuell wie die extralegalen Hinrichtungen war (und ist). Das „Überzeitliche“ als mythisch-religiöse Grundschicht des Stoffs bildet jedenfalls eine Folie für kritisches Begreifen der Gegenwart.

In der Regel sind allerdings die politischen Bezüge verdeckter. „Bruegels Bilder stecken voller Rätsel, Ungereimtheiten, Widersprüche und Merkwürdigkeiten: „So finden wir einen tanzenden Galgen, einen dreibeinigen Mann, eine Frau in Rüstung, einen Noten lesenden Esel, verzeichnete Anatomie und falsche Perspektivkonstruktion.“ Methodisch raffiniert nimmt Weismann scheinbare technische Fehler, Lücken, tatsächliche Unstimmigkeiten in der Darstellung wie auch im Hinblick auf das Dargestellte als Hinweise, dass Bruegels Bilder mehr sagen als das schlicht und unmittelbar Sichtbare zeigt oder zu zeigen scheint. „Verzeichnungen, unlogische Darstellungen sind Bruegelsche Hinweisschilder, die uns sagen, dass sich unter der vom Betrachter als stimmig erwarteten Oberfläche eine zweite, vielleicht auch dritte und vierte Bedeutungsebene verbirgt.“ Verstehen erfordert so, wie eigentlich bei allen Kunstwerken, mehr als bloßes Sehen, nämlich auch Wissen. „In all seinen Werken gibt er uns etwas zu verstehen, das jenseits von dem liegt, was er malt.“ (So posthum sein Freund, der Geograph und Kartograph Abraham Ortelius, der übrigens als erster eine Vorstellung von der Kontinentaldrift entwickelte.)

Die Bilder sind vielschichtig, aber, mit Erklärungen, verständlich. Und ihr kunstvolles, vielgestaltiges Aussehen macht schon durch die unzähligen „wirklichkeitsgetreuen“ naturalistischen Details an der Oberfläche Lust, weiter nachzusehen, was unterhalb dieser Oberfläche noch so alles ist. Dabei hat Bruegel eine eigentümliche Stellung zwischen Stilen und Epochen. Gerade um auf der Höhe seiner Zeit und gegen die in ihr herrschende Unterdrückung zu arbeiten, integriert er in seine in mancher, zum Beispiel kompositorischer Hinsicht bereits zum Manierismus tendierende Bildsprache ältere Verfahrens- und Denkweisen. Dazu gehören neben Ironie und der Visualisierung von doppeldeutigen Wortspielen vor allem die Codierung nach dem Vorbild des „vierfachen Schriftsinns“ der hochfeudalen Scholastik. In dieser Bibelinterpretation gibt es die historisch-„wörtliche“ (heute noch im „Kreationismus“ die einzige), die „allegorische“, also bild- und gleichnishafte, die „tropologische“, das heißt moralische, und schließlich die „anagogische“, das heißt eschatologisch orientierte.

Bruegel verstand sich nicht mehr als Handwerker, sondern als Renaissancekünstler. In der Tugenddarstellung der „Temperantia“ (Mäßigung) zeichnet sich der Maler mit anderen Vertretern der Artes liberales, der Freien Künste, allerdings nicht ohne (Selbst-)Ironie: er sitzt vor einer riesigen Staffelei, auf der jedoch nur ein kleines Damenporträt steht. Bruegel gestaltete damit die Kluft zwischen seiner großen Könnerschaft und vorwiegend kleinen faktischen Aufträgen. Er schätzte diese Form der „Mäßigung“ sicher nicht.

Weismann fasst ihre Ergebnisse so zusammen: Bruegels Oeuvre ist „im Wesentlichen die privat-elitäre religiöse Kunst einer häretischen – spiritualistischen oder täuferischen – Sekte unter dem Einfluss von Sebastian Franck und im Umkreis von Henrik Niclaes oder David Joris, eine Kunst, die von den politischen Ereignissen ebenso geprägt ist wie von einer unmittelbaren Endzeiterwartung. … Mit Hilfe einer visuellen ‚Geheimsprache‘, die Bruegel von Vorläufern wie Hieronymus Bosch und Pieter Aersten übernahm und verfeinerte, konnten Maler und Auftraggeber häretische Inhalte artikulieren, ohne dass sie von der Zensur, der Inquisition oder den calvinistischen Bilderstürmern (an-)greifbar waren.“ Die reformatorischen Kirchen waren gerade in der kalvinistischen Ausprägung offen kunstfeindlich und in dieser wie der lutherischen revolutionsfeindlich. Dennoch: „Die auf uns gekommenen Gemälde geben keinerlei Hinweis auf kirchliche Aufträge, woraus man auf eine gewisse Distanz zur Römischen Kirche und auf Sympathien für die Protestanten schließen kann.“

