Vor 90 Jahren übergab das Monopolkapital die politische Führung an Adolf Hitler. Die KPD im antifaschistischen Abwehrkampf

Die bürgerliche Demokratie stand im Weg

Die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise löste im Großkapital und seinen politischen Abteilungen hektische Betriebsamkeit aus. Die Krise auf Kosten der Volksmassen im Rahmen der Republik zu überwinden erschien angesichts der in der Weimarer Verfassung verankerten demokratischen und sozialen Rechte schwierig. Die Republik erfreute sich ohnehin seitens des Großkapitals nur wenig an Wertschätzung – zu sehr wurde sie als Ergebnis der Novemberrevolution betrachtet. Mit dem Artikel 48, der die Möglichkeit bot, per Notverordnung zu regieren, war in die Verfassung ein Mittel zur Aushebelung der ersten bürgerlichen Demokratie auf deutschem Boden allerdings bereits eingebaut (siehe dazu Teil 2 unserer Reihe in der UZ vom 7. Oktober 2022).

Entsprechend ließ der „Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI)“ 1929 eine Studie verfassen mit dem dramatischen Titel „Aufstieg oder Niedergang?“. Der Inhalt: Die Wirtschaftskrise mache einen drastischen Sozialabbau und als „Vereinfachung“ der Verwaltung auch den Abbau von demokratischen Rechten notwendig. Da das Volk für derartige „Vernunft“ nicht gewinnbar sei, müsse eine starke Regierung den Artikel 48 in Anwendung bringen und die erforderlichen „Reformen“ umsetzen. Durchregieren – notfalls mit einem „starken Mann“ an der Spitze – war das Gebot der Stunde. Als Kandidaten für den „starken Mann“ standen Vertreter von Rechtsparteien in Hülle und Fülle zur Auswahl.

Woher kamen die Rechtskräfte?

Ein Blick zurück: Ende der 1870er Jahre versuchte das gerade imperialistisch werdende deutsche Kapital sich eine Massenbasis zu schaffen. Der von den Monopolen finanzierte „Alldeutsche Verband“ fand mit Adolf Stoecker einen Reaktionär und Antisemiten, den er als nationalen Arbeiterführer aufbauen konnte. Ziel war es, eine nationalistische, proimperialistische „Arbeiterpartei“ ins Leben zu rufen. Auf dem Gründungskongress erschienen zur Überraschung der Finanziers mehrere tausend Menschen. Sie unterbrachen den Redner lauthals, übernahmen kurzerhand die Bühne und nahmen eine Deklaration zugunsten der gerade illegalisierten Sozialdemokratie an. Die „Internationale“ singend verließen sie den Saal – die Getreuen des „Alldeutschen Verbands“ blieben allein zurück. Mit solchen organisierten, klassenbewussten Arbeitern – so wurde dem Monopolkapital schnell klar – ließ sich kein Staat machen, vor allem kein imperialistischer Krieg führen.

Mit der Entwicklung des deutschen Imperialismus und seiner historisch einzigartigen Aggressivität sammelte das Monopolkapital auch die Rechtskräfte. Häufig entstanden sie überhaupt erst aufgrund der Initiative des „Alldeutschen Verbands“ oder anderer Propaganda- und Politorganisationen des Großkapitals – mit großzügiger finanzieller Unterstützung. Diese Kräfte dienten zum einen zur Sammlung der entstehenden Arbeiteraristokratie, wie etwa der „Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband“. Diese Teile der Klasse sollten damit von der Sozialdemokratie ferngehalten werden. Zum anderen wurden Organisationen der Handlanger des Imperialismus gegründet – also vor allem für Militärangehörige und Profiteure des deutschen Kolonialismus. Eine Verankerung dieser Verbände in der Arbeiterklasse gelang dem Monopolkapital freilich nicht – zu stark waren die revolutionäre SPD, die Gewerkschaften und die Arbeitervereine. Mithilfe des Revisionismus gelang es allerdings, die Arbeiterbewegung von Innen zu zersetzen. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs liefen vor allem die Führer der SPD ins Lager des Monopolkapitals über, lähmten damit den Großteil der Arbeiterklasse und isolierten den kleinen revolutionären Teil. Auch dadurch erreichte das Unwesen nationalistischer Verbände zu dieser Zeit einen Höhepunkt.

