Betr.: „Soros will Peking für Koalition gegen Moskau gewinnen“, UZ vom 9.10.2015, S. 13

Die Entwicklung ist offen

Von Volker Wirth, Berlin

Soros, das darf man nie vergessen, hat selbst den mittelalterlich-barbarischen IS als die kleinere Gefahr im Vergleich mit Russland bezeichnet. Also „alle gegen Russland“. Da sind Überlegungen nur logisch, wie man wohl Peking an die Seite Washingtons ziehen könnte. (Unvereinbar damit sind logischerweise die umgekehrten Bemühungen vor allem der Jelzin-Ära, das sich „verwestlichende“ Russland gegen China mit „ins Boot“ zu bekommen.)

Um ersteres tun zu können und damit – nach der „erfolgreichen“ Einbeziehung Indiens in die antisyrische Gruppenbildung des Westens 2012 – auch einen weiteren Schritt zur Zerstörung der BRICS-Gruppe zu machen, reicht es nicht – wie das Gerns ganz richtig darlegt – den Yüan (Renminbi oder „Volksgeld“) zur Weltreservewährung zu machen; das ist im BRICS-Konzept ohnehin faktisch vorgesehen. Doch „die Amerikaner“ haben schon einiges, was sie „Peking“ geben bzw. „genehmigen“ könnten: die Wiedervereinigung mit Taiwan, die Beendigung der Aufstachelung Japans gegen China (symbolisiert durch die einseitige Unterstützung der Ansprüche Tokios auf die „Sengaku“-Inseln zwischen Taiwan und den japanischen Riukiu-Inseln), die Akzeptierung der chinesischen neuen künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer, vor allem aber den Verzicht auf die US-Förderung des tibetischen Separatismus (der „ostturkestanische“ uigurische Separatismus wird allenfalls unter der Hand gefördert, weil er zu sehr mit dem fundamentalislamischen Terrorismus verbunden ist – seine Hauptstadt ist wohl eher München als Washington) sowie den Verzicht auf den südkoreanischen Vorposten zugunsten eines demilitarisierten friedlichen Koreas.

Bisher hat sich China – da ihm solche Angebote von Washington nicht gemacht werden – noch nicht wirklich entscheiden müssen. Und auch Soros nimmt diese fünf Punkte nicht explizit auf. Doch „Pingpong-Diplomatie“ wird wohl nicht ausreichen. Kontakte gibt es mehr als genug – aber eben auch die genannten grundlegenden Streitpunkte.

Man kann hoffen, dass eine solche Politik, falls es sie mal geben würde, aussichtslos wäre – sicher sein kann man nicht. Denkt man an das Frühjahr 1989 in Peking zurück, so ist so gut wie sicher, dass erneut viele Chinesen gegenüber solchen Angeboten empfänglich wären und die Bedrohung für die nationale Souveränität Chinas gefährlich unterschätzen würden. Dann fänden sich sicherlich auch in der Führung nachgiebigere, „verständnisvollere“ Politiker. Die antiimperialistische bzw. Klassen-Wachsamkeit hat ihre eigene „Halbwertzeit“, wie wir seit 1975–90 wissen…

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"Die Entwicklung ist offen", UZ vom 16. Oktober 2015



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