Es empfiehlt sich die Sondierungsergebnisse von SPD, Grünen und FDP von hinten zu lesen. Im zehnten Kapitel mit der Überschrift „Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt“ wird die Generallinie der möglichen Ampel-Koalition deutlich. Sie heißt: Stärkung der Stellung des deutschen Imperialismus.
Die außenpolitische Hauptorientierung ist die Stärkung der EU – ohne Aufweichen der Zusammenarbeit mit der NATO. Die Orientierung auf neue Kriege ist ungeschönt. Es gehe um die „verstärkte Zusammenarbeit der nationalen europäischen Armeen“ sowie die „praxisnahe“ und „zukunftsgerichtete“ Auswertung des Afghanistan-Einsatzes, damit die Erkenntnisse „in die Gestaltung zukünftiger deutscher Auslandseinsätze“ einfließen könnten.
Es tauchen zwei Stichwörter auf, die weitgehend unbekannt sein dürften. Das „Weimarer Dreieck“ soll als Instrument der „aktiven Europapolitik“ gestärkt werden. Gemeint ist die Zusammenarbeit von Deutschland, Frankreich und Polen. Damit ist die Stoßrichtung gegen die russische Föderation klar. Ebenfalls gestärkt werden soll die „Allianz der Demokratien“. Gemeint sind Pläne des US-Präsidenten Joe Biden, der eine Allianz weit über die NATO hinaus bilden will, um die Russische Föderation und die VR China militärisch einzukreisen und zu isolieren. Auch das palästinensische Volk hat nichts Gutes zu erwarten: „Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson.“
Für die Konkurrenz mit dem US-Imperialismus, für den Kampf um die Vorherrschaft in der EU, im Kampf gegen Russland und den „systemischen Gegner“ China werden alle Kräfte auf die Stärkung des Monopolkapitals gerichtet. Dafür stehen die ersten neun Kapitel des Sondierungspapieres.
Für den Umbau der Produktion bei gleichzeitigem Greenwashing brauche es einen „modernen Staat“, „flexible Arbeitszeitmodelle“ und den Abbau „bürokratischer Hürden“. Die Abschaffung der EEG-Umlage wird als Senkung der Stromkosten verkauft, obwohl diese gerade über die CO2-Steuer verteuert werden. Die Warnung des Sozialverbandes VdK, dass im Winter viele Menschen vor der Entscheidung stünden, ob sie heizen oder essen können, ist real.
Solch ein Regierungskurs verlangt nach Einbindung der Gewerkschaften. Dafür steht die überfällige Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro, die für die Betroffenen wichtig, wenn auch nicht ausreichend, ist. Das war es aber mit sozialen Zugeständnissen. Das Bürgergeld als Ersatz für „Hartz IV“ ist nebulös, über die Höhe findet sich nichts. Klar ist, das Sanktionsregime wird fortgeschrieben. Die Renten sollen zwar nicht sinken, dafür werden die Rentenkassen dem Kapital vorgeworfen: Die Deutsche Rentenversicherung kann und soll „ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert“ anlegen.
Geld für Sozialklimbim ist nicht da. An der Schuldenbremse wird nicht gerüttelt. „Substanzsteuern“, also Vermögenssteuern, soll es nicht geben, die „Unternehmenssteuer“ soll nicht erhöht werden. Dem Kapital werden „Superabschreibungen“ bei „Klimaschutz und Digitalisierung“ versprochen. Mit anderen Worten: Die Steuerzahler werden zur Kasse gebeten. Die Spaltung wird weiter vorangetrieben: Einem Teil der Klasse werden Zugeständnisse mit dem Mindestlohn gemacht, die Abgehängten werden weiter abgehängt.
Perfide sind die Methoden, mit denen den Menschen vorgegaukelt wird, dass sie über die Dinge demokratisch mit entscheiden könnten. Das Wahlalter soll auf 16 Jahre gesenkt werden. Gleichzeitig gibt es eine Kampfansage an fortschrittliche Kräfte. Der „Linksextremismus“ wird „als Form der Menschenfeindlichkeit“ mit „Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, Islamismus“ gleichgesetzt. Auch das trägt die Unterschriften von SPD, Grünen und FDP.
Die Ampel geht mit einem Papier, das für verschärfte Aggression nach innen und außen steht, in die Koalitionsverhandlungen. Vieles erinnert an die Verbrechen der Schröder-Fischer-Regierung. Damals gelang es nicht, ausreichend gegen Krieg und Hartz IV zu mobilisieren. Es ist höchste Zeit, vor allem auch gewerkschaftliche Bewegung gegen die erwartbaren Angriffe zu formieren, damit der gefährliche Kriegskurs gegen Russland und China gestoppt wird und die Menschen in diesem reichen Land im Winter heizen und essen können.
Essen, den 18. Oktober 2021