Wer erinnert sich noch an die Waldheim-Kampagne?

Die Geschichte einer Recherche

Von Marie-Luise Schulz

Georg Tidl: Waldheim – Wie es wirklich war. Die Geschichte einer Recherche, Löcker Verlag, Wien 2015, ISBN 078–3-85409–781-5

In dem im Oktober 2015 im Löcker Verlag Wien erschienenen Buch wird die Geschichte einer Recherche erzählt. Der Autor, Georg Tidl, österreichischer Journalist, arbeitete damals beim ORF, insbesondere zu Themen der Zeitgeschichte.

Dr. Kurt Waldheim, in den Jahren 1971 bis 1981 UN-Generalsekretär, kandidierte 1985 für die Österreichische Volkspartei (ÖVP) zur Wahl für das Bundespräsidentenamt in Österreich.

Vom ORF im Frühjahr 1985 mit der Recherche zum Lebenslauf Waldheim beauftragt, endet die Suche Tidls mit Morddrohungen, Beschimpfungen, versuchtem Einbruch und Einbruch mit Aktendiebstahl und schließlich mit seiner Versetzung aus der Innenpolitiksendung „Inlandsreport“.

Seit damals hat er zu seiner Recherche geschwiegen. Jetzt, dreißig Jahre später, berichtet er über die Geschehnisse der Jahre 1985/1986, die ihren Ursprung mehr als vier Jahrzehnte früher in der Rolle Waldheims während der Zeit des Zweiten Weltkrieges hatten, und von dessen politischen und juristischen Folgen er auch nach der Wahl Waldheims persönlich betroffen war. Bei der Aufklärung geholfen haben ihm – er bezeichnet es am Ende des Buches als einen politischen Kampf – ein konservativer Militärhistoriker mit besten Kontakten zu den wichtigsten Archiven und später ein Verleger und Autor aus österreichischem Adel mit engen Beziehungen zur katholischen Kirche. Seine Suche, letztlich erfolgreich, endet mit dem Auffinden eines „missing link“: einer Einheit, die gegen Kriegsende auch zum Partisanenbekämpfung eingesetzt war und in der Kurt Waldheim gekämpft hat.

Das Buch, das sich zeitweise wie ein Krimi liest, beleuchtet auch die Frage, wie man nach Kriegsende 660 000 Nazis in einem Staat mit nur sieben Millionen Menschen versteckt und welche Rolle die westlichen Siegermächte und ihre Geheimdienste in den Zeiten des kalten Krieges dabei spielten.

Es ist die ambitionierte Darstellung des Scheiterns von politischen Parteien und deren Protagonisten, die sich lieber weiter hinter Lügen und Halbwahrheiten versteckten, um nur nicht ihre eigene Reputation in Gefahr zu bringen. Der Autor resümiert, dass sich Wahlen besser mit Antikommunismus als mit Antifaschismus gewinnen lassen.

Geblieben ist auch noch dreißig Jahre später das verstärkte Interesse an der Kriegsvergangenheit Österreichs und deren Folgen. Geblieben ist darüber hinaus die Erkenntnis – und das ist das Wichtigste – dass, wenn man die politische Basis derer nebeneinanderstellt, die wesentlich an der Aufklärung von Waldheims Kriegsvergangenheit beteiligt waren, sich eine beachtliche Breite ergibt, die links und rechts außen wenig Spielraum lässt.

Ein Fazit, das Mut macht.

Das Buch enthält ein umfangreiches Quellen-, Zitaten- und Abkürzungsverzeichnis sowie 59 Dokumentendrucke und ist auch für Nichtösterreicher ein äußerst lesenswertes Buch.

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"Die Geschichte einer Recherche", UZ vom 4. Dezember 2015



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