Das Protokoll wurde gewahrt. Die deutsch-imperialistische Ordnung auch. Zum Auftakt der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin empfing Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag Chinas Ministerpräsidenten Li Qiang mit militärischen Ehren. Faktisch zur gleichen Zeit stellten Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Inlandsgeheimdienstchef Thomas Haldenwang den Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz 2022 vor. Darin enthalten: Eine dringende Warnung. China sei gegenwärtig „die größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland“. Im Bericht steht verquaster Jargon wie dieser: Es gelinge China, „intrinsisch motivierte Personen in ihrem Entschluss zu bekräftigen, bereits vorhandenes Wissen nach China zu transferieren, ohne auf den Einsatz klassischer nachrichtendienstlicher Mittel und Methoden zurückgreifen zu müssen“. Die Chinesen sind heimtückisch, steht schon in der „Hunnenrede“ des Kaisers.
Entsprechend gequält begleiteten Regierungsmitglieder der Grünen die siebte gemeinsame Beratung seit 2011 und die erste in Präsenz seit 2018. Im Wahlkampf 2021 hatte die jetzige Außenministerin Annalena Baerbock noch angekündigt: „Wir brauchen eine andere China-Politik.“ Jetzt waren Baerbock, die gerade über einer deutschen „China-Strategie“ brütet, und Robert Habeck, der im Mai nach US-Vorbild die Überwachung von Investitionen in China ankündigte, bei den Beratungen, an denen 20 Minister beider Seiten teilnahmen, kaum zu sehen. Baerbock hatte aber am 14. Juni der Sammlung ihrer unsterblichen Zitate ein weiteres hinzugefügt. Sie seufzte öffentlich, dass es nötig sei, „aus dem Schwarz-Weiß-Denken ein bisschen auszubrechen, weil die Welt nun einmal so ist, wie sie ist. Sie ist megakomplex und auf manche Dinge gibt es eben keine einfachen Antworten.“ Das gelte auch für die „Zusammenarbeit mit Ländern, die unsere Werte nicht teilen und mit denen wir trotzdem zusammenarbeiten müssen und wollen.“
Am Dienstag schickten nun die Grünen Habecks Staatssekretär Michael Kellner vor, um das Schwarz-Weiß-Denken zu retten. Jedenfalls machte sich der Mann, der zur PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt seit einem Jahr vor allem Murks fabriziert hat, im ARD-Sender „RBB“ „Sorgen“ wegen „hoher Abhängigkeit in einzelnen Rohstoffen“. Aber China sei auch nicht unabhängig. Und von Erpressung versteht ein Schwager des rausgeflogenen Staatssekretärs Patrick Graichen etwas. Kellner: „Das ist natürlich auch ein Pfund, das wir in der Hand haben.“ Wenn die USA ein Embargo für die Chip-Produktion in China erlassen, dann, erwog Kellner, hänge die Volksrepublik auch von „Komponenten aus Deutschland“ ab.
Die chinesische Führung nimmt es gelassen und entwickelte ein Kontrastprogramm. Li sprach sich nach seinem Treffen mit Scholz für einen Ausbau der Beziehungen aus. Als einflussreiche Mächte sollten China und Deutschland enger zusammenarbeiten. Sein Land sei bereit, „die deutsch-chinesischen Beziehungen auf eine neue Ebene zu heben.“ Er spreche sich dafür aus, den Kampf gegen den Klimawandel in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit zu stellen. Scholz habe sich gegen jede Form der Abkopplung gewandt.
Der Präsident des deutschen Außenhandelsverbandes BGA Dirk Jandura sah das am Dienstag ähnlich: „Eine langfristige Partnerschaft liegt allein der Marktgröße und Innovationskraft wegen in unserem eigenen Interesse.“ Megakomplex erscheint das nicht.
Verfassungsschutz warnt vor gelber Gefahr – Wirtschaft warnt vor Abkopplung
Die Chinesen kommen
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