Die Gefahr eines Weltkrieges wächst! Breite Antikriegsbewegung tut not!

„Es ist nicht unvermeidbar, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in 15 Jahren mit China im Krieg sein werden“, sagte am 25.10.2018 der frühere Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa Ben Hodges dem Spiegel. Am 17.12.2018 hat er den Zeitabstand auf 10 Jahre verkürzt.

1. Warum drängt das Verhältnis USA-China zum Krieg?

Seit Jahren wächst die Wirtschaft Chinas schneller als die der USA. Die Krise von 2008 hat diese ungleichmäßige Entwicklung noch beschleunigt. Jetzt ist der Wendepunkt erreicht. China überholt die bisher den Weltmarkt dominierenden USA. Je nach Berechnungsmethode des Bruttoinlands-produktes (BIP) ist dies entweder bereits 2014 passiert oder es steht demnächst bevor. Aber Chinas Wirtschaft wächst nicht einfach nur, sondern expandiert. Chinas Warenexport nach Afrika hat die USA hinter sich gelassen und beim Kapitalexport sind sie gleich auf. In Lateinamerika und Europa wächst der chinesische Waren- und Kapitalexport absolut und relativ, während der der USA relativ an Bedeutung verliert. Das größte Waren- und Kapitalexportprogramm jedoch ist das Projekt „Neue Seidenstraße“ mit einem Gesamtvolumen von geschätzt 1,1 Billionen Dollar in über 90 Ländern. Das Grundmuster ist: Chinas Banken gewähren den Empfängerländern Kredite für Infrastrukturprojekte, die überwiegend von chinesischen Konzernen in Staatseigentum mit Überkapazitäten aus Stahl, Beton, Baumaschinen und Arbeitskraft errichtet werden. Ziele sind: Förderung des chinesischen Warenexports, Kontrolle über die Verkehrswege und Ansiedlung privatkapitalistischer chinesischer Produktionsstätten an den Verkehrsadern, um die billigen Arbeitskräfte und die Rohstoffe der Zielländer zu nutzen. Inzwischen sind erste Schritte der militärischen Absicherung der Infrastrukturmaßnahmen erkennbar. China dringt also mit Waren- und Kapitalexport immer tiefer in bisherige Einflussgebiete der USA und anderer westlicher Staaten vor und weitet die eigenen Einflussgebiete aus.

Die USA antworten, wie es für ökonomisch in die Defensive gedrängte imperialistische Staaten typisch ist, mit nicht marktkonformen Mitteln. Zunächst mit „Tendenzen zu Abschottung und Protektionismus“ (Peter Altmaier am 05.02.19 im Vorwort „Nationale Industriestrategie 2030“). Sie errichten Zollbarrieren vor allem gegen chinesische Waren, aber auch gegen EU/Deutschland. Bleiben aber nicht defensiv, sondern greifen mit einem dreisten Sanktionsregime immer mehr Länder an und betreiben einen offenen Wirtschaftskrieg vor allem gegen die chinesische Hightech-Industrie.

Unter dem Stichwort des „Decoupling“ werden immer mehr Staaten mit ökonomischen, politischen, rüstungspolitischen und militärischen Strafmaßnahmen bedroht, wenn sie iranische Rohstoffe, russisches Gas und Rüstungsprojekte oder chinesische 5G Technologie kaufen wollen.

Diese empörenden, in vielerlei Hinsicht internationales Recht verletzenden Maßnahmen schaden den betroffenen Firmen und Staaten sehr. Dennoch spricht viel dafür, dass sie den ökonomischen Aufstieg Chinas nicht verhindern und den Abstieg der USA noch beschleunigen werden. Alle Maßnahmen sind nämlich zweischneidig. Wenn z.B. die Türkei damit bedroht wird, keine F-35 Kampfflugzeuge von den USA zu bekommen, weil sie statt US-Patriot Raketen lieber russische S-400 kauft, dann verkauft die US Rüstungsindustrie im Ergebnis möglicherweise (und so sieht es jetzt aus) weder Patriot noch F-35.