Sie offen zu äußern war in den Spanischen Niederlanden lebensgefährlich. Die Ketzeredikte seit den 1520er Jahren wurden 1550 nochmals verschärft. So deutet der Maler-Biograph Karel Van Manders in seinem umfangreichen Werk 1604 an, dass der todkranke Bruegel einige Zeichnungen von seiner Frau verbrennen ließ, „weil er es bereute oder weil er fürchtete, sie müsse deswegen Leid erdulden oder sich verantworten“. Weismann ergänzt: „Der Täufer und … Glaubensflüchtling van Mander hat hierüber wohl mehr gewusst, als ihm 1604 im wenig toleranten calvinistischen Holland ratsam zu schreiben schien.“

Dennoch, nicht offen äußerte sich Bruegel eindeutig und bezog in vielen Bildern „eine dezidierte Position gegen die Ketzerverfolgung und für religiöse Toleranz“. Bruegel schließt sich darin auch Strömungen an wie den „Irenikern“ seiner Zeit, Friedensfreunde im Anschluss vor allem an Erasmus von Rotterdam. Sie waren weder fanatisch für die Reformation noch gegen sie, sondern für eine Reformierung der römischen Kirche. Der radikale Umsturz des Bestehenden hat in diesem Bruegel, das muss zugestanden werden, keinen Fürsprecher – aber Luther war das schon garnicht, und Thomas Müntzer ist mit Andreas Rudolff Bodenstein von Karlstadt und wenigen anderen unter den Theologen der Zeit ebenso eine Ausnahme wie Tilman Riemenschneider oder Jörg Rathgeb in der Bildenden Kunst. Bruegels Affinität zu häretischen Strömungen geht aber doch wieder in die Richtung einer Umkehrung der „Verkehrten Welt“.

Bruegel sei, so der Bruegel-Forscher Gustav Glück, „modern und altmodisch zugleich“. Darin liegt, so folgert Anabella Weismann, „vielleicht das Geheimnis seiner Aktualität und seiner Überzeitlichkeit“. Diese epochenüberschreitende, überzeitliche Bedeutung von Bruegels Werk leidet freilich unter den Zeitbedingungen seiner Entstehung. Wie bei vieler politisch-kritischen Kunst unter repressiven Bedingungen macht sich bei ihm die Dialektik des verdeckten Sprechens geltend, die auch Bertolt Brecht in der Zeit des Nazismus als „Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit“ diskutierte. Die politische Botschaft muss versteckt werden wie in einer Flaschenpost. Doch die muss entkorkt und die Botschaft muss dechiffriert werden. Besonders bei politischer Kunst, die nun fast ein halbes Jahrtausend zurückliegt, ist das Verständnis des „äsopischen Sprechens“, also Schreiben bzw. Zeichnen und Malen in Gleichnissen, Fabeln, Metaphern bis hin zu einer Art Geheimcode, schwer; je größer der zeitliche und damit auch kulturelle Abstand ist, desto eher verschwindet der Schlüssel, wird verloren oder vergessen. Aber auch schon in der Zeit Bruegels und seiner unmittelbaren Nachwelt verhinderten komplizierte „Codierung und brisante Thematik“ „eine breitere Rezeption der Bilder“ – genauer gesagt: eine Rezeption, die die politischen Anspielungen und Gehalte verstand, zumal die Repression fortdauerte. Allerdings war die Rezeption der Grafiken, genauer gesagt der Stiche, durch die technische Reproduktion von vorneherein wesentlich breiter als die der Gemälde. Nach 1 500 bis 2 000 Abzügen konnte die Platte durch Aufstechen regeneriert und so erneut zum Drucken verwendet werden; zudem wurden manche Stiche auch kopiert. So ergeben sich Auflagen von bis zu beachtlichen 6 000 Exemplaren. Das Verrätselte und Zurückgezogene ist aber doch durchsichtig auf die historische Realität. Und die Bilder enthalten so viel allgemein Relevantes, dass eine nicht nur breite, sondern auch verständige Rezeption möglich wird: Für Letztere sorgt eben die wissenschaftliche Analyse und Entschlüsselung, nicht zuletzt die von Anabella Weismann. (Auch die „Marktwirtschaft“, so offenkundig manche ihrer Mechanismen sind, ist nicht bedingungslos und voraussetzungslos verständlich, sondern bedarf wissenschaftlicher Entschlüsselung, vor allem im Hinblick auf ihre Überwindung.)

