27 Genossinnen und Genossen haben in der DKP ein umfangreiches Diskussionspapier zum China-Antrag des Parteivorstands an der 25.Parteitag verbreitet. Wir veröffentlichen dieses Papier unter unsere-zeit.de/china-debatte gemeinsam mit dieser Erwiderung des Sekretariates des Parteivorstandes.
Wir veröffentlichen das Papier, weil es wichtige Argumente für die Diskussion in unserer Partei enthält, weisen aber gleichzeitig die darin enthaltenen Unterstellungen zurück. Die Arbeit und Position der Parteiführung werden falsch dargestellt beziehungsweise interpretiert. Damit ist das Papier geeignet, Verunsicherung in die Partei und ihr Umfeld zu tragen.
In der Partei ist der Antrag des Parteivorstandes bereits Gegenstand vieler Versammlungen auf Gruppen- und Landesebene in Vorbereitung des Parteitages gewesen. Dort wurde zum Teil kontrovers, aber in der Regel konstruktiv über den Antrag diskutiert. Wir fragen die Autorinnen und Autoren des Papieres, warum sie auf diesen Versammlungen nicht über ihr Vorhaben informiert haben?
Wir stellen zu dem Diskussionspapier Folgendes fest:
- Der Parteivorstand bricht mit dem China-Antrag nicht mit den Sozialismusvorstellungen der DKP und hält am Marxismus-Leninismus fest. Richtig ist, dass wir in dem Dokument den Schwerpunkt auf die politische Herrschaft der Arbeiterklasse und die ökonomische Hauptaufgabe setzten. Das Dokument hat keinesfalls den Anspruch und die Aufgabe eine allgemeingültige Sozialismuskonzeption zu entwickeln. Es setzt sich mit dem Aufbau des Sozialismus in der VR China auseinander. Dabei wissen wir, dass die Wege beim Aufbau des Sozialismus entsprechend der konkreten historischen Situation unterschiedlich verlaufen.
- Weder distanziert sich der Parteivorstand durch den Antrag vom sozialistischen Aufbau seit 1949 in China noch von den Erfahrungen in der Sowjetunion und den anderen Ländern, die Versuche unternommen haben, die neue Gesellschaft aufzubauen. Für eine solche Distanzierung werden die Autoren keinerlei Belege finden. Richtig ist, dass der Schwerpunkt des Antrags auf der Entwicklung Chinas in den letzten Jahrzehnten liegt.
- Es ist falsch, dass der Parteivorstand keine Debatte zum Thema organisiert hat. Richtig ist, dass er mit der Durchführung der Debatte nicht zufrieden war.
Klarstellung zur China-Debatte in der DKP
Der Antrag des Parteivorstandes ist nicht um luftleeren Raum entstanden. Er ist das Zwischenergebnis eines laufenden Diskussionsprozesses. Mit Fragen rund um das Thema China, der Entwicklung der Volksrepublik und den Veränderungen des internationalen Kräfteverhältnisses beschäftigen sich unsere Partei, ihre Gliederungen und Publikationen seit vielen Jahren. Die Erkenntnisse daraus sind in strategische Dokumente der letzten Parteitage eingeflossen.
- Im November 2019 war China ein Hauptthema der Konferenz zu internationalen Fragen in Frankfurt am Main zu der bundesweit eingeladen wurde.
- Im Februar 2020 hat der 23. Parteitag daran anknüpfend beschlossen, die „begonnene Debatte in der Partei um die Volksrepublik China, ihre Errungenschaften, aber auch die Problematiken des von ihr eingeschlagenen Weges fortzuführen und zu organisieren.“1
Auf seiner konstituierenden Sitzung am 20/21. Juni 2020 hat der Parteivorstand erste Maßnahmen zur Umsetzung beschlossen. Bewusst wurde auf Expertenrunden und theoretische Konferenzen verzichtet. Im Fokus waren die einzelnen Mitglieder und die Gruppen der Partei:
„In einem ersten Schritt werden (unter Einbeziehung der SDAJ) Fragestellungen gesammelt. Diese bilden den Themenspeicher.