0410 Foto2 - Die bürgerliche Demokratie stand im Weg - Antifaschismus, Faschismus, KPD, Machtübertragung - Theorie & Geschichte
Textilarbeiterinnen im Generalstreik bei der Trikotweberei Merz in Mössingen (Foto: Staatsarchiv Sigmaringen)

Aus der Kriegsniederlage und der darauf folgenden Novemberrevolution lernte das deutsche Monopolkapital – nötig waren aus seiner Sicht neben der zwar letztlich proimperialistischen, aber für Massendruck empfindlichen SPD andere Organisationsformen. Der Nationalismus als Ideologie der Spaltung der internationalen Arbeiterklasse und des Klassenkompromisses musste auch anders verbreitet werden. Eine dieser Organisationen war die „Deutsche Arbeiterpartei (DAP)“. Nachdem der Spion des Abwehrdienstes des deutschen Heeres Adolf Hitler seine Spitzeltätigkeit im Münchener Arbeiter- und Soldatenrat beendet hatte, wurde er in die DAP eingeschleust. Er trat in die Partei ein und brachte sie auf die Linie seiner Herren: eine in der Arbeiterklasse und den Volksmassen aktive, die Interessen der Monopole vertretende Partei.

Organisierte Faschisten

Auf diese und andere Kräfte orientierte das Monopolkapital in den Jahren der Weimarer Republik. Dabei gab es verschiedene faschistische Kräfte für verschiedene Aufgaben. Zu Beginn organisierte man Teile der Reichswehr und reaktionäre Teile des Kleinbürgertums sowie der Bauernschaft in Freikorps. Diese wurden überall dort eingesetzt, wo es der SPD nicht gelang, die im Zuge der Novemberrevolution gebildeten Arbeiter-und-Soldaten-Räte zu integrieren. Sie gingen 1919 mit großer Brutalität gegen den Januaraufstand der Berliner Arbeiter vor, aber auch gegen die Räterepubliken in Bayern oder Bremen. Sie dienten überdies als Interventionskräfte gegen die junge Sowjetmacht in Russland und gegen Räte- und Volksbewegungen im Baltikum und in Finnland. In den 1920er Jahren wurden sie immer wieder als Mittel der Reaktion eingesetzt – sie waren beteiligt an der Niederschlagung des Widerstands gegen das Betriebsrätegesetz im Januar 1920, am Kapp-Putsch im März desselben Jahres, der Unterdrückung des darauf folgenden Ruhraufstands und der Terrorisierung von Bauernbewegungen.

In den Zeiten zwischen den Einsätzen wurden die Freikorps auf den großen Gütern der ostelbischen Junker versteckt. Diese verfügten über bedeutende finanzielle Mittel, die von ihnen betriebene Landwirtschaft wies allerdings nur ein geringes Produktionsniveau auf – die Felder wurden zum Großteil in Handarbeit bewirtschaftet. Für die Vermehrung ihres Reichtums waren die Junker darauf angewiesen, Zugriff auf neues Land und vor allem mehr ausbeutbare Menschen zu erhalten. Sie gehörten damit zu den Kräften, die im Bündnis mit anderen Teilen der herrschenden Klasse ganz besonders auf die Kriegsziele des deutschen Imperialismus einwirkten.

Im Arsenal des deutschen Faschismus befanden sich außerdem noch Schlägertruppen für den Einsatz in der Stadt. Zum einen, um von realen Kämpfen gegen die Angriffe des Kapitals abzulenken, zum anderen zum Einsatz gegen streikende Arbeiter. Die bekannteste Formation war hier die zur Nazipartei gehörende SA. Zum Lager der Faschisten zählten überdies illegale Terrororganisationen wie etwa die „Organisation Consul“, die für die Morde an Matthias Erzberger und Walter Rathenau verantwortlich war. Die Instrumente zur Zerstörung der bürgerlich-demokratischen Republik waren somit bereits in der ersten faschistischen Welle bis 1923/24 geschaffen worden, um sie später einsetzen zu können.

Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise

Mit der Weltwirtschaftskrise und den Plänen der Monopole für den neuen Griff nach der Weltmacht brauchte es eine einheitliche Strategie, gerichtet gegen die starken demokratischen Traditionen und vor allem die Kampfkraft der Arbeiterklasse. Die verschiedenen Rechtskräfte vereinigten sich 1931 zur „Harzburger Front“. Bei weiter bestehenden Differenzen hinsichtlich der Frage, welchen jeweiligen Anteil an den Wahlkampfspenden in Millionenhöhe die verschiedenen Rechtskräfte erhalten sollten, wurde nun klar, dass die Nazipartei den Monopolen das beste Agitations- und Politikmodell anbieten konnte. Das füllte Hitlers Parteikassen.

