Seit 171 Jahren ist Neukaledonien eine Kolonie Frankreichs. Die „Segnungen“ der Kolonialherren der selbsternannten „Grande Nation“ sind schnell zusammengefasst: Die Analphabetenquote liegt bei knapp einem Drittel der Bevölkerung. Das Leben ist ein Drittel teurer als in Frankreich, Lebensmittel gar 73 Prozent. Mindestlohn und Durchschnittseinkommen liegen 20 Prozent niedriger als im Mutterland. Nicht einmal für Sozialleistungen gelten dieselben Regeln wie in Paris. Dazu kommt rassistische Diskriminierung: In manchen Bars und Restaurants in Nouméa sind Kanaken, die Ureinwohner Neukaledoniens, nicht erwünscht. Ihr Land ist weniger fruchtbar als das der französischen Siedler, ihre Jobs prekärer.
Ganz anders geht es den Kolonialbeamten, die hierhin entsendet werden. Sie werden mit Posten, Dienstwagen und bezahlten Reisen ins Mutterland geworben und verdienen das 1,73- bis 1,94-fache von dem, was sie etwa an der Côte d’Azur überwiesen bekämen.
In Westafrika schwimmen dem französischen Neokolonialismus gerade die Felle davon. Im Pazifik regiert der französische Kolonialismus mit eiserner Hand. Dabei greift er zu einem Instrumentarium kolonialer Herrschaftstechniken, das er seit 1268 sorgsam ausgebaut hat, seit Malta erstmals kurzzeitig französisch war.
Nach 35 Jahren Frieden in Neukaledonien ist dort wieder ein Aufstand gegen die Kolonialherrschaft im Gange. Ausgelöst hat den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seiner einseitig deklarierten Wahlrechtsreform, die den Einfluss der Kanaken weiter zurückdrängen soll. Auf Debatten mit Vertretern der Ureinwohner verzichtete Macron völlig. Den Aufstand möchte er mittels Ausnahmezustand, Militär und Polizei niederschlagen.
Das ist die alte Kolonialordnung, der faulende Imperialismus, die sich noch einmal aufbäumen. Nunméa liegt 16.740 Kilometer Luftlinie entfernt von Paris. Nach Peking ist es nur halb so weit. Ein unabhängiges Neukaledonien – Kanaky soll es heißen – könnte seine reichen Ressourcen zu besseren Konditionen an China oder Indien verkaufen.
Genau das kann Frankreichs Bourgeoisie nicht zulassen. In Paris möchte man relevante Seemacht im Südpazifik bleiben und dieser Status stützt sich auf die Militärbasen in Neukaledonien und Französisch-Polynesien. Deren Bedeutung nimmt zu mit jedem Schritt der Kriegsvorbereitung gegen China. Dafür bezahlen die Kanaken. Sie können in Algerien oder Vietnam erfragen, wie weit man mit revolutionärer Geduld und Durchhaltevermögen kommt.