Auswirkungen der Großen Depression in den USA

Die dürren Jahre

Von Thomas Brenner

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( FSA / Walker Evans / public domain)

Die mit dem Crash an der New Yorker Börse im Oktober 1929 einsetzende Große Depression führte in den kapitalistischen Ländern zu einem drastischen Einschnitt in alle Bereichen des Lebens. Die Reaktion auf die Krise war allerdings unterschiedlich. Während in einigen Ländern autoritäre Lösungen bis hin zu offen terroristischen, sprich faschistischen, bevorzugt wurden, versuchte es die Regierung der USA unter Präsident Hoover zunächst mit einer Reihe von wirtschaftlichen Maßnahmen, die aber die Krise verschlimmerten. Protektionistische Maßnahmen wie der „Smoot-Hawley Tariff Act“ von 1930, mit dem die US-Zölle auf über 20 000 importierte Waren auf Rekordniveau angehoben wurden, führten zu Vergeltungsmaßnahmen gegen die US-Industrie und drosselten den Welthandel. Zu den am stärksten betroffenen Branchen gehörten Landwirtschaft, Bergbau, langlebige Güter, Bauwesen und Automobile.

Die neue Regierung unter Präsident Roosevelt wählte ab 1933 einen anderen Weg und wollte mit einer Reihe von sozialen Hilfsprogrammen die Auswirkungen der Krise auf die Mehrheit der Bevölkerung mildern. Dazu gehörten Maßnahmen, die die Wirtschaft beleben sollten, eine Regulierung der Finanzmärkte, Hilfen für die Millionen von Arbeitlosen und Armen und die Einführung eines Sozialversicherungssystems.

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( FSA / Arthur Rothstein / public domain)

„Der Staub war manchmal so dicht,

dass man Traktor und Pflug kopfüber benutzen konnte.

So dunkel, dass man den Groschen in der Tasche

nicht mehr sehen konnte, das Hemd auf dem Rücken,

eine Mahlzeit auf dem Tisch, oder irgendein verflixtes Ding.

Das einzige, was höher als der Staub war, waren deine Schulden.

Der Staub legt sich, die Schulden nicht.“

Woody Guthrie

Die Landwirtschaft war von der Krise besonders betroffen. Neben den Auswirkungen des Schwarzen Donnerstags hatte eine falsche Bodennutzung zur Verödung weiter Landstriche geführt. Die Farmer hatten jahrzehntelang die Konzepte von Brachflächen und Fruchtfolge, Deckfrüchten zur Steuerung der Bodenfruchtbarkeit und -qualität oder andere Techniken zur Verhinderung von Erosion ignoriert. Das tiefe Pflügen des Oberbodens hatte die natürliche Vegetation abgetötet, die die Erde normalerweise an Ort und Stelle hielt und Feuchtigkeit auch in Trockenperioden und bei starkem Wind gehalten hatte. Monokulturen von Pflanzen, die während des Ersten Weltkrieges stark nachgefragt wurden, erschöpften den Mutterboden weiter. Eine Anfang der 30er Jahre einsetzende langanhaltende Dürreperiode gab dem Land den Rest. Der Boden trocknete aus und verwandelte sich in Staub, den Stürme oft über hunderte von Kilometern trugen. Hunderttausende Menschen verließen ihr Land, das nichts mehr hergab. Andere wurden vertrieben, wenn die Banken ihnen ihr Land wegen nichtgezahlter Krediteraten wegnahmen. Insgesamt wurden mehr als 500000 Menschen, hauptsächlich aus Texas und Oklahoma, obdachlos. Viele dieser mittellosen Familien packten ihre Habseligkeiten zusammen und zogen nach Westen in der Hoffnung, Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Anstatt das verheißene Land ihrer Träume zu finden, stellten sie fest, dass sie nicht gebraucht wurden.

Der „Dust Bowl Exodus“ wurde innerhalb kurzer Zeit zur größten Wanderbewegung in der US-amerikanischen Geschichte. Bis 1940 zogen 2,5 Millionen Menschen aus den Staaten des Mittleren Westens vor allem an die Westküste, viele nach Kalifornien. Obwohl diese Flüchtlinge aus einer Reihe von Staaten kamen, haben die Kalifornier sie oft als „Okies“ oder „Arkies“ zusammengefasst, was zu abfälligen Scherzen und zum Brennpunkt politischer Kampagnen wurde, in denen sie zum Sündenbock für eine zerrüttete Wirtschaft gemacht wurden. Ihnen wurden viele Verbrechen sowie Unverschämtheit, mangelnder Ehrgeiz, Überfüllung der Schulen und Diebstahl von Arbeitsplätzen vorgeworfen.

