Stichwahl in Sonneberg

Die Brandmauer ist weg

Der Wahlausgang einer Kommunalwahl hat es als Hauptbericht in die „Tagesschau“ und als Aufmacher in zahlreiche Zeitungen geschafft: Am vergangenen Sonntag setzte sich bei der Landratswahl in Sonneberg der AfD-Kandidat Robert Sesselmann mit 52,8 Prozent gegen den CDU-Bewerber durch. Die von CDU-Größen häufig und vielerorts zitierte Brandmauer „gegen rechts“ hielt nicht lange. „Wir gratulieren Robert Sesselmann zum Gewinn der Stichwahl um den Landratsposten“, postete die Junge Union Sonneberg noch am Sonntagabend und empfahl: „Jetzt gilt es, Ideologie und Wahlkampfrhetorik beiseite zu legen und in sachorientierte Politik für unseren Landkreis einzusteigen.“ Dieser Tweet ist allerdings mittlerweile gelöscht, der lokale CDU-Nachwuchs hatte sich da wohl vorschnell und zu weit aus dem Fenster gelehnt.

Die „taz“ erinnerte in ihrer Berichterstattung daran, dass die CDU bei der Bundestagswahl 2021 im gleichen Wahlbezirk „den rechten Schwurbler Hans-Georg Maaßen“ aufgestellt hatte, und kommentiert: „Die CDU gefährdet mit ihrem Larifari-Abgrenzungskurs und der Anbiederung an AfD-Positionen nicht weniger als die Demokratie und erweitert die Grenzen des Sagbaren.“

Der MDR berichtete: „Während sich die AfD erst am ‚Anfang‘ sieht, spricht man bei der Linken von einer ‚Zäsur‘, bei den Grünen von einer ‚Warnung‘ und beim Zentralrat der Juden von einem ‚Dammbruch‘.“ Thüringens Innenminister und SPD-Chef Georg Maier positionierte sich, dass weder Wahlaufrufe gegen die AfD noch deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz Menschen davon abhielten, diese Partei zu wählen. „Konkrete Sachpolitik sei das Mittel, um die AfD zu bekämpfen.“

Diese Kommunalwahl in Sonneberg war nicht durch kommunale Themen geprägt, die AfD fuhr ihren Erfolg mit bundesweiten Themen ein. Sie profitierte dabei von der realen Verunsicherung der Wähler, von ihren Ängsten und der in weiten Bereichen asozialen Politik der Bundesregierung. Das wird teilweise selbst von bürgerlichen Parteien so gesehen und in der Presse aufgegriffen. Aber entscheidende Hintergründe werden ausgeblendet.

Im Zuge der „deutschen Wiedervereinigung“ wurde eine Kolonialisierung der DDR betrieben, die das gesamte Volk betraf, in der Regel unabhängig davon, wie sie sich zum real existierem Sozialismus positioniert hatten. Die individuellen Biografien wurden wie der gesamte Staat delegitimiert, die Betriebe enteignet, von der Treuhand an westdeutsche Konzerne und Spekulanten verramscht. Deindustrialisierung war die Folge, eine stabile ökonomische und soziale Absicherung brach zusammen, Millionen fielen ins „Bergfreie“. Die hasserfüllte Verteufelung und Abwicklung der DDR war die Vorgabe der westdeutschen bürgerlichen Parteien – das Ergebnis die Demütigung eines ganzen Volkes. Und solche Demütigungen haben in der deutschen Geschichte stets zu irrationalem Wahlverhalten geführt. Bezeichnenderweise finden diese Erfahrungen und Gedankengänge linker Ostdeutscher in den Medien keinen Platz.

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"Die Brandmauer ist weg", UZ vom 30. Juni 2023



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