Vor 70 Jahren fand der Sturm auf die Moncada-Kaserne statt

„Die Geschichte wird mich freisprechen“

Der 70. Jahrestag des Angriffs auf die Kasernen Moncada und Carlos Manuel de Céspedes am 26. Juli 1953 wird mit einem zentralen Festakt an den Orten des Geschehens in der Provinz Santiago de Cuba gefeiert. Auch in anderen Orten des Landes sind zahlreiche Veranstaltungen geplant, denn dieser Jahrestag sei „ein Meilenstein für die historische Kontinuität der kubanischen Revolution“, so das Politbüro der Kommunistischen Partei Kubas in dem Beschluss dazu. Obwohl der Versuch, die Bevölkerung von dem brutalen Regime des US-freundlichen Diktators Fulgencio Batista zu befreien, militärisch zunächst scheiterte, gilt der Sturm auf die Moncada-Kaserne als Startsignal für die kubanische Revolution, die fünf Jahre, fünf Monate und fünf Tage später erfolgreich war. Seit dem Sieg der von Fidel Castro geführten Guerilla am 1. Januar 1959 wird der 26. Juli in Kuba als „Tag der Nationalen Rebellion“ gefeiert.

Heute, 70 Jahre nach dem historischen Ereignis, sind dessen Ursachen und die Gründe der Rebellen für den Aufstand in großen Teilen der Welt noch immer aktuell. In Lateinamerika, der Region mit der weltweit größten sozialen Ungleichheit, herrschen vielerorts Zustände wie in Kuba vor der Revolution – und die Ungleichheit nimmt weiter zu. Laut einem im Januar veröffentlichten Bericht der Nichtregierungsorganisation Oxfam mit dem Titel „Survival of the Richest“ erhöhte sich der Reichtum lateinamerikanischer Multimillionäre mit einem Nettovermögen von einer Milliarde US-Dollar oder mehr zwischen 2020 und 2022 um 21 Prozent, während gleichzeitig zwölf Millionen Menschen in der Region in die extreme Armut abrutschten.

Mit Staatsstreichen, konterrevolutionären Umsturzversuchen und einer seit über 60 Jahren gegen das sozialistische Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade versuchen die Profiteure der Ungleichheit – meist unterstützt von den USA –, die Herrschaft der Eliten aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen. Daran erinnert in diesen Tagen nicht nur der 50. Jahrestag des von der CIA angeleiteten Militärputsches in Chile gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende am 11. September 1973. Jüngste Beispiele sind unter anderem auch die gescheiterten Putschversuche gegen die Präsidenten Hugo Chávez in Venezuela (2002), Rafael Correa in Ecuador (2010) und Daniel Ortega in Nicaragua (2018) sowie die Staatsstreiche in Honduras (2009), Bolivien (2019) und Peru (2022) oder die parlamentarischen Putsche in Paraguay (2012) und Brasilien (2016).

Für uns ist immer der 26.

Kuba, wo mit dem Sturm auf die Moncada-Kaserne am 26. Juli 1953 die entscheidende Phase der Revolution eingeleitet wurde, konnte seine sozialen Errungenschaften trotz Blockade, CIA-Invasion in der Schweinebucht, terroristischen Anschlägen und unzähligen Versuchen, eine „Farbenrevolution“ anzuzetteln, bis heute verteidigen. Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass die Motive für den Moncada-Sturm in der Gesellschaft noch immer präsent sind, wie es der Volkssänger Carlos Puebla in seinem Lied „¡Para Nosotros Siempre Es 26!“ formulierte.

„Keiner von uns, die wir das Privileg hatten, unter Fidels Kommando an diesen Aktionen teilzunehmen, hätte sich damals träumen lassen, dass wir einen Tag wie heute erleben würden, in einem freien, unabhängigen und souveränen Land, mit einer sozialistischen Revolution an der Macht und einem Volk, das bereit ist, zu verteidigen, was mit den Opfern mehrerer Generationen von Kubanern erreicht wurde“, sagte der damalige KP-Vorsitzende Raúl Castro am 26. Juli vor fünf Jahren in Santiago de Cuba. Auch ein Hinweis darauf, dass den 160 jungen Guerilleros durchaus bewusst gewesen war, dass sie gegen Batistas bis an die Zähne bewaffnete Soldaten kaum eine Chance hatten. Dennoch hatten sie – wie in Bertolt Brechts 1934 verfasster „Resolution der Kommunarden“ – beschlossen, „schlechtes Leben mehr zu fürchten als den Tod“. Tatsächlich fielen mehrere der Rebellen schon bei dem Aufstandsversuch, andere wurden später von Batistas Schergen ermordet, viele gefangen genommen, gefoltert und eingesperrt. Doch unbegreiflich und verwerflich sei nicht der Sturm auf die beiden Kasernen gewesen, sondern die soziale Misere in Kuba, erklärte der Anwalt Castro am 16. Oktober 1953 in seiner berühmten Verteidigungsrede, bevor er als Hauptverantwortlicher zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. In dieser Rede ging Castro auch ausführlich auf die Vorgeschichte des Aufstands ein.