Mehrfach legten die Führer der Nazipartei ihren Förderern ihre programmatischen Vorstellungen dar. Sie deckten sich mit den innen- und außenpolitischen Positionen der Monopole. Diese Reden wurden in der Weimarer Zeit hinter verschlossenen Türen gehalten, allerdings waren diese Türen nicht dicht. Die Presse der Arbeiterbewegung brachte seitenweise Artikel, in denen die Vorträge der Naziführer eingeordnet und die dahinterstehenden Interessen als diejenigen des Großkapitals benannt wurden. Ein Einbruch in die Arbeiterklasse, gar in die organisierte Arbeiterbewegung, gelang unter anderem deswegen den Faschisten nicht.

Mit der Regierung Brüning begann das Großkapital ab 1930 mit dem Abbau sozialer und demokratischer Rechte. Der reaktionäre Staatsumbau wurde verstärkt, Regelungen zur Integration der Arbeiterklasse wie etwa die Sozialversicherungen wurden abgebaut. In dieser Situation bestand die Aufgabe der Faschisten darin, die Wut der Volksmassen abzulenken. Vor allem aufgrund des Widerstands der Arbeiterbewegung zeigten sich schnell die Grenzen dieser Politik. Die Herbststreikwelle und die Wahlen im Juli und November 1932 spiegelten die Bedeutung der linken Kräfte, während die Faschisten große Stimmenverluste hatten. Für das Großkapital wurde damit deutlich: Innerhalb der bürgerlich-demokratischen Ordnung hatte die Arbeiterbewegung einen Schutzwall errichtet, um weitere Verschlechterungen ihrer Lebenslage abzuwehren. Besonders gefährlich schienen den Herrschenden die Erfolge der Einheitsfrontpolitik der KPD an der Basis der Arbeiterbewegung. Der Strategie, die Lasten der Krise auf die Werktätigen abzuwälzen und zur Weltmacht aufzusteigen, stand die bürgerliche Demokratie im Weg.

Hektische Aktivität

Ende 1932 sammelten Emil Kirdorf und andere Industrielle die politischen Kräfte zum gezielten Schlag gegen die Weimarer Republik. Hektische Treffen unter Beteiligung der Spitzen der Großindustrie, der Junker, der Reichswehr, anderer Teile des Staatsapparats und der Führer der Nazipartei fanden statt. Nach Auswertung der Quellen kam der Faschismusforscher Reinhard Opitz auf zwei Dutzend Treffen auf den verschiedenen Ebenen um die Jahreswende 1932/33. Diese hektische Aktivität hatte Erfolg – das Großkapital hatte ein Bündnis geschmiedet, um die bürgerliche Demokratie abzuschaffen und den Krieg vorzubereiten. Am 30. Januar 1933 ernannte der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Das erste Kabinett Hitler umfasste außer drei Nazigrößen – neben Hitler der neue Innenminister Wilhelm Frick und Hermann Göring als „Reichskommissar“ und faktischer Polizeiminister – Vertreter der „Deutschnationalen Volkspartei“ (DNVP) wie den reaktionären Zeitungszaren Alfred Hugenberg sowie den parteilosen General Werner von Blomberg als Reichswehrminister. Dieses Kabinett brachte zum Ausdruck, dass die Frage der Führung unter den Monopolgruppen zu diesem Zeitpunkt noch umkämpft war – ein Kampf, der innerhalb des Staatsapparats und der Regierung ausgefochten wurde. Bis 1935 spricht die marxistische Forschung deswegen von der Zeit der Herausbildung und Stabilisierung der faschistischen Diktatur. Dem entsprechen auf der Erscheinungsebene der Staatspolitik die Säuberung des Staatsapparats von demokratischen und anderen nicht genehmen Kräften sowie die Schaffung des umfassenden Terrorsystems mit SA, SS, Gestapo und Konzentrationslagern. Der hinter den Kulissen ausgetragene Kampf zwischen den Monopolgruppen und ihren Vertretern wird mit der „Nacht der langen Messer“ 1934, der von Hitler in Auftrag gegebenen Mordserie innerhalb des faschistischen Machtapparats, abgeschlossen.

Die demokratischen Kräfte, vor allem die Arbeiterbewegung, hatten die Aufrichtung der faschistischen Diktatur nicht verhindern können. Die Lehren aus dieser Niederlage sind bis heute von großer Bedeutung.

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"Die bürgerliche Demokratie stand im Weg", UZ vom 27. Januar 2023



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