Welche Handlungsmöglichkeiten haben die USA noch, wenn der Wirtschaftskrieg erfolglos bleibt, um die mit dem Namen Brzezinski verbundene US-Strategie der einzigen Weltmacht durchzusetzen? Nur die militärische Karte, also der Krieg mit Waffengewalt. Dafür bleibt den USA allerdings nur ein begrenztes Zeitfenster, denn letztlich, wenn auch zeitversetzt, bestimmt die ökonomische Macht eines Landes auch seine militärische. Die ökonomische Stärke entscheidet über den Umfang der Mittel, die in die Rüstung gesteckt werden können und noch mehr entscheidet sie über den Vorsprung in der Militärtechnologie. Mit anderen Worten, das heute wirtschaftlich die USA überflügelnde China wird dies in absehbarer Zeit auch militärisch tun.

Die Think Tanks der USA wissen das natürlich schon länger. Schon 2011 wurde von der Obama Administration unter dem Stichwort „pivot to asia“ die strategische Auseinandersetzung mit China zum Schwerpunkt der amerikanischen Politik erklärt. 2018 haben die USA dann auch offiziell eine neue Militärstrategie verkündet. In dem Dokument wird Peking vorgeworfen, seinen wirtschaftlichen Einfluss überall in der Welt zu erhöhen. Außerdem gefährdeten Russland und China die militärische Vormachtstellung der USA. Schlussfolgerung: Die USA müssten sich nun, „insbesondere für einen Krieg der Großmächte“ rüsten. Sie bereiten sich fieberhaft auf diese kommende Auseinandersetzung vor: Ein neuer Schub bei den Militärausgaben, die Kündigung des INF Vertrages, um insbesondere China mit einem Ring von landgestützten Mittelstreckenraketen für einen schnellen Erstschlag zu umgeben, der Aufbau eines Raketenabwehrsystems, um Atomkriege auf Asien und Europa beschränken zu können, die Umrüstung bei den Atomwaffen, um Kriege wieder führbar zu machen, der Versuch mit allen Mitteln die chinesische Hightech-Industrie in der technologischen Entwicklung zu behindern u.v.a.m.

„Für den Imperialismus (ist) wesentlich“, sagt Lenin, „der Wettkampf einiger Großmächte in ihrem Streben nach Hegemonie.“ Dieser Wettkampf der beiden heutigen Großmächte wurde vorstehend skizziert. China führt diesen Wettkampf (derzeit noch erfolgreich) überwiegend mit ökonomischen Mitteln. Die USA, ökonomisch in der Defensive, setzen zunehmend auf militärische Mittel. Sie sind deshalb im Kampf der beiden imperialistischen Großmächte um die Hegemonie als der Hauptkriegstreiber zu brandmarken. Es geht aber nicht einfach um die Rivalität zweier Großmächte. Es geht vielmehr um die Ablösung der bisher dominierenden Weltmacht durch eine neue. Solche Konstellationen tragen, wie 1914 und 1939 zeigen, die Gefahr eines Weltkrieges in sich. Es gibt aber einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den beiden geschichtlichen imperialistischen Wettkämpfen um die Hegemonie und der heutigen Lage. Damals waren jeweils die aufsteigenden imperialistischen Mächte (Deutschland im ersten und Deutschland und Japan im zweiten Weltkrieg) die Hauptkriegstreiber, heute ist es die absteigende bisherige Weltmacht. Dies bedarf einer Erklärung. Die Ursache liegt wohl darin, dass in der Vergangenheit eine ökonomisch aufsteigende imperialistische Macht in ihrer Expansion sehr schnell an die Grenzen des Kolonialreiches der etablierten Weltmacht stieß. Hier hatte die politisch herrschende Kolonialmacht das ökonomische Monopol. Die Expansion der aufsteigenden imperialistischen Macht führte deshalb schon sehr früh zu dem Ansinnen nach Neuverteilung der Kolonien und das heißt zur Notwendigkeit einen Krieg gegen die dominierende Kolonialmacht vorzubereiten. China hingegen kann wegen der Entkolonialisierung nach dem 2. Weltkrieg und der Errichtung der damals im Interesse der unangefochtenen Supermacht USA liegenden liberalisierten Weltwirtschaftsnachkriegsordnung heute ökonomisch relativ ungehindert in die bisherigen Einflusssphären der USA vordringen. Die USA dagegen sind als Ausdruck ihrer relativen Schwäche gezwungen, die einst in ihrem Interesse liegende „regelbasierte ökonomische Weltordnung“ zurückzudrehen, um mit allen Mitteln der ökonomischen Erpressung, des Regimechange, der militärischen Interventionen bis hin zum großen Krieg gegen den Rivalen selbst, den ökonomischen Vormarsch Chinas zu stoppen.*