Das Buch hat nur einen einzigen – reihenspezifischen – Mangel, der nicht zu Lasten der Autorin geht: Die Abbildungen sind viel zu klein, besonders dann, wenn es, wie bei Weismann, auf Details und Genauigkeit ankommt. Aber Bruegel ist ja im Internet relativ gut zugänglich. Im Anschluss an den Artikel nennen wir daher Links zum Nachschauen der Gemälde, Zeichnungen, Radierungen und Kupferstiche.

Gesellschaftskritik findet sich bereits in Bruegels grafischem Frühwerk. Auch hier zeigt Weismanns Vorgehen neue, oft noch nie gesehene Aspekte der Bilder. Zu den bekanntesten Kupferstichen nach Bruegel gehört „Die großen Fische fressen die kleinen“ von 1556. Stoff und Motiv waren schon im Hochfeudalismus des „Mittelalters“ sprichwörtlich „als Allegorie auf die Ausbeutung der Armen durch die Reichen populär“, und wurden auch nach Breugel immer wieder von sozialkritischen KünstlerInnen aufgegriffen und variiert.

Bruegels Zeichnung, signiert und 1556 datiert, wurde von Pieter van der Heyden gestochen, von dem Verleger Cock 1557 herausgegeben und nennt den längst, 1516, verstorbenen Hieronymus Bosch als „inventor“, als Urheber.

Ins Abstrakt-Allgemeine abgleitende Deutungen halten die Grafik für eine Allegorie, für den „Lauf der Welt als ewigen Stoffwechsel“ – so als Naturphänomen lässt sich Ausbeutung auch sehen – oder für die menschliche Habgier. Annabella Weismann sagt es genauer und konkreter. Der Stich hat mehrfache Bedeutungen. Er ist im Kern eine „Anspielung auf die Ketzerverfolgungen der kaiserlichen Inquisition (der Fisch ist das Christensymbol) und die Konfiszierung des Besitzes der Opfer durch die weltliche Obrigkeit.“ Er ist zweitens „eine Kritik an den abergläubischen, sensationslüsternen Menschen, die das wahre Ungeheuerliche hinter ihrem Rücken, den inquisitorischen Justizmord an ihren Mitmenschen … gleichgültig hinnehmen“ und sich stattdessen um den auf einer Insel im Hintergrund gestrandeten Wal versammeln. Wale strandeten vielfach an der niederländischen Küste und galten als „Meerungeheuer“ und als „eines der 15 kosmischen Zeichen für das Weltende“. Eine dritte Bedeutungsebene schließlich „ergibt sich aus der Hafenstadt mit dem Lastkran am Horizont, in der man unschwer Antwerpen erkennt. Dort war 1556 Gilbert van Schoonbeke, Stadtplaner, Grundstückspekulant und monopolistischer Brauereiunternehmer, einer der erfolgreichsten niederländischen Kapitalisten des 16. Jahrhunderts, gestorben. Er hatte viele kleine Unternehmen ‚geschluckt‘, und sein reicher Nachlass wurde wiederum vom Antwerpener Magistrat geplündert.“ Anachronistisch interpretiert würde Bruegel hiermit also auch gegen den „Stamokap“ und für eine „antimonopolistische Demokratie“ plädieren.

Bruegels Aktualität aufgrund seiner „Radikalität und Modernität“ zeigt sich zum einen im Inhaltlichen, in der Solidarität mit den Opfern von sozialer und politischer Herrschaft. Zum andern zeigen sie sich in komplexen Werken wie der erwähnten „Kreuztragung“ „auch im Umgang mit der traditionellen Form- und Bildsprache. Bruegel bricht mit diesen, indem er unter Verwendung mittelalterlicher Bildrhetorik die zeitgenössische Bildsprache sprengt. Er gelangt so zur Methode der Bildmontage, die im 20. Jahrhundert von Dadaisten und Surrealisten wiederentdeckt worden ist. Die Charakterisierung der Heartfieldschen Montagetechnik als eine ‚Verschränkung von Bildidee und Text, die im Widerspruch zueinander sich gegenseitig verraten, kommentieren und erhellen und aus der Konfrontation die verborgene Bedeutung des Dargestellten heraustreiben‘ [Annegret Jürgens-Kirchhoff], liest sich wie eine Beschreibung der Bruegel’schen Kompositionsmethode.“

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"Die Großen fressen die Kleinen", UZ vom 14. September 2018



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