In zwei Wochen wird die Münchner Innenstadt wieder in eine von tausenden Polizisten und Soldaten kontrollierte Zone verwandelt. Dann kommen im Nobelhotel Bayerischer Hof Militärstrategen und Rüstungsvertreter mit Staats- und Regierungschefs aus zig Staaten zusammen. Sie treffen sich auf der ehemaligen „Wehrkundetagung“, die sich mittlerweile den Titel „Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)“ gegeben hat. Konferenz-Chef Ischinger freut sich schon auf das Militarismus-Event: „Ich hoffe auf lösungsorientierte, konstruktive Debatten in München. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, indem wir versuchen, die politische Diskussion neu zu beleben“, sagte er gegenüber der Zeitschrift „Internationale Politik“.
Die Diskussionen auf der Konferenz sind exklusiv und intransparent. Denn die Veranstaltung wird zwar von einem hohen deutschen Diplomaten organisiert, firmiert jedoch offiziell als private Veranstaltung. Dass die Bundesregierung Jahr für Jahr riesige Summen zur Finanzierung bereitstellt und die Bundeswehr das Hausrecht ausübt, soll den inoffiziellen Charakter nicht stören, sondern den ungestörten Ablauf der Kriegskonferenz garantieren. Wer dieses Jahr für die Bundesregierung sprechen wird, war zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt, es deutet jedoch alles darauf hin, dass die Konferenz wieder als Werbefläche für eine deutsch-europäische Stärke in der Weltpolitik genutzt werden wird.
Dafür spricht zum Beispiel die Liste der Gäste. Die traditionelle US-Delegation wird dieses Jahr von Außenmister Pompeo und Kriegsminister Esper angeführt. Von ihnen darf erwartet werden, dass sie die klassische Linie der US-amerikanischen Hardliner vertreten werden. Ein solcher Falke, Senator Tom Cotton, stellt die Konferenz in der oben genannten „Fachzeitschrift“ unter das Banner des Kampfes gegen die Volksrepublik China: „Die Kommunistische Partei Chinas stellt eine Bedrohung nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern für die gesamte freie Welt dar. (…) Die wichtigsten Themen dieser MSC sind die ruchlosen Absichten unserer Feinde, Russland und China. Russland fährt damit fort, seine Nachbarn zu nötigen, einzuschüchtern und zu besetzen. Derweil versucht China, ein internationales System aufzubauen, das dem verfassungsmäßigen Regieren, dem Rechtsstaat und der Marktwirtschaft entgegensteht. (…) Die Konferenzteilnehmer sollten darüber diskutieren, wie wir verhindern können, dass unsere transatlantische Allianz von diesen feindlichen Kräften infiltriert und gespalten wird.“
Dabei bleibt zu erwarten, dass die deutsche Seite versuchen wird, in dieser Konfrontation mit einer „eigenen Marke“ aufzutreten. Diese eigene Marke muss sich nicht direkt gegen die außenpolitischen Bestrebungen des großen Bruder USA richten, solange sie auf ein eigenes Auftreten des deutschen Imperialismus in der Welt zielt. Was Kanzlerin Merkel eben am Beispiel Libyens versucht hat – nämlich als angeblicher „Vermittler“ aufzutreten – könnte ein Ausblick auf die Münchner Kriegskonferenz sein. Mit der Teilnahme des chinesischen Außenministers Wang Yi konnte die Konferenz wieder einmal einen hochrangigen chinesischen Vertreter gewinnen. Mit Kim Son Gyong konnte sogar der stellvertretende Außenminister der DVR Korea gewonnen werden. Außerdem wird wieder der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif erwartet. China, Korea, Iran – Konfliktherde der westlichen Außenpolitik, in denen sich der deutsche Imperialismus im Bündnis mit seiner EU darum bemüht, „Verantwortung zu übernehmen“.
Das politische Instrument auf dem Weg zum Platz an der Sonne ist weiterhin das Projekt EU-Europa. Zwar bröckelte dort in den letzten Jahren die deutsche Dominanz, doch setzt sich von der Leyen nun entschlossen für neue Bündnisse mit osteuropäischen Staaten ein und wird sich das Kräfteverhältnis innerhalb der EU mit dem zu erwartenden Austritt Großbritanniens verändern. Hier wittert MSC-Chef Ischinger die Chance für eine neue Debatte um eine Reform der EU zugunsten seiner zwei stärksten Wirtschafts- und Militärmächte. Gegenüber IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung setzt Ischinger das Thema: „Wie können wir die Entscheidungsprozeduren in der Europäischen Union so verbessern, dass wir auch in der Außenpolitik mit einer Stimme sprechen können? Das Stichwort hier lautet: Mehrheitsentscheidungen.“ Ist das nicht ein alter Hut, warum nun wieder eine Debatte um EU-Reformen? Im Gespräch mit dem Atlantikbrücken-Chef Sigmar Gabriel wird Ischinger deutlicher: „Es nützt nichts, über eine Europäische Armee und Europas strategische Autonomie zu diskutieren, solange die EU nicht qualifizierte Mehrheitsentscheidungen einführt und damit außenpolitisch endlich handlungsfähig wird.“ Solange es diese ‚Handlungsfähigkeit‘ nicht gibt, ist für Ischinger, der früher BRD-Botschafter in Washington war, klar: „Ich persönlich halte die NATO aus deutscher Sicht für unverzichtbar (…) Wir können Stunden und Tage über strategische Autonomie Europas sprechen. Aber es führt kein Weg daran vorbei (…) Wir brauchen die NATO mehr, als die USA sie brauchen.“