* Es ist – das sei ergänzend hier angemerkt – nicht das erste Mal in der Geschichte, dass eine aufstrebende imperialistische Weltmacht zunächst vorrangig auf die ökonomische Expansion und nicht gleich auf die militärische Karte setzt. Es sind die USA in ihrem Streben nach Ablösung Englands als Welt-Hegemon in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Das analysiert Togliatti in seiner Rede auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1935 wie folgt: „Die Gegensätze zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten sind die tiefsten von allen die kapitalistische Welt zerfleischenden Gegensätzen, da sie im Weltmaßstab in Erscheinung treten, da diese beiden Länder in allen Teilen der Welt aufeinanderstoßen und da das Ziel dem der amerikanische Imperialismus zwangsläufig zustrebt, die Untergrabung der der Vormachtsstellung Englands in den Kolonien und zur See ist. Aber die militärische Stärke der Vereinigten Staaten von Amerika und ihre strategische Position am Stillen Ozean entsprechen trotz der ungeheuren Verstärkung ihrer Rüstung in den letzten Jahren noch nicht ihrer wirtschaftlichen Kraft und Entwicklung. Wir haben somit einen imperialistischen Staat vor uns, der sich keine unmittelbaren Eroberungsziele setzt – ich betone keine unmittelbaren Eroberungsziele – der am Zeitgewinn interessiert ist, um einen bewaffneten Zusammenstoß möglichst weit hinauszuschieben und die so gewonnene Frist zur Stärkung seiner Position auszunutzen.“ (Im Zusammenhang nachzulesen z.B. unter www.marxistische-abendschule.de)

2. Die Rolle der imperialistischen Mittelmächte

Alle anderen Akteure neben den USA und China spielen derzeit wirtschaftlich in einer anderen Liga. Japan hat 1/4, Deutschland als größte Wirtschaftsmacht der EU nur 1/5 und Russland noch deutlich weniger als 1/5 des BIPs der USA und Chinas. Sie alle sind allein zu schwach, um bei der ökonomischen Neuaufteilung der Welt ein entscheidendes Wort mitzureden.

Auf die besondere Lage der EU und Russlands muss hier noch etwas genauer eingegangen werden:

Das imperialistische Russland ist wirtschaftlich ein „Zwerg“, aber militärisch noch eine Großmacht. Um diesen militärischen Status halbwegs zu halten, gibt Russland 3,9 % seiner Wirtschaftsleistung für Rüstung aus. (Zum Vergleich: die USA stecken 10,5mal so viel Geld in die Rüstung. Dieser Betrag bedeutet aber „nur“ 3,2 % des US-BIPs (alle Angaben nach Sipri für das Jahr 2018). Russland versucht unter diesen schlechten wirtschaftlichen Voraussetzungen wenigstens bei den strategischen Nuklearwaffen und bei den Landstreitkräften in Europa ein annäherndes Gleichgewicht mit der Nato zu halten. Es ist aber letztlich nicht einmal militärisch stark genug, seine Interessen allein verfolgen zu können. Lange Zeit hat sich die russische Politik erfolglos um einen von den USA und China unabhängigen Block mit den imperialistischen europäischen Mittelmächten bemüht. Das ist maßgeblich an der gegen Russland gerichteten wirtschaftlichen und politischen Expansion des deutschen Kapitals nach Osteuropa gescheitert. Erst unter dem Zwang der wirtschaftlichen Sanktionen der USA und der EU, sowie des aggressiven militärischen Vorrückens der USA/Nato bis zur russischen Grenze, wird Russland trotz aller Widersprüche immer stärker in das chinesische Lager getrieben.