Für die meisten derjenigen, die nach Kalifornien auswanderten, verbesserten sich die wirtschaftlichen Bedingungen also nicht und willkommen waren sie auch nicht. Wenn sie es schafften, besaßen sie kein Land und waren gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, wenn sie einen Job finden konnten –  meist auf großen, indus­triell geführten Farmen. Migranten, die eine Beschäftigung fanden, stellten bald fest, dass dieser Überschuss an Arbeitskräften zu einer erheblichen Senkung der Löhne führte, und selbst wenn die gesamte Familie arbeitete, waren sie nicht in der Lage, sich selbst zu ernähren. Trotz Unterstützung der Bundesregierung befürchteten die Kalifornier einen Mehraufwand für Sozialhilfe und öffentliche Bildung.

Die Stadtverwaltung von Los Angeles erklärte den Armutsmigranten den Krieg, indem sie im Februar 1936 die sogenannte „Bum Blockade“ einführte. Angewendet wurde ein 1933 verabschiedetes kalifornisches Gesetz gegen bedürftige Personen, das es zu einem Verbrechen machte, ebendiese in den Staat zu bringen. Jeder Beamte hatte die Befugnis zur Durchsetzung des Staatsrechts.

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( FSA / Dorothea Lange / public domain)

„Der Sozialismus wird dem Farmer,

der sein Land besitzt und bearbeitet,

nichts antun. Im Gegenteil wird er diesen

Besitz sogar noch sicherer machen,

als er unter dem Kapitalismus sein kann,

denn er kann ihn nicht durch Verschuldung,

Missernten oder Erkrankung verlieren.“

Sledge Hammer,

1912 gegründete sozialistische Zeitung in Okemah, Oklahoma

Angesichts der prekären Situation der ländlichen Bevölkerung gründete die Regierung auch für diese die „Farm Security Administration“.Zunächst wurde mit dem Aufkauf von unwirtschaftlich gewordenen Landwirtschaftsbetrieben begonnen. Diese sollten zu größeren Einheiten zusammengefasst werden, in denen Gruppen von Farmern unter Anleitung von Regierungsmitarbeitern zusammenleben und den gemeinsamen Landbesitz bearbeiten sollten. Ihnen war der Landerwerb nicht gestattet, aus Angst, dass sie wieder in ihre uneffizienten Arbeitsweisen verfielen, wenn sie nicht angeleitet würden. Rechte Politiker denunzierten diese Versuche als „kommunistisch“ und warfen Präsident Roosevelt vor, dem sowjetischen Vorbild zu folgen. Großgrundbesitzer beklagten „unentschuldbare Vergeudung, Verschwendung und Inkompetenz sowie den Missbrauch von Unterstützungsfonds für das Streben nach sozialistischen Zielen, schädlich für den amerikanischen Weg der Landwirtschaft“. Um diesen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde das Programm gestoppt und nach einer Alternative gesucht. Die „Farm Security Administration“ sollte nun Farmpächtern mit Krediten zu eigenem Boden verhelfen. Ziel war es außerdem, die Bewirtschaftung der Farmen effizienter zu machen. Deshalb wurden die Anleihen zum Kauf von neuen Maschinen, Lastwagen, Vieh oder zur Rückzahlung alter Schulden verwendet.

„Wenn man aus der Dust Bowl kam, erschienen diese

bunten Farben und die reichen Düfte überall fast

zu schön um wahr zu sein. Meine Augen hatten

sich an den schäbigen Anblick von Oklahoma gewöhnt,

aber hier, mit diesem Bild von fruchtbarem, reichem,

feuchtem, süßem Boden, der wie der Tau eines Dschungels

roch, lernte ich, einen anderen, grüneren Teil des Lebens zu lieben.“

Woody Guthrie

Um diese staatlichen Hilfsmaßnahmen einer breiten Bevölkerung im ganzen Land bekannt zu machen und auch um für Verständnis und Unterstützung zu werben, wurde eine PR-Abteilung in Leben gerufen. Zwischen 1935 und 1944 waren Fotografen und Autoren engagiert, um über die Notlage der armen Farmer zu berichten. Diese Abteilung der FSA war verantwortlich für die Bereitstellung von Aufklärungsschriften und Pressematerial für die Öffentlichkeit. Der Leiter dieses Fotoprogramms, Roy Stryker, schrieb seinen Fotografen nicht vor, wie sie zu arbeiten hatten, allerdings verlangte er, dass sie „die Leute mit dem Land in Beziehung setzten und umgekehrt“. Mehr als zwanzig Fotografen zogen über Land und dokumentierten im Laufe der Zeit mit über 250000 Bildern die ländliche Armut. Es entstand ein einzigartiger Fundus an Bildern über ein Jahrzehnt amerikanischen Lebens.

Mit Beginn des Weltkrieges gab es Millionen von unbesetzten Fabrikarbeiterstellen in den Städten, so dass es keine Notwendigkeit mehr für die Existenz der FSA gab.

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"Die dürren Jahre", UZ vom 25. Oktober 2019



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