Die Hyänen knurren, und die Schafe blöken die zweite Stimme: Angesichts der Dauer der Verhandlungen zwischen den „Institutionen“, vormals „Troika“, und der griechischen Regierung muss die endlose Geschichte von der angeblich chaotischen Syriza-Regierung und einer „allerletzten“ Chance für Griechenland immer wieder neu in die Köpfe gehämmert werden. In Endlosschleife: Die griechische Regierung pfuscht, ist zu keinen Kompromissen bereit, will „100 Prozent“ haben, wie Merkel es Anfang der Woche ausdrückte. Mit Journalisten wie dem willfährigen EU-Chauvinisten Rolf-Dieter Krause, ARD-Korrespondent in Brüssel, finden sich überdrehte Clowns, die „ehrliche Empörung“ vermitteln sollen: Zum Teufel gehöre die griechische Regierung gejagt, gibt er die Putschanweisung gegen die nach den Regeln der bürgerlichen Demokratie gewählte Syriza-Anel-Koalition über die öffentlich-rechtliche ARD.
Griechenland ist seit 2010 bankrott, was seither von den „Institutionen“ unternommen wurde, nennt das bürgerliche Recht Insolvenzverschleppung. Die Insolvenz ist nicht zuletzt zustande gekommen durch die aufgeblähten Rüstungsausgaben, getätigt durch frühere Pasok und Nea-Dimokratia-Regierungen, an denen sich nach Abzug der Schmiergeldzahlungen deutsche und französische Waffendealer krumm verdienten.
Dass die griechische Regierung ein Haufen linker Spinner ist, erscheint noch als die plausible Variante dessen, was an Erklärungsversuchen geboten wird, warum es zu keiner Einigung kommt. Aber wir sollten uns lieber dem Argument Merkels widmen, die von Syriza geführte Regierung sei zu keinem Kompromiss bereit gewesen, das eigene Angebot sei äußert großzügig gewesen. Einige Beispiele für die „Großzügigkeit“: sie äußert sich im kategorischen Beharren auf Erhöhung der Mehrwertsteuer, Einsparungen bei Renten und im öffentlichen Dienst, weiteren Privatisierungen und Liberalisierungen, Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für Rentner. Abgelehnt wird von den „Institutionen“ die Einführung einer sozialen Mindestsicherung und eine einmalige Ertragssteuer auf Unternehmensgewinne über 500 000 Euro.
Ein Kompromiss stand von Seiten der Troika-Institutionen nie zur Debatte. Es ist die Bundesregierung, die vorgibt, dass die Schlinge um den Hals der griechischen Bevölkerung noch weiter zugezogen werden soll. Mit ihren „äußerst großzügigen“ Angeboten ruiniert die deutsch dominierte EU seit Jahren kleinere Ökonomien zum Vorteil der größeren. Für Merkel & Co. gibt es keinen Grund davon abzurücken. Dass der IWF die eigenen Maßnahmen für Griechenland inzwischen für falsch hält, spielt keine Rolle, weil die Maßnahmen die griechische Jugend und die Rentner treffen, die Arbeiter und Angestellten, die kleinen Gewerbetreibenden und die Bauern, nicht aber das deutsche Kapital. Auch wenn klar ist, dass Griechenland nicht mehr weiter auszupressen und die Wut auf die griechische Regierung eine Wut über den verlorenen letzten Groschen ist.
Spielräume für einen Kompromiss mit dem Kapital – Kernkompetenz der Sozialdemokratie – gibt es nicht mehr. Am Verhandlungstisch ist nichts mehr zu holen, das merken in Deutschland u. a. die Kolleginnen und Kollegen, die sich in Tarifauseinandersetzungen befinden. Arbeit„geber“ fühlen sich nicht mehr genötigt, mit Angeboten in die Tarifauseinandersetzung zu gehen, selbst Schlichtungsverfahren laufen ins Leere, Streikbruch ist ihnen lieber und teurer als Sozialpartnertschaft, für Billiglöhne wird auch Vertragsbruch in Kauf genommen.
Und das ist das Kreuz mit dem Referendum, das die Tsipras-Regierung anberaumt hat und als Akt des Widerstands gegen die Forderungen von EU, Zentralbank und IWF darstellt. Ein Manöver, das den griechischen Wählern vermitteln soll, die Linkspartei Syriza und die Rechten von Anel verteidigten deren Lebensinteressen gegen die Sturmtruppen des Neoliberalismus. Alexis Tsipras scheint ehrlich zu glauben, nach einem möglichen Wähler-“Nein“ am Sonntag gestärkt um ein paar kümmerliche Brosamen für das zur Verelendung verurteilte griechische Volk kämpfen zu können. Die Aussicht auf Umschuldung ist die Karotte, die dem Esel vor die Nase gehalten wird, damit er weitertrottet. Viele Wählerinnen und Wähler werden dieser Logik folgen aus Furcht vor dem Unbekannten, das hinter der Alternative lauert. Diese Alternative kann nur lauten: Bruch mit EU und Nato als Ausbruch aus dem Diktat der Marktorthodoxie. Aber: „Ein Ausstieg aus der Euro-Zone war für die griechische Regierung nie eine Option und ist auch jetzt keine“, sagte Jorgos Chondros, Mitglied des Zentralkomitees von Syriza, am Montag im ARD-Morgenmagazin.
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