Die EU läge, wenn man die Wirtschaftskraft aller ihrer Mitglieder zusammenrechnete, auf Augenhöhe mit den beiden Großmächten. Durch die EU zur Großmacht aufzusteigen, das genau ist auch das Ziel, dass jedenfalls die größeren EU Staaten, allen voran der deutsche Imperialismus, mit ihrem Zusammenschluss zu einer Art Kartell verfolgen. Im Moment spricht jedoch nichts dafür, dass aus der EU eine dritte Großmacht werden könnte, die eine eigenständige Rolle im Kampf um die Weltherrschaft spielt. Denn innerhalb des Kartells wächst die Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich um die Führung. Beide wollen mehr EU, aber nur zu ihren Bedingungen. In Italien, Polen und Spanien wächst, bei allen Widersprüchen untereinander, der Widerstand gegen die zwischenzeitlich erreichte deutsche Dominanz. Die meisten kleineren EU Staaten wollen ihre Eigenständigkeit wahren und den Kartellzusammenschluss auf wenige Fragen begrenzen. Die EU ist zugleich das Objekt von Spaltungsbemühungen der eigentlichen Großmächte USA und China. Beide bemühen sich in Rivalität zueinander um Sonderbeziehungen zu einzelnen Staaten an der deutschdominierten EU Kommission vorbei: Die USA machen dies mit Großbritannien, Polen und den baltischen Staaten, China mit dem 16 + 1 Zusammenschluss der Staaten Ost und Südosteuropas und dem Beitritt Griechenlands, Italiens und Portugals zur neuen Seidenstraße. Kurz: Es mehren sich die Tendenzen eines Zerfalls des Kartells, von denen der Austritt Großbritanniens nur das sichtbarste Ereignis ist.

Die geschilderten Zerfallserscheinungen sind nicht zufällig und nicht umkehrbar. Sie sind vielmehr Folge des Charakters der EU als Kartell miteinander konkurrierender imperialistischer Staaten. Im Inneren eines solchen Kartells häuft die gesetzmäßige ungleichmäßige Entwicklung der einzelnen Staaten zwangsläufig Sprengstoff an. Die zentrifugalen Kräfte im Kartell EU werden durch die seit 2008 anhaltende Wirtschaftskrise, die vor einem neuen Schub steht, dramatisch verschärft. Hier kann deshalb nicht friedlich zu einer 3. Großmacht „zusammenwachsen, was zusammen gehört“. Eine „Lösung“ für die sich verschärfenden inneren Widersprüche ist vielmehr nur durch ein Auseinanderbrechen des Kartells oder eine feindliche Übernahme durch die stärkste der rivalisierenden Mächte denkbar. Das Entstehen einer dritten Großmacht auf dem Weg einer feindlichen Übernahme aber ist angesichts der Kräfteverhältnisse in der EU und auf der Welt nahezu ausgeschlossen. Die zwischenzeitlich erreichte deutsche Dominanz hat vielmehr die zentrifugalen Kräfte verstärkt. Die Bourgeoisien dieser Länder sind zudem nicht hilflos einem übermächtigen Deutschland ausgeliefert. Sie haben vielmehr Alternativen durch Anlehnen an eine der beiden wirklichen Großmächte USA und China, die beide das Entstehen einer konkurrierenden 3. Großmacht verhindern wollen.

Die Bourgeoisien der imperialistischen Mittelmächte in Europa stehen deshalb vor einem Dilemma. Im sich verschärfenden Wettkampf der Großmächte geraten ihre weltweiten Interessen zunehmend unter die Räder und gleichzeitig zeichnet sich das Scheitern ihrer jeweiligen Großmachtpläne über die EU ab. Die strategischen Konsequenzen, die die Bourgeoisien dieser Länder daraus ziehen werden, können sehr unterschiedlich ausfallen, weil ihre jeweiligen Interessen sehr unterschiedlich sind, weil es innerhalb der Bourgeoisien unterschiedliche Fraktionen gibt und auch weil der Klassen- und Friedenskampf in diesen Ländern höchst unterschiedlich entwickelt ist. Die britische Bourgeoisie versucht mit dem Brexit offenbar einen unabhängigen Sonderweg zwischen EU, USA und China. In Frankreich gibt es demgegenüber wohl stärkere Kräfte, die eine größere Distanz zu den USA und in Rivalität zu Deutschland eine engere Kooperation mit Russland suchen. Die deutsche Bourgeoisie als stärkste Macht Europas träumt wohl immer noch davon, über die EU zur dritten Großmacht aufzusteigen. Wenigstens hofft sie ein Kerneuropa unter klarer ökonomischer und militärischer Führung Deutschlands zu retten, um so stark genug zu sein, ihre weltweiten Interessen lavierend zwischen den USA und China zu verfolgen. Für eine genaue Einschätzung bedarf es einer gründlichen Untersuchung für jedes Land.

