„Riester“ ist selbst für Befürworter gescheitert

DGB für höhere Renten

Von Volker Metzroth

„Rente muss reichen“, heißt es aktuell beim DGB. Er will vor der Bundestagswahl Druck aufbauen: Stoppt die Senkung des Rentenniveaus und hebt es wieder an! Seit nicht mehr das Brutto weiterhin Bemessungsgrundlage der Beiträge, sondern der Nettolohn zur Berechnungsgröße der Renten wurde, sank deren Niveau weit unter die früheren 60 Prozent. Mit der Riester-“Reform“, der Teilprivatisierung der Rente, sank es auf aktuell rund 48 Prozent. Die durchschnittliche Rentenhöhe lag 2014 bei den männlichen Rentenzugängen im Westen bei 980 Euro (Frauen 562) und bei denen im Osten bei 952 Euro (Frauen 814). Wo der Durchschnitt schon mager ist, langt es im unteren Drittel nicht mal für die Existenzsicherung, wenn die gesetzliche Rente das einzige nennenswerte Einkommen ist. Wie Frau Nahles laut der Mainzer Allgemeinen vom 29. September auf aktuell 2 543 Euro verfügbares Einkommen bei heutigen Rentnerhaushalten, 1 614 bei alleinstehenden Rentnern bzw. 1 420 bei Rentnerinnen kommt, ist nicht nachvollziehbar. Ein Dementi wurde nicht bekannt. Sollten da auch jene dabei sein, die nicht von Rente, sondern von Rendite leben?

Insgesamt beziehen 20,8 Mio. Menschen Rente, 53,3 Mio. sind versichert. 17,7 Mio. haben eine betriebliche Altersversorgung, 16,5 Mio. Riesterverträge. Wenn man jetzt im Arbeitsministerium feststellt, dass bis 2045 das Rentenniveau auf 41,6 Prozent sinken werde, überrascht das nicht. Die Agendapolitik schuf einen Niedriglohnsektor, Beschäftigungsverhältnisse ohne Rentenversicherungspflicht, Scheinselbstständige wie Ich-AG usw. und erhöhte damit den Druck auf alle Löhne, deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt auf historische Tiefststände sank. 2015 betrug er wieder 68 Prozent, 1974 knapp 75 Prozent. Hier wird deutlich, dass alles, was die Kampfkraft der Gewerkschaften schwächt, sich rentensenkend auswirkt. Von Kohls „Reform“ des damaligen § 116 AFG über Schröders Tariföffnungsklauseln (wenn das die Tarifvertragsparteien nicht selbst regeln, machen wir das per Gesetz) bis hin zu Nahles‘ Tarifeinheitsgesetz. Wer in den Medien anlässlich gewerkschaftlicher Kämpfe für mehr Lohn Zeter und Mordio schreit, trägt auch zur Rentenmisere bei; denn die Höhe der Löhne über die Jahre entscheidet, von was es z. B. 48 oder 41,6 Prozent gibt.Nicht jeder, der klagt, hat progressive Lösungen im Sinn. Die Finanzwirtschaft und deren Sachwalter in Politik und Medien drängen auf mehr „private Vorsorge“ und eine kapitalgedeckte Altersvorsorge. Sie fabulieren von der „überlebten“ gesetzlichen Rentenversicherung, aus der die heute jungen Beitragszahler nichts mehr bekämen. Zugleich sollen die Alten auf Kosten der Jungen leben. Dabei ist die gesetzliche Rentenversicherung seit über 130 Jahren grundsätzlich stabil, während u. a. „Riester“ selbst für Befürworter gescheitert ist. Es geht den Banken und Versicherungen um jene 270 Mrd. Einnahmen (2015) der gesetzlichen Rentenversicherung, die privater Profitmacherei entzogen sind. Auch deshalb sollten sich die Gewerkschaften auf keine „Lösungen“ einlassen, die nicht vorrangig die gesetzliche Rentenversicherung stärken. Wer jetzt über Förderung von Betriebsrenten oder „privater Vorsorge“ nachdenkt, muss mal darlegen, weshalb da Beitrags- und staatliche Gelder besser als bei der Gesetzlichen aufgehoben wären.

Ziel der Rentenpolitik seit Jahrzehnten war es, die Beiträge, vor allem den Arbeitgeberanteil, stabil zu halten oder zu senken. Da der in den Bilanzen unter Lohnkosten zu finden ist, wird klar, dass es im Kern um einen partiellen Lohnstopp bzw. um eine Lohnsenkung ging. Dem dient auch die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Die Bundesbank fordert schon 69 und die Junge Union im Einklang mit Frau Petry von der AfD gar 70 Jahre. Kaum ein Dachdecker oder eine Krankenschwester werden das durchhalten. Sie werden früher in Rente gehen müssen, mit erheblichen Abschlägen.Für ein höheres Rentenniveau will der DGB u. a. allmählich steigende Beiträge bis 2030 von 18,7 auf bis zu 22 Prozent akzeptieren. Für einen Durchschnittsversicherten mit 2 400 Euro Lohn wären das maximal 40 Euro mehr. Das Geld wäre so besser angelegt als in Riesterbeiträgen etc., zumal noch 40 Euro indirekter Lohn (Arbeitgeberbeitrag) hinzukämen. Eine aktivere Tarifpolitik könnte das ausgleichen. Die ist aber nicht allein vom Wollen der Gewerkschaften abhängig, siehe 2. Absatz oben. Weitere konkrete Vorschläge des DGB aus Platzgründen nicht hier, sondern unter www.rente-muss-reichen.de

Die von der Großen Koalition beabsichtigte „solidarische Lebensleistungsrente“, ein Zuschussrentenmodell, brächte z. B. nach Angaben von Frank Bsirske derzeit gerade mal 66 000 Versicherten etwas, ab 2023 noch 40 000. Ein Wahlkampfmanöver, mehr nicht.

Rentenfragen sind Klassen- und Machtfragen. Das beginnt im Kampf um die Löhne, gegen die alltägliche Enteignung der Arbeitenden durch das Kapital. Das geht weiter im Kampf um die Steuerpolitik, da ca. 70 Mrd. Steuergelder in die Rentenkasse fließen, und darum, wer politisch gewollte versicherungsfremde Leistungen bezahlt, die Beitragszahler oder die Reichen via Millionärssteuer. Die Lohnbezogenheit der Renten darf nicht aufgegeben werden, sie schafft eine Interessengleichheit zwischen Arbeitenden und Rentnern. Wo die Rente aus individuellen Gründen nicht reicht, kann keine Mindestrente die Lösung sein, sondern ein System, das alle mit zu geringem Einkommen repressionsfrei und ausreichend versorgt. Per Stimmzettel alleine wird es von all dem nichts geben, deshalb ist die Beteiligung an den gewerkschaftlichen Aktionen unerlässlich.

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"DGB für höhere Renten", UZ vom 7. Oktober 2016



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