Vonovia und Co. in Bedrängnis. Mieter zahlen für die Krise der Immobilienwirtschaft

Die fetten Jahre sind vorbei

Hendrick Böhner

Am 17. Mai luden gleich zwei große Wohnungskonzerne ihre Aktionäre zur Hauptversammlung ein, Branchenprimus Vonovia SE und die LEG Immobilien SE aus Düsseldorf. Beide Versammlungen wurden begleitet von Mieterprotesten und den Interventionen „kritischer Immobilienaktionäre“. Am vergangenen Samstag zog zudem eine Demonstration der Vernetzung „Gemeinsam gegen Vonovia & Co.“ vor den Hauptsitz der Vonovia in Bochum.

So vielfältig der Protest von dieser Seite auch ausfiel, auf der Liste der größten Sorgen der Konzernvorstände dürfte er sehr weit unten rangieren. Dort stehen an erster Stelle die veränderten Kapitalmarktbedingungen, die insbesondere die Immobilienwirtschaft hart getroffen haben. Es geht um nichts Geringeres als die Frage, ob und wie die Konzerne zahlungsfähig bleiben.

Zur Erinnerung: Rund ein Jahrzehnt lang boomte die Branche. Auf jeder Immobilienmesse knallten die Sektkorken aus Freude über üppige Dividenden und noch fettere Kursgewinne. Neben einiger politischer Vorarbeit war es vor allem die günstige Zinslage, die den Immobilienboom befeuerte und die enorme Expansion von Vonovia und auch der LEG ermöglichte. Die immer neuen Kredite für Ankäufe und Übernahmen konnten so stets günstig refinanziert werden. Zudem ließen sich die Werte der Wohngebäude in den Büchern hochschreiben. So stand der hohen Verschuldung ein fiktiver Wert gegenüber, der die Expansionsspirale in Gang hielt.

Doch damit ist es bekanntlich vorbei. Der Kurs der Zentralbanken auf Zinserhöhungen hat diesem Wachstumsmodell nicht nur die Grundlage entzogen, er gefährdet nun akut den Bestand der Konzerne als solche. Das drückt sich unter anderem darin aus, dass statt weiterem Wachstum nun der Verkauf von Wohnungen oder Anteilen an Tochtergesellschaften auf dem Programm steht. Vonovia hat bereits Mitte 2022 angekündigt, rund 66.000 Wohnungen verkaufen zu wollen.

Die Erlöse aus den Verkäufen werden dringend benötigt, um sogenannte Finanzierungslücken zu schließen. Denn bei der Vonovia werden jedes Jahr Kredite und Anleihen im Umfang von rund 4 Milliarden Euro fällig. Woher aber nehmen, wenn das operative Geschäft, also die Vermietung von Wohnraum, das nicht hergibt? Neue Kredite aufzunehmen ist bei der derzeitigen Zinslage keine Option. Da muss Liquidität aus anderen Quellen her und das geht auch an den Aktionären nicht vorbei. Ihre Dividende wurde knapp halbiert im Vergleich zum Vorjahr. Ein Ringen der unterschiedlichen Kapitalinteressen, wie man offen zugab.

Der Verkauf von Wohnungsbeständen ist allerdings auch kein Königsweg für die Konzerne. Denn er schmälert nicht nur die Einkommensbasis des Vermietungsgeschäfts, sondern sieht sich mit tendenziell sinkenden Preisen konfrontiert. Ein Verkauf unter den Werten, die man in die Bilanz eingestellt hat, kann die Abwärtsspirale jedoch weiter befeuern.

Ein Szenario, das einem vielleicht eine gewisse Schadenfreude ins Gesicht zaubern könnte. Immerhin ist die selbstgefällige Gewinnermaskerade dahin. Doch die Krise des Immobilienkapitals ist noch kein Gewinn für die Mieterinnen und Mieter. Sie zahlten die Gewinne während der Boom-Phase und sie werden nun auch für die Krise zahlen. Der Blick auf noch ehrgeizigere Mieterhöhungen ist längst systematisch geschärft und die Instandhaltung der Wohnungen wird ein weiteres Opfer sein. Zu gewinnen ist auch unter Berücksichtigung der derzeitigen politischen Verhältnisse vor allem Bewusstsein – darüber, dass die kapitalistische Wohnungswirtschaft nicht dem Interesse der Arbeiterklasse und übrigen Werktätigen folgt.

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"Die fetten Jahre sind vorbei", UZ vom 26. Mai 2023



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