Die Betrachtung der EU und Russlands bestätigt die Aussage, dass der Wettkampf der Großmächte USA und China und die davon ausgehende Kriegsgefahr die gegenwärtige Weltlage prägt. Das bedeutet nicht, dass die anderen imperialistischen Mächte ohne Einfluss auf die Verschärfung der Kriegsgefahr wären. Den Kriegen gegen Jugoslawien und in der Ukraine etwa lagen in erster Linie deutsche wirtschaftliche und politische Expansionsinteressen zu Grunde, dem Krieg gegen Libyen solche Italiens und Frankreichs. Die USA haben alle drei Konflikte dann erst relativ spät durch Ausspielen ihrer militärischen Überlegenheit unter ihre Kontrolle zu bringen versucht. Die drei Kriege zeigen: Auch imperialistische Mittelmächte gehen bei der Verfolgung ihrer Expansionsinteressen über Leichen und hinterlassen Chaos und Zerstörung. Mehr noch: Solche Kriege können der Funke sein, der einen Weltbrand auslöst, weil sie fast zwangsläufig schnell vom Kampf der Großmächte um die Vorherrschaft überlagert werden.

Weiter: Mit ihren Entscheidungen, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen, beeinflussen die Mittelmächte zudem die globalen und regionalen Kräfteverhältnisse zwischen den Großmächten erheblich. Wie das Beispiel der Türkei zeigt, können dabei auch langjährige Abhängigkeits- und Bündnisstrukturen schnell ins Rutschen geraten. Bisherige Verbündete – selbst Nachbarstaaten in Europa – könnten so am Ende auf verschiedenen Seiten der Front stehen.

Die Frage, ob sich ein bestimmter regionaler Hotspot der globalen Auseinandersetzung der Großmächte weiter in Richtung Krieg erhitzt oder nicht, hängt deshalb auch von den herrschenden Klassen in den Mittelmächten ab; und natürlich davon, ob die Arbeiterklasse und die Antikriegs-bewegung dieser Länder stark genug ist, die Herrschenden daran zu hindern, noch Öl ins Feuer zu gießen. Hotspots der Kriegsgefahr sind heute insbesondere: Das chinesische Meer, die koreanische Halbinsel, der Nahe und Mittlere Osten und Osteuropa. Aber auch in Lateinamerika und Afrika finden brandgefährliche Auseinandersetzungen statt.

3. Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen

Dieser Satz von Jean Jaurès deutet den Grund dafür an, warum wir es heute wieder mit einer Weltlage zu tun haben, in der ein großer Krieg droht. Es sind die ökonomischen Grundeigenschaften des hochentwickelten Kapitalismus, die immer wieder zum Krieg drängen: Der Kapitalismus muss in der Jagd nach Profit durch Waren- und Kapitalexport expandieren. Auf dem Weltmarkt stoßen die Gesamtkapitale, flankiert von den Staaten als deren politische Organisationsform aufeinander und kämpfen um Absatzmärkte und Anlagesphären, also Einflussgebiete. Das Kräfteverhältnis in diesem Kampf entwickelt sich ungleichmäßig. Kriege entstehen aus einer heftigen Zuspitzung dieser Widersprüche zwischen den Gesamtkapitalen. In der Regel liegt eine schwere, langanhaltende Weltwirtschaftskrise wie die Krisen, die 1929 und 2008 begannen, am Beginn der Entwicklung zum Krieg. Eine solche Krise verschärft den Konkurrenzkampf und die ungleichmäßige Entwicklung der Gesamtkapitale. Die imperialistischen Großmächte versuchen in Konkurrenz zueinander die Krise auf die Schwächeren abzuwälzen. An die Stelle des Freihandels treten zunehmend Zölle und Handelsbeschränkungen. Schließlich bildet sich ein regelrechter Wirtschaftskrieg heraus, der die Vorstufe zum Krieg mit Waffengewalt ist.*

