In den Jahren nach dem Brexit-Votum trommelten deutsche Politik und Medien so massiv wie verzweifelt gegen die Möglichkeit eines Lebens nach der EU. Nach dem Abgang von Theresa May wurde deren Nachfolger Boris Johnson zur bevorzugten Zielscheibe. Die deutsche Journaille hatte einerseits nach 1990 eine gewisse Übung darin erworben, einige dem „Westen“ missliebige Regierungschefs mit Massenmördern gleichzusetzen und dabei – man nennt so etwas eine „Win-win-Situation“ – gleichzeitig die eigene Geschichte zu relativieren. In den deutschen Medien von „FAZ“ bis „taz“ waren es mal Milosevic, mal Gaddafi, mal Saddam Hussein, mal Kim, die den Hitler geben durften. Die Dimension des deutschen Vernichtungskrieges sollte auf diese Weise – über die Bande gespielt – tatsächlich ein wenig abgeschwächt werden. Die Botschaft lautete: Mord und Totschlag gibt es ja letztlich überall, da sind wir keineswegs allein.
Für den Premier eines NATO-Landes mussten sie sich jedoch etwas anderes einfallen lassen. Wie also Johnson effektiv beleidigen? Irgendjemand hatte dann den scheinbar genialen Einfall, ihn Donald Trump als „Bruder im Geiste“ an die Seite zu stellen. In den Redaktionsstuben prostete man sich zu und schaukelte sich gegenseitig auf, weil es aus Berlin keine Abmahnung gab, sondern Zustimmung. Johnson zu beleidigen war so einfach wie auf Trump einzudreschen und wie Hitler zu relativieren.
Nun verbindet Boris Johnson und Donald Trump allenfalls ihre Frisur; inhaltlich ist der Oxford-Absolvent Johnson überhaupt nicht mit dem volksverhetzenden Milliardär gleichzusetzen. Wer aber den Brexit an sich schon als „Populismus“ oder „Lügenkampagne“ bezeichnet, bevor sich überhaupt mit den Gründen für einen eigenen Zugriff auf industrielle Standortentscheidungen befasst wird, verstellt sich den Blick – und hat Jahre später das Problem, einen Neuanfang zu machen, ohne selbst peinlich zu wirken. Deutschlands Herrschende reichen Britannien nämlich derzeit die Hand, indem sie die scheidende Angela Merkel auf Abschiedstour nach Buckingham und Windsor schickten. Ein „Freundschaftsvertrag oder Kooperationsvertrag“ solle bald vereinbart werden. Das macht einen Unterschied. Zwischen Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln gibt es vor einer Saison ja auch keine Freundschafts-, sondern bestenfalls Vorbereitungsspiele. Beide Seiten wissen, warum.