Obama tritt ab, die Wirtschaftsblockade gegen Kuba bleibt

Die anachronistische Blockade

Von Volker Hermsdorf

US-Präsident Barack Obama geht von Bord ohne zwei seiner wichtigsten außenpolitischen Wahlversprechen eingelöst zu haben: Wenn der 58. Amtsinhaber am 20. Januar 2017 als sein Nachfolger ins Weiße Haus einzieht, werden weder das Foltergefängnis in der von US-Militär besetzten Bucht von Guantánamo geschlossen noch die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen Kuba beendet worden sein.

Daran ändert auch die Enthaltung Washingtons bei der Abstimmung über die von Havanna eingebrachte Resolution zur Beendigung der US-Blockade in der UN-Generalversammlung vor gut zwei Wochen nichts. 191 der 193 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen hatten am 26. Oktober die sofortige und vollständige Aufgabe aller Sanktionen gefordert, nur die USA selbst und Israel enthielten sich. Doch auch über dieses – erstmals ohne Gegenstimme angenommene – Votum der Weltgemeinschaft setzt sich der US-Kongress weiterhin hinweg. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez wertete das Ergebnis folgerichtig zwar als „Erfolg“ für sein Land, wies aber darauf hin, dass die seit 55 Jahren einseitig gegen die Insel verhängte Blockade nach wie vor und im vollen Umfang in Kraft ist. Der wirtschaftliche Schaden, der dem kubanischen Volk seit Beginn der Blockade zugefügt wurde, betrage mittlerweile nicht weniger als 125 Milliarden US-Dollar, erklärte Rodríguez. Allein in den zwölf Monaten bis zum April 2016 hätten die Sanktionen direkte Schäden in Höhe von mehr als vier Milliarden Dollar verursacht. Die exterritoriale Anwendung gehe zugleich unvermindert weiter, womit Washington permanent gegen internationales Recht verstoße.

Doch die USA bestimmen selbst, an welche Gesetze sie sich halten und kommen damit bislang durch. Obwohl eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft aus dem Jahr 1996 zum Beispiel die Anwendung der US-Blockade in Europa bei Strafe untersagt, wurde sie niemals konsequent angewendet. Als Folge musste etwa die Commerzbank, nach einer ihr von den US-Behörden auferlegten Strafe in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar, im März 2016 ihre Geschäftsbeziehungen zu Kuba einstellen. Im August 2016 konnten Zahlungen für die von kubanischen Ärzten in Algerien erbrachten Leistungen nicht ausgeführt werden, weil die Korrespondenzbanken der Commerzbank und der belgischen KBC-Bank sich weigerten, den von der Algerischen Bank angewiesenen Betrag von 12,5 Millionen Euro zu transferieren. Auch die europäische Filiale des Online-Bezahldienstes PayPal mit Sitz in Luxemburg hat wiederholt Zahlungen von Kunden in Deutschland abgelehnt, wenn in der Zeile Verwendungszweck das Wort „Kuba“ auftauchte.

Die unverminderte Fortsetzung der Blockade entspricht der unter Obama eingeleiteten neuen Doppelstrategie Washingtons gegenüber der sozialistischen Insel. Danach werden einerseits gezielt einige der Sanktionen aufgehoben, die die Interessen der US-Wirtschaft auf der Insel einschränken, während Washington andererseits die Möglichkeit behält, Kubas Aktivitäten am Weltmarkt weiterhin kontrollieren und behindern zu können. Mit dieser Politik schaden die USA jedoch nicht nur Kuba, sondern brüskieren auch zunehmend die Weltgemeinschaft. So bezeichnete China die Blockade in der UN-Generalversammlung als „anachronistisch“ und verlangte, dass auch Washington das internationale Recht sowie die Regeln und Prinzipien der Vereinten Nationen befolgen müsse. Der Vertreter Russlands stimmte zu und sagte, die Welt könne das Verhalten Washingtons nicht tolerieren. Deshalb fordere sein Land eine Reform der Vereinten Nationen. „Wir brauchen eine internationale Ordnung, die in der Lage ist, die Respektierung der UN-Charta durch alle Nationen einschließlich der USA zu garantieren“, erklärte Moskaus UN-Botschafter.

Für die weltweite Solidaritätsbewegung dürfte der Einsatz für die Beseitigung der US-Blockade zur größten Herausforderung im Jahr 2017 werden. Havannas Außenminister Rodríguez versicherte dazu, dass Kuba sich weiterhin gegen alle Angriffe verteidigen werde und durch nichts von seinem sozialistischen Kurs abbringen lasse: „Niemals“, sagte Rodríguez in der UN-Generalversammlung, „werden wir zum Kapitalismus zurückkehren!“

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"Die anachronistische Blockade", UZ vom 11. November 2016



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