* Beispielhaft, aber durchaus allgemeingültig, hat diese gesetzmäßige Entwicklung der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1935 für die Zeit vor dem 2. Weltkrieg untersucht. Nachzulesen im Bericht des italienischen Kommunisten Palmiro Togliatti (z.B. unter www.marxistische-abendschule.de)

4. Der Kampf gegen den Krieg in Deutschland

Die deutsche Bourgeoisie steht vor einem Scherbenhaufen. 2 Zahlen verdeutlichen die Lage: Die 30 im Dax gelisteten größten Konzerne machen 22 % ihres Umsatzes mit und in den USA, aber bereits (und mit wachsender Tendenz) 16 % ihres Umsatzes mit und in China. Nur über die EU konnte sie hoffen, stark genug zu sein, dem von den USA durch extraterritoriale Sanktionen und andere Strafmaßnahmen ausgeübten Druck, sich zwischen China und den USA entscheiden zu müssen, zu widerstehen – also das lebenswichtige US Geschäft weiter betreiben zu können, ohne das ebenfalls lebenswichtige Geschäft mit China, Russland und anderen aufgeben zu müssen. An die EU aber hat sie mit der Exportwalze, der Austeritätspolitik und dem hemmungslosen Streben nach Vorherrschaft selbst die Axt gelegt.

Die verhängnisvollen Schritte auf diesem Weg waren:

  • Mit der auf Kosten der Arbeiterklasse durchgesetzten Agenda 2010 hat die Bourgeoisie die deutsche Wirtschaft in einem weltweit einzigartigen Ausmaß vom Warenexport abhängig gemacht. Das wird sich jetzt rächen. Der sich verschärfende Handels- und Sanktionskrieg der Großmächte in Verbindung mit dem gerade beginnenden neuen Krisenschub und dem sich immer mehr abzeichnenden technologischen Rückstand, insbesondere gegenüber China, wird die deutsche Wirtschaft, allen voran die Autoindustrie, in gleichermaßen einzigartigem Ausmaß treffen. Auf uns, die Arbeiterklasse, kommen neue Massenentlassungswellen zu und der Versuch der Herrschenden, die Lasten des Niedergangs durch Lohn- und Sozialabbau auf uns abzuwälzen.
  • Die durch die Agenda 2010 gegen die Arbeiterklasse durchgesetzten niedrigen Lohnstückkosten und die vor allem im Interesse der deutschen Wirtschaft liegende Einführung des Euro ermöglichte über mehr als zehn Jahre eine deutsche Exportwalze. Sie hat die Industrie der europäischen Nachbarstaaten ruiniert und dort Arbeitslosigkeit und Verschuldung in gigantische Höhen getrieben. Das schlägt jetzt in Gestalt sinkender Absatzmöglichkeiten, wachsender Zerfallsprozesse in der EU und dem Anheizen chauvinistischer Bewegungen durch die herrschenden Klassen der an die Wand gedrückten Nachbarstaaten zurück.
  • Dem so herbeigeführten Einbruch der europäischen Absatzmärkte hat das deutsche Kapital versucht mit verstärktem Export und höheren Investitionen in den USA zu begegnen. Das schlägt jetzt auf unser Land zurück, denn so hat sich die Abhängigkeit von den USA erhöht. Die Möglichkeit, den schädigenden US Sanktionen in allen Teilen der Welt entgegenzutreten, wurde verschlechtert. Unser Land wurde so tiefer in die Klauen des Hauptkriegsbrandstifters getrieben.
  • Mit der wirtschaftlichen Unterwerfung Osteuropas unter das deutsche Kapital und dem gescheiterten Versuch, mit der Ukraine und Georgien die Expansion bis an die Grenzen Russlands voranzutreiben, hat die deutsche Bourgeoisie die Spaltung zwischen den Völkern Osteuropas vertieft, eine neue Aufrüstungswelle angetrieben, die friedlichen Beziehungen zu Russland zerstört, Russland an die Seite Chinas getrieben und mit alledem maßgeblich dazu beigetragen, dass Osteuropa ein Hotspot im Kampf der Großmächte um die Weltherrschaft geworden ist.