Hintergrundinformationen, Dokumentationen und Statements in der UZ und im Blog, Seminar in der KL-Schule, sollen das Thema differenziert ausrollen.
Eine Veranstaltung mit chinesischen Genossinnen und Genossen ist angestrebt.
Der Diskussionsprozess wird über das ganze Jahr bis hinein in 2021 laufen.“
Die Online-Rubrik „Nachdenken über China“, Hintergrundartikel in der UZ und online, für Gruppenabende aufbereitete Bildungseinheiten in der UZ, Literaturhinweise und – besprechungen, Veranstaltungen von Gliederungen der Partei wie auch das Themenheft „Wege des Sozialismus“ der Marxistischen Blätter sind im Kontext der Umsetzung dieses Beschlusses zu sehen.
Erschwert wurde das „Ausrollen“ der beschlossenen Planungen durch die Corona-Pandemie. Angedachte Veranstaltungen mit chinesischen Genossinnen und Genossen konnten nicht stattfinden, Zusammenkünfte der Gruppen waren kaum noch möglich. Da wo es ging wurden Online-Formate genutzt.
Rückmeldungen und Auswertung von Diskussionen machten deutlich: Es besteht ein hoher Bedarf an marxistischem Grundlagenwissen und historischen Fakten. Werkzeuge, ohne die eine allseitige Analyse, die möglichst viele Mitglieder und nicht nur Experten einbezieht, nicht möglich ist.
Der Beschluss der 4. PV-Tagung im Januar 2021 fokussierte daher den weiteren Verlauf der Diskussion.
„In einer ersten Phase, beginnend mit dieser 6. PV-Tagung werden wir uns mit dem Referat „Probleme des sozialistischen Aufbaus“ (Arbeitstitel) befassen. Dazu wird das Referat durch eine Bildungszeitung unterstützt. Diese Diskussion soll bis Anfang 2022 laufen.“2
Die 6. PV-Tagung am 19./20. Juni 2021 beschloss konkrete Maßnahmen, die diesen Beschluss bis zum Frühjahr 2022 umsetzen sollten.3
Statt eines traditionellen Bildungsheftes entwickelte die Bildungskommission vier „Notizblöcke“4 als Begleitmaterial. Erläutert wurde dies in einem Schreiben, dass an alle Mitglieder der Partei ging:5
„Das soll helfen, die Bearbeitung der angesprochenen Aspekte gegliedert und ohne externe Referenten durchführen zu können. Es sind im besten Wortsinn „Notizblöcke“:
- Sie fassen kurz und knapp zusammen, worum es im Referat jeweils geht
- Sie erläutern Fachbegriffe und komplexe Zusammenhänge
- Sie regen zum Gespräch über wichtige Aspekte an“
Die Umsetzung blieb weiterhin behindert durch die Corona-Pandemie und den Kampf gegen das seit Juli 2021 drohende kalte Parteienverbot. Der „Ukraine-Krieg“ war seit Anfang 2022 das alles überschattende Thema.
Dennoch konnten viele der beschlossenen Maßnahmen umgesetzt werden. Vertiefte Erkenntnisse konnten gewonnen, unterschiedliche Sichtweisen und Kontroversen angesprochen werden. Das zeigen Rückmeldungen aus Gruppen, in denen das Referat und die „Notizblöcke“ behandelt wurden.
Inzwischen ist die Debatte in der UZ zum China-Antrag angelaufen. Die Fragestellungen dazu wurden mit Olaf Matthes, Jan Meier und Lucas Zeise, drei Autoren des danach verbreiteten Diskussionspapiers der 27, abgestimmt.
