Ein Galeriegespräch in Berlin

Die DDR-Kunst hat nicht aufgehört

Von Arnold Schölzel

Bis Ende 2016 war die Galerie der Gesellschaft für Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) in der Berliner Weitlingstraße ein Treffpunkt für Künstler und ihr Publikum. Mit 87 Ausstellungen seit 1999 bot sie einen Raum, in dem vor allem Bildhauer, Maler und Grafiker der DDR ausstellen konnten, zu einer Zeit, da ihre Werke vernichtet, verhöhnt, ignoriert oder in den Depots der Museen weggeschlossen wurden. Nicht zuletzt aus finanziellen Gründen musste die GBM die Galerie schließen. Anlässlich des bevorstehenden 70. Jahrestages der DDR-Gründung am 7. Oktober wählte der Kunstwissenschaftler Peter Michel 32 Kunstwerke aus dem GBM-Fundus aus, darunter Werke von Marguerite Blume-Cárdenas, Rolf Biebl, Heidrun Hegewald, Ronald Paris, Thomas J. Richter, Willi Sitte und Walter Womacka, die unter dem Ausstellungsmotto „Zeitzeichen“ noch vom 5. bis zum 30. August in der Ladengalerie der Tageszeitung „junge Welt“ (jW) in der Berliner Torstraße zu sehen sind. Bis zum 4. August macht die Ladengalerie Sommerpause.

Mehr als 60 Interessenten versammelten sich dort am 11. Juli zu einem Galeriegespräch, das auf dem Podium von Martina Dost, der Vorsitzenden des Arbeitskreises Kultur der GBM, von Peter Michel und dem Initiator und Herausgeber der kurz zuvor gestarteten jW-Kunstedition Andreas Wessel bestritten wurde. Das Publikum beteiligte sich lebhaft an der Debatte, deren Thema lautete: „Es geht auch anders! Über den Umgang mit Kunst aus der DDR“. Pünktlich zur Veranstaltung war eine Vorablieferung des neuen Heftes der „Marxistischen Blätter“ (MB) mit dem Schwerpunkt „Kulturstaat DDR“ eingetroffen.

Peter Michel vertrat einleitend die auch in seinem Beitrag zu diesem MB-Heft vertretene Auffassung, nach der Bilderstürmerei gegen DDR-Kunst Anfang der 90er Jahre, der viele Werke zum Opfer fielen, ändere sich langsam das Verhalten. Als Belege nannte er unter anderem, dass es nicht gelungen sei, das Porträt Helmut Schmidts von Bernhard Heisig aus dem Kanzleramt zu entfernen und Frank-Walter Steinmeier eine Kunstausstellung mit Werken aus der DDR im Potsdamer Museum Barberini eröffnet habe. Hinzu kämen Ausstellungen in den staatlichen Galerien von Rostock, Schwerin, Halle und Dresden, wobei die in Ro­stock unter anderen von „Bild“ scharf angegriffen worden sei.

Martina Dost sah die Entwicklung „nicht ganz so optimistisch“, weil die Entwicklung von Machtverhältnissen abhänge. Sie verwies auf die Ausstellung „Point of No Return. Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst“, die am 23. Juli im Leipziger Museum der Bildenden Künste eröffnet wird: Das bisher Bekannte lasse vermuten, dass dort alte Kämpfe wiederbelebt werden. Zu dieser Ausstellung heißt es in der Ankündigung, „mit den 300 Werken aller Gattungen von 106 Künstlerinnen und Künstlern sei dies die deutschlandweit erste große Exposition zu diesem Thema, die als wichtigste Ausstellung im 30. Jubiläumsjahr der Friedlichen Revolution gelten kann“. Die Malerin Heidrun Hegewald schaltete sich aus dem Publikum heraus in die Diskussion ein und wies darauf hin, dass es sich bei Ausstellungen wie der in Potsdam um „rein zufällige Sammlungen“ handele. Anders wäre, wenn die Absicht verwirklicht werde, die X. DDR-Kunstausstellung von 1987/1988 in Dresden zu rekonstruieren. Das biete tatsächlich einen Überblick. Ähnlich argumentierte Andreas Wessel, der an die Ausstellung von Gemälden aus dem „Palast der Republik“ im Museum Barberini erinnerte: Das sei wieder möglich, aber die meisten Kommentare von Besuchern seien „blind und dumm“. Was Heidrun Hegewald zu der Bemerkung veranlasste, sie seien vor allem „ungebildet“. Es gelte, sie wieder neugierig zu machen, so wie es beim Publikum in der DDR der Fall gewesen sei. Kunst sei im übrigen immer politisch. Sie zitierte Heiner Müller: „In Zeiten des Verrats sind Landschaften schön.“

Die DDR-Kunst, fasste Wessel zusammen, hat nicht aufgehört. Der Abend in Berlin zeigte: Das Interesse an ihr wächst.

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"Die DDR-Kunst hat nicht aufgehört", UZ vom 19. Juli 2019



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