Die deutsche Bourgeoisie sitzt heute „sprichwörtlich zwischen großen Stühlen“ (Siemens-Chef Joe Kaeser). Angesichts der von den USA forcierten dramatischen Zuspitzung wird sie sich bei realistischer Einschätzung der Kräfteverhältnisse und in der Hoffnung, so wenigstens einen Teil der Beute zu retten, wohl oder übel, früher oder später, für einen der beiden um die Weltherrschaft kämpfenden Pole entscheiden (müssen). Nach den gegenwärtigen Interessen des überwiegenden Teils des deutschen Großkapitals liefe das wohl, – allerdings unter erheblichem Widerstand von Konzernen mit gegenläufigen Interessen -, auf den Verbleib in der Nato als Unterführer des Hauptkriegsbrandstifters USA hinaus. Aber auch ein Frontwechsel ist denkbar, Gerhard Schröder und Teile der AFD stünden dafür politisch schon bereit. Die deutsche Bourgeoisie ist allerdings – schaut man in die Geschichte – nicht gerade für eine realistische Einschätzung der Kräfteverhältnisse bekannt. Deshalb kann auch ein isolierter abenteuerlicher Sonderweg des deutschen Imperialismus nicht völlig ausgeschlossen werden.

So oder so, – die weltweite Jagd nach Profit und die Großmachtträume des deutschen Kapitals führen unser Land in ein wirtschaftliches Desaster und machen es zum Mittäter und Opfer eines drohenden Weltbrandes.

Für die deutsche Arbeiterklasse und für alle Menschen, die den Frieden wollen, wird es höchste Zeit die Notbremse zu ziehen. Notwendig ist endlich eine Politik, die unser Land aus der drohenden Kriegsgefahr heraus und nicht noch tiefer in sie hinein führt.

Das heißt zunächst…

Raus aus dem Kriegsbündnis mit den USA! Also: Austritt aus der NATO; Abzug der US Truppen und der Atomwaffen; Schließen der US Zentrale für den weltweiten Drohneneinsatz in Ramstein; keine Stationierung neuer US Mittelstreckenraketen; keine Überflugrechte; Beendigung aller von den USA und der EU verhängten Sanktionen.

Das heißt weiter…

Keinen Frontwechsel! Also: Strikte Neutralität; Abschluss von Nichtangriffsverträgen mit allen Nachbarstaaten, auch mit Russland und den beiden Großmächten; strikte Beachtung des Völkerrechtes und des Prinzips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder.

Das heißt außerdem…

Aufgabe aller Bestrebungen, selbst zur Großmacht zu werden! Also: Keine Militarisierung der EU. Beendigung aller Auslandeinsätze der Bundeswehr; Beschränkung des Militärs auf Selbstvertei-digung nach dem Vorbild der Schweiz; Konversion der Rüstungsproduktion und Verbot des Exports von Waffen; Schluss mit dem Werben fürs Sterben an Schulen und Universitäten.

Das heißt nicht zuletzt…

Unterstützung aller Abrüstungsinitiativen und der Ächtung von Atomwaffen; Unterstützung der Arbeiter- und Antikriegsbewegung in allen Ländern; Internationale Solidarität mit den Völkern, die sich gegen imperialistische Ausplünderung und Bedrohung zur Wehr setzen.

Eine solche, an den Interessen der überwältigenden Mehrheit dieses Landes orientierte Friedenspolitik kann die Bourgeoisie nicht. Dem stehen ihre niederen, auf Profitmaximierung und weltweite Expansion gerichteten Klasseninteressen entgegen, die sie nur durch verschärfte Ausbeutung und Repression im Inneren und nur im Kampf zu Lasten der Konkurrenz nach Außen durchsetzen kann. Die Bildung einer Arbeiterregierung in einem sozialistischen Deutschland wäre deshalb das Beste, was unser Land für den Weltfrieden tun könnte.

Bis dahin müssen wir der deutschen Bourgeoisie jeden der notwendigen Schritte in Richtung Frieden und zur Verteidigung unserer Lebensinteressen abringen. Wir dürfen nicht länger wie die Kaninchen auf die Schlange starren. Nehmen wir unser Schicksal in die eigenen Hände! Schaffen wir eine breite Antikriegsbewegung.

Inge und Harald Humburg

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