Klarstellung zum Sozialismusverständnis im Antrag
Im Diskussionspapier wird dem Parteivorstand vorgeworfen, ein neues Sozialismusverständnis einzuführen und mit der bisherigen Programmatik der DKP zu brechen. Dem Parteivorstand wird vorgeworfen, das quasi durch die Hintertür gemacht zu haben, weil er es der Partei nicht erklärt und deutlich gemacht habe. Dieser Vorwurf wird nicht nur gegenüber dem Antrag, sondern auch gegenüber dem Referat der 6. PV-Tagung „Probleme beim Aufbau des Sozialismus…“ geäußert. Richtig ist:
- Patrik bezog sich im Referat unter anderem auf das Manifest: „Wir sahen schon oben, dass der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist. Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.“ In seinem Referat beschäftigte sich Patrik mit den theoretischen Weiterentwicklungen bei der konkreten Lösung dieses Problems.
Zentrale Erkenntnisse dabei sind der Erhalt der politischen Macht der Arbeiterklasse und die unbedingte Notwendigkeit, die Lücke in der Produktivkraftentwicklung zu den entwickelten kapitalistischen Ländern zu schließen. Dazu wurden in der Geschichte unterschiedliche Ansätze gewählt. Sie wurden überprüft und verändert. Ökonomische Fehlentscheidungen haben sich negativ auf die Lebenssituation der Massen ausgewirkt und im Prozess der Konterrevolution in Europa die Massen und die Kommunistischen Parteien voneinander entfernt, also letzten Endes die Herrschaft der Arbeiterklasse untergraben. Dieser Prozess des Suchens hat in der Sowjetunion über 70 Jahre gedauert. Er erweist sich damit deutlich langwieriger als es die Klassiker vermutet haben. Das spricht dafür dass der Sozialismus als Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus Generationen bedarf und damit ein relativ eigenständiger Kampfabschnitt ist. - Als „neue“ Erkenntnisse für den Aufbau des Sozialismus halten wir also, im Referat und im Antrag fest: Es braucht die Herrschaft der Klasse um nach und nach den Kapitalisten alles zu entreißen. Dieser Prozess ist langwierig, voller Widersprüche und möglicherweise mit Rückschritten verbunden. Der internationale Klassenkampf, die ständige Bedrohung durch den Imperialismus ist ebenso zu beachten sowie der Lebensstandard der Massen, weil hier Einfallstore für die Konterrevolution liegen.
- Im Antrag geht es nicht darum, planwirtschaftliche Ansätze zu bewerten. Hier konstruieren die Autoren Zusammenhänge in dem sie Satzteile willkürlich verbinden. Ihre Auslegung des Antrags nutzen sie dann, um dem Antrag und damit den Antragstellern Geschichtsverdrehung zu unterstellen. Die Autoren ignorieren dabei die Berichterstattung in der UZ zur geschichtlichen Entwicklung der VR China. Für die Unterstellung, dass sich die DKP mit diesem Antrag von planwirtschaftlichen Ansätzen distanziert, gibt es keine Belege. Es gibt diese Distanzierung nicht.
Klarstellung zu unserem Verhältnis zu Schwesterparteien, wie der KP Chinas
Wir sind mit der KP Chinas gemeinsam mit vielen anderen kommunistischen und Arbeiterparteien im Solidnet und bei den Internationalen Meetings der kommunistischen und Arbeiterparteien. Sie sind unsere Schwesterparteien. Dabei gibt es manchmal und mit manchen der Parteien Unterschiede in der Sicht auf weltweite, regionale Entwicklungen, auf die Analyse des Imperialismus, auf eine revolutionäre Strategie heute. Diese diskutieren wir mit unseren Schwesterparteien im bilateralen Austausch. Wir verzichten bewusst auf das öffentliche Zuweisen von Etiketten. Wir verteilen keine Schulnoten, wir respektieren und anerkennen die Verantwortung aller Schwesterparteien für die Entwicklung des Kampfes in den jeweiligen Ländern, ihres nationalen Wirkens. Wir sehen die DKP nicht als Schiedsrichter zur Beurteilung unserer Schwesterparteien. Deshalb sehen wir unsere Aufgabe darin mit der KP Chinas, wie mit all unseren Schwesterparteien den Dialog zu führen und Erfahrungen und Einschätzungen auszutauschen.
