Bei Sondierungen in Sachsen und Thüringen zeigt sich, wie ernst das BSW es meint

Die Friedensfrage ist gestellt

Kolumne

Bei der Landtagswahl in Sachsen sprachen sich jeweils mehr als 30 Prozent der Wähler für die Partei des deutschen Großkapitals oder für ihren Rechtsaußen-Ableger aus. Dass die CDU dort noch so große Teile ihres Wahlvolks erreicht, hat mit ihrem relativ beliebten Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zu tun. Als einzig hörbare Stimme in der Union kritisiert er ab und an den Konfrontations- und Kriegskurs der Bundesregierung. Auch damit hat er sich seine Wiederwahl gesichert.

Im Nachbarland Thüringen riss nur die AfD die 30-Prozent-Marke, die CDU hat hier keinen Amtsbonus und verharrt unter knapp einem Viertel der Wählerstimmen. Dass die AfD, die in Thüringen vom Faschisten Höcke geführt wird, dort sogar die sogenannte „Sperrminorität“ erreicht hat, setzt noch einen obendrauf: Für alles, zu dem zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen müssen, wie zum Beispiel bei der Benennung neuer Verfassungsrichter, muss sich eine neue Koalition mit der AfD arrangieren.

Doch mindestens beim Thema Flucht und Migration unterscheiden sich die rassistischen Positionen der etablierten Ampel- und Unionsparteien kaum von denen der AfD. Höcke möchte in Thüringen sogar einen Grenzschutz nach bayerischem Vorbild einführen – an den Binnengrenzen. Die AfD macht sprechfähig, wovon Teile des großen Kapitals schon lange träumen. Dagegen hilft es nicht, Grüne oder so zu wählen, sondern nur, sich für die eigenen Inte­ressen stark zu machen.

Vierhundert Kollegen gingen in Jena am Montag nach der Landtagswahl symbolisch vors Tor. Die Kollegen von Jenoptik, Jena-Optronik und Zeiss haben sich gegen eine Regierungsbeteiligung der AfD ausgesprochen. Im Aufruf der IG-Metall-Vertrauensleute von Zeiss heißt es: „Die Politik der AfD richtet sich direkt gegen Beschäftigte. Rentenkürzung, Absenkung des Mindestlohnes und die Behinderung von gewerkschaftlicher Organisation im Betrieb sind nur einzelne Beispiele.“

Eben wegen dieser Positionen sucht ein Teil der Thüringer CDU nun doch die Nähe und Zusammenarbeit zur Höcke-AfD, einzelne gewählte Abgeordnete fordern trotz Unvereinbarkeitsbeschluss Sondierungsgespräche. Die Präsidentin des Thüringer Landkreistags und neue Landtagsabgeordnete Martina Schweinsburg zum Beispiel möchte die Faschisten im Nadelstreifen in den Koalitionsgesprächen „entzaubern“.

Doch eine Sache war wirklich neu bei diesen Landtagswahlen am Weltfriedenstag: Sahra Wagenknechts „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) hat mit ihrer Bedingung, dass sich neue Landesregierungen mit BSW-Beteiligung im Bundesrat gegen die Stationierungspläne für Mittelstreckenraketen aussprechen müssen, für viel Furore gesorgt. Der Schachzug hat der Partei zudem so viele Stimmen eingebracht, dass sie wohl nun zur Königsmacherin der neu zu bildenden Koalitionen in Sachsen und Thüringen wird.

Es ist nicht zu erwarten, dass die Debatte darum in wenigen Tagen vom Tisch ist, noch dass schnell Einigkeit erzielt wird. Das ist zu begrüßen, schließlich geht die mediale und politische Hetze gegen Asylsuchende und Bürgergeldbezieher an den realen Problemen vorbei. Die vom BSW provozierte Debatte um die Stationierung der Mittelstreckenraketen kann von der Arbeiter- und Friedensbewegung mit Leben gefüllt werden.

Der Ausgang der Regierungssondierungen ist dabei nicht relevant, weil von einer „großen Koalition“ aus CDU und SPD sowieso nichts zu erwarten ist – auch nicht mit BSW-Beteiligung. Und weil noch nicht absehbar ist, ob es überhaupt so weit kommt, oder ob das BSW den Weg der Linkspartei geht und zuerst auf zentrale Inhalte und langfristig auf lokale Wahlerfolge verzichtet, um kurzfristig mitzuregieren.

Die Linkspartei übrigens ist in Sachsen nur noch dank zwei gewonnener Direktmandate im Landtag vertreten und in Thüringen gerade einmal noch mit zwölf Sitzen. Vor der Wahl stellte sie in Thüringen noch den Ministerpräsidenten. Die Parteiführung wusste am Montag wie nach jeder Wahl: Schuld am schlechten Ergebnis ist Wagenknecht.

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"Die Friedensfrage ist gestellt", UZ vom 6. September 2024



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