Über die Massaker an Alawiten in Syrien

Die Geister, die sie riefen

„Christen nach Beirut – Alawiten ins Grab.“ Diese Parole war zu Beginn des Krieges in Syrien an Hauswänden und Busstationen zu lesen und schon damals beließen es die Dschihadisten nicht bei Worten. Sobald die Armee zum Schutz der Einwohner in Homs oder anderen Städten eingriff – mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung standen –, sprachen Politiker und Medien im Westen von Massakern der Armee.

Im Dezember 2024 hatten die Dschihadisten nach Jahren des Krieges und von Sanktionen mit massiver Hilfe des Westens und mit Unterstützung von reichen Einflussgruppen in Syrien den Krieg gewonnen. Zwei Gruppen bestimmen jetzt die Geschicke des Landes: Die eine will einen neoliberalen Umbau Syriens, die andere einen reinen islamischen Staat, in dem Minderheiten bestenfalls an den Rand gedrängt werden. Oder, wie das aktuelle Geschehen zeigt, abgeschlachtet werden. Der nach eigenem Bekunden geläuterte Terrorist und Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa symbolisiert mit seinem maßgeschneiderten, aber unpassenden Business-Dress die Kooperation beider Richtungen.

Jetzt ist die Empörung im Westen über die Massaker groß, von Israel („Neue Machthaber massakrieren gnadenlos ihr Volk“) bis Britannien und den USA. Die feministische Außenpolitikerin Baer­bock verurteilt den Ausbruch der Gewalt und fordert endlich Frieden nach „Jahrzehnten des Assad-Terrorregimes“. Doch selbst das US-Außenministerium verortet den Terror auf seiner Homepage an anderer Stelle: „Die USA verurteilen die radikalen islamistischen Terroristen, darunter ausländische Dschihadisten, die Menschen im Westen Syriens getötet haben.“

Dabei sind genau dies die Geister, die sie selbst gerufen haben. Die Dschihadisten galten ihnen als Freiheitskämpfer, die sie mit Milliarden Dollar und Tausenden Tonnen Waffen unterstützten, solange sie gegen „Assad“ kämpften. Das den Regierungen des Westens zu sagen, wäre nur banal. Die Wahrheit ist aber leider, dass auch der Mainstream der Linken in diesen Chor für die dschihadistischen Freiheitskämpfer eingestimmt hat.

Das sind moderne Zeiten: Die Menschen in Syrien sind in der Falle, zwischen dschihadistischer Gewalt und neoliberaler Politik. Beides führt Syrien in die Katastrophe. Es gibt Ansätze für Widerstand und Zusammenarbeit, organisiert über soziale Medien. Ob es reicht, zum Sand im Getriebe der Umgestaltung Syriens zu werden?

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"Die Geister, die sie riefen", UZ vom 14. März 2025



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