Dieser Tenor prägte alle Warnstreiks und Aktionen in den ostdeutschen Tarifgebieten: „Es geht nicht, dass nach fast 30 Jahren noch immer eine Arbeitszeitmauer durch das Land geht – oder wie bei BMW sogar durch einen Konzern“, so IG Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer Olivier Höbel beim Streikfest am Abend des 2. Februar 2018 in Leipzig.
Diese Mauer geht auch durch Volkswagen. Unsere Kolleginnen und Kollegen in der Fahrzeugfertigung Zwickau, in der Gläsernen Manufaktur Dresden, im Motorenwerk Chemnitz und bei Porsche in Leipzig arbeiten pro Woche drei Stunden länger als wir, ebenso wie die Beschäftigten bei BMW in Leipzig oder bei Autozulieferern in Ostdeutschland. Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger findet das gut: „Der Osten braucht diesen Wettbewerbsvorteil weiterhin. Die längere Arbeitszeit muss bleiben“, sagte er nach dem Pilot-Abschluss von Stuttgart.
Was halten die Beschäftigten von diesem „Wettbewerbsvorteil“? Die Belegschaften von Volkswagen Sachsen und wichtige Zulieferer legten am Freitag, 2. Februar 2018, bis Samstag früh die Arbeit nieder. Alle Standorte in Zwickau, Chemnitz und Dresden waren im 24-Stunden-Warnstreik. In Berlin, Brandenburg und Sachsen nahmen 30 000 Metallerinnen und Metaller aus 16 Betrieben an Ganztags-Streiks teil, nach vorherigen massiven Warnstreiks.
Im Tarifabschluss steht die Angleichung der Ost-Arbeitszeiten noch nicht. Die Metallerinnen und Metaller bleiben aber jetzt am Ball, besonders in der Automobil- und Zulieferindustrie.
Seit dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik und der Privatisierung der „Volkseigenen Betriebe“, also der Wiederherstellung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse, nutzen (west-)deutsche Banken und Konzerne den „Osten“ als Niedriglohngebiet innerhalb der eigenen Staatsgrenzen. Möglich wurde dies durch den Druck der Massenarbeitslosigkeit nach der „Abwicklung“ der ostdeutschen Industrie durch die „Treuhand“.
Die „Arbeitszeitmauer“ betrifft nicht nur die direkt Betroffenen, sondern auch uns. Längere Arbeitszeiten im Osten üben ebenso wie geringere Löhne einen ständigen Konkurrenzdruck auf unsere Arbeitszeiten, Löhne und Arbeitsbedingungen im Westen aus. Darum ist es nicht nur ein Gebot der Solidarität, sondern in unserem ureigensten Interesse, Aktionen der ostdeutschen Metallerinnen und Metaller gegen die „Arbeitszeitmauer“ nach Kräften zu unterstützen.