Hinter Batista standen die USA

Er wies darauf hin, dass der Ex-Sergeant Batista am 10. März 1952, nur drei Monate vor der Parlamentswahl, mit einer Gruppe von Armeeoffizieren die Macht an sich gerissen und eine Militärdiktatur errichtet hatte. Der erste Gang nach dem Staatsstreich führte Batista zum Botschafter der USA in Havanna. Als erste Maßnahme setzte er danach die fortschrittliche Verfassung des Landes aus dem Jahr 1940 außer Kraft. US-Präsident Harry S. Truman erkannte das Regime bereits 17 Tage nach dem Militärputsch an und sicherte wirtschaftliche und militärische Unterstützung zu. Zuvor hatte Trumans Botschafter den Putschisten zu verstehen gegeben, dass das Wohlwollen seines Landes davon abhänge, ob eine antikommunistische Regierung dem US-Kapital verlässliche Bedingungen garantieren könne. Batista hatte verstanden und verbot erst einmal die Mai-Demonstrationen der Gewerkschaften. Im selben Monat überfiel die Polizei die Redaktion von „Hoy“, der Zeitung der Sozialistischen Volkspartei, wie sich die Kommunistische Partei zu der Zeit in Kuba nannte. Im Laufe des Jahres ließ Batista die Partei verbieten und beauftragte den Geheimdienst „Servicio de Inteligencia Militar“, der zugleich die Funktionen der Polizei, der Gerichtsbarkeit und des Scharfrichters ausübte, jede Opposition im Keim zu ersticken. Bis zum Sturz des Diktators wurden rund 20.000 Oppositionelle ermordet, weitere Zigtausend von in den USA ausgebildeten Folterspezialisten misshandelt und gequält. Mit dem Segen Washingtons hatte Batista bis zuletzt versucht, ein System aufrechtzuerhalten, das wohlhabenden US-Bürgern ihre Vergnügungen und den Konzernen satte Profite garantierte.

In den 1950er Jahren befanden sich über 50 Prozent des bebauten Landes in Kuba im Besitz ausländischer Unternehmen – wie etwa der US-amerikanischen United Fruit Company. Ausbildung und Arbeit waren für die Mehrheit der damals fünfeinhalb Millionen Einwohner unerreichbare Ziele. In den wenigen Landschulen saßen die Schüler oft barfuß, halbnackt und unterernährt im Unterricht. Mehr als die Hälfte der schulpflichtigen Kinder besuchte überhaupt keine Schule und rund 90 Prozent der Landkinder waren von Parasiten befallen. Jedes Jahr starben Tausende von ihnen an den Folgen der Armut, zu der sie verurteilt waren, weil ihre Eltern kein Land besaßen, auf dem sie etwas für ihre hungernden Kinder hätten anbauen können.

Siegessicher nach der ­Niederlage

Nachdem eine Klage, mit der Castro zunächst versucht hatte, die sozialen Missstände und das diktatorische Regime mit friedlichen Mitteln zu beenden, vom Obersten Gerichtshof abgewiesen worden war, wandte er sich an das Volk. Nur durch einen bewaffneten Aufstand, erklärte er, könne das System beseitigt werden, das zulasse, „dass Kinder ohne ärztliche Hilfe sterben, dass 30 Prozent unserer Landbevölkerung nicht ihren Namen schreiben können und dass die meisten Familien auf dem Lande unter schlechteren Bedingungen leben als die indianischen Ureinwohner, die Kolumbus traf, als er das schönste Land entdeckte, das Menschenaugen je gesehen haben“.

Das Signal für den Aufstand sollte die Erstürmung der Moncada-Kaserne und des kleinen Militärpostens in der Nähe von Bayamo sein – und zwar genau in dem Jahr, in dem der kubanische Nationalheld und Freiheitskämpfer José Martí 100 Jahre alt geworden wäre. Zwar sympathisierten große Teile der Bevölkerung mit den Rebellen, doch war die Zeit für einen Erfolg der Revolte zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht gekommen. Dennoch markierte der Moncada-Sturm einen Punkt, an dem ohnmächtige Wut gegen die sozialen und politischen Missstände in Widerstand umschlug. Trotz der militärischen Niederlage vom 26. Juli 1953 gab sich Castro drei Monate später vor Gericht deshalb siegessicher, indem er seine Verteidigungsrede mit den Sätzen beendete: „Verurteilen Sie mich, es hat keine Bedeutung. Die Geschichte wird mich freisprechen.“

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"„Die Geschichte wird mich freisprechen“", UZ vom 21. Juli 2023



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