Die Autoren des Diskussionsbeitrags formulieren: „Das chinesische Kapital ist eine politische Kraft – aber nicht in Opposition zur KPCh, sondern mit ihr verflochten.“ Sie gehen offensichtlich davon aus, dass sich das chinesische Kapital als politische Kraft formiert hat, also als Klasse für sich und verflochten ist mit der KPCh. Die Autorinnen und Autoren legen damit nahe, dass die KP Chinas auf die notwendige Autonomie der KP gegenüber dem Kapital verzichte. Wir teilen diese Auffassung nicht und argumentieren dazu auch im Antrag an den Parteitag.
Die Autorinnen und Autoren sprechen der KP Chinas damit mehr oder minder den Charakter einer kommunistischen Partei ab. Das war und ist in der gesamten Geschichte der DKP nicht die Herangehensweise an Schwesterparteien gewesen. Diese Herangehensweise werden wir nicht ändern.
Praktische Schlussfolgerungen
Es ist positiv, dass es keinen Dissens in der Frage gibt, dass wir uns der ideologischen und teilweise auch praktischen Kriegsvorbereitung des Imperialismus gegen die VR China in den Weg stellen müssen. Aber die Orientierung der Partei „gegen die antichinesische Formierung (…)“ bleibe in dem Antrag „weitestgehend im Allgemeinen“, schreiben die Autoren und sie unterstellen, der Parteivorstand wolle „China als Modell“ preisen.
Wie sich aber „antichinesische Behauptungen zurückweisen“ lassen, ohne zur gesellschaftlichen Verfasstheit Chinas Stellung zu beziehen, sagen uns die Autoren nicht. Das ist bei der Zuspitzung der Taiwan-Frage noch relativ einfach, ist doch die Ein-China-Politik ein international anerkannter Standard. Aber was ist mit den Vorwürfen, dass im Zusammenhang mit den Projekten der Neuen Seidenstraße Länder in die Schuldenfalle gelockt würden? Wäre China ein imperialistisches Land, würde es ebenfalls auf die Ausplünderung der unterdrückten Länder setzen. Das Projekt der Neuen Seidenstraße müsste dann von uns abgelehnt werden, so wie wir zu Recht Initiativen der EU oder der USA ablehnen. Auch hier müssten die Autoren Position beziehen.
Jetzt diskutieren!
Wir fordern die Autoren des Papiers auf, ihre Unterstellungen zurück zu nehmen. Der Vorwurf der Unredlichkeit an den Parteivorstand schürt Misstrauen und bringt uns der Erkenntnis der Wahrheit nicht näher.
Wir fordern die Autoren auf, sich an der Debatte in der UZ und in ihren Grundorganisationen zu beteiligen, einige haben dies ja auch schon getan. Die im Diskussionspapier aufgeworfenen Fragen, die sich tatsächlich auf die Entwicklung der VR China beziehen, sind wichtig und müssen diskutiert werden. Wir sind sicher, dass wir sie auch nach dem 23. Parteitag weiter diskutieren müssen.
Den Fragen der Niederlagenanalyse, der Geschichte des Sozialismus in der Sowjetunion, in China, der DDR und der anderen sozialistischen Staaten müssen wir uns stellen. Zusammen mit der Analyse der Entwicklung des imperialistischen Systems und der Ziele des deutschen Monopolkapitals sind das wichtige Bausteine für die Politik- und Strategieentwicklung der DKP.
Sekretariat des DKP-Parteivorstandes, 16. Dezember 2022