Deutschland ist angeblich das beliebteste Land in der Welt – so hieß es noch Anfang 2016, nachdem amerikanische und zuvor britische Institutionen entsprechende Befragungen durchführten. Doch bei den Ergebnissen des „Eurovision Song Contests“ (ESC) spiegelt sich das nicht wieder. Im Gegenteil: Der deutsche Beitrag landete in den vergangenen drei Jahren auf dem letzten oder wie jetzt am Sonnabend in Kiew auf dem vorletzten Platz.
An der Musik kann das nicht liegen – schließlich sind die modernen Hits aus den Produktionsschmieden kaum voneinander zu unterscheiden. Der Satiriker Jan Böhmermann kritisierte kürzlich die „seelenlose Kommerzkacke“ der Musikindustrie, die immer „schön unpolitisch und abwaschbar“ bleibe. Er ließ Affen aus dem Gelsenkirchener Zoo Textzeilen zufällig auswählen, die aus dem Internet, von Werbeslogans und aus Kalendern stammten, legte eine Musik darunter und landete prompt auf Platz 1 bei iTunes.
Die Qualität der Lieder ist für die ESC-Platzierung nicht zwingend ausschlaggebend. Die meist jugendlichen Wähler verachten Stücke von Nationen, die ihnen politisch nicht genehm erscheinen. Dass Politik eine wesentliche Rolle spielt, musste auch Russland am vergangenen Samstag mit dem Einreiseverbot für ihre Vertreterin Julija Samoilowa nicht zum ersten Mal erfahren.
Befreundete Nachbarländer lassen sich häufig gegenseitig die Punkte zukommen. Deutschland hat offenbar wenig Freunde – und das trotz seiner vielen Nachbarn im Herzen von Europa. „Die mögen uns halt nicht“, so zitiert die FAZ den typisch deutschen Zuschauer. Vielleicht hängt das aber auch mit der Austeritätspolitik zusammen, die für Armut unter den Nachbarn sorgt, so dass die Jugend im anonymen Telefonvoting ihre wahre Haltung zur Bundesrepublik deutlich macht? Weltweit mag Deutschland beliebt sein – in Europa aber offenbar nicht.