Vermittlungsausschuss stellt Firmenerben von der Steuer weitgehend frei

Deutschland bleibt Reichenparadies

Was der Vermittlungsausschuss beschloss

a) Unternehmenserben sind unabhängig vor der Größe des Unternehmens vollständig von der Steuer freigestellt, wenn laufend höchstens 37,5 Prozent des Gewinnes nach Steuern ausgeschüttet werden und wenn Firmenanteile ausschließlich an Mitgesellschafter und Familienangehörige übertragen werden. Bisher mussten für die Steuerfreistellung weitere Bedingungen eingehalten werden, zum Beispiel Aufrechterhaltung von Lohnsummen und Haltefristen für die Firmenanteile von fünf bzw. sieben Jahren, sowie die Begrenzung der Entnahme früherer Gewinne auf 150 000 Euro.

b) Pensionsrückstellungen, auch für Vorstände und Geschäftsführer, werden bei der Bewertung des übertragenen Unternehmens vom Finanzvermögen abgezogen.

c) Absenkung der Unternehmenswerte für Steuerzwecke. 2016 macht dies eine Absenkung der Unternehmenswerte von ca. 25 % aus.

Feigenblattfunktion haben:

d) „Luxusgegenstände“ wie Briefmarken, Oldtimer, Jachten, Segelflugzeuge etc. sollen nicht mehr begünstigt sein.

e) Die Erbschaftssteuer kann künftig nur sieben statt zehn Jahre gestundet werden und soll ab dem zweiten Jahr mit 6 Prozent verzinst werden.

mh

Am 22. September einigte sich der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag auf einen Gesetzesentwurf zur „Reform“ der vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bezeichneten Begünstigung reicher Unternehmenserben. Hatte doch das Bundesverfassungsgericht am Ende 2014 zur Erbschaftsteuer festgestellt: „Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Einkommen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.“

Durchgesetzt haben sich die Meineidbauern der CSU, unter Bruch der bayerischen Landesverfassung (Artikel 123: „Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern“.) Völlig auf der Strecke bleibt so weiterhin die stärkere Erbschaftsbesteuerung großer Unternehmensvermögen. Herausgekommen ist eine noch weiter gehende Steuerfreistellung als bisher. Viele Verfassungsgebote sind dem großen Kapital und ihren politischen Vertretern schon lange lästiges, zu ignorierendes Beiwerk, soweit diese die Akkumulation des Kapitals behindern. Nicht nur die CSU definiert die Besteuerung von Vermögen und hohem Einkommen als staatlichen Diebstahl.

Grundgesetzwidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits zum dritten Mal wegen Ungleichbehandlung unterschiedlicher Vermögensarten das Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz als mit den Bestimmungen des Grundgesetzes unvereinbar verworfen, so 1995, 2007 und schließlich 2014. Jedes Mal wurden danach die gesetzlichen Grundlagen einer „gerechteren“ Besteuerung neu gefasst, allerdings immer unter einseitiger Begünstigung von großen Vermögen, bis das Verfassungsgericht das Gesetz wieder einkassiert hat. Genau das passiert jetzt wieder: Jedem Steuerfachmann, der das Grundgesetz ernst nimmt, sträuben sich sämtliche Nackenhaare, weil klar ist, dass die neuen geplanten Bestimmungen ebenfalls verfassungswidrig sein werden, die allerdings das Gesetzgebungsverfahren noch durchlaufen müssen. Das letzte Wort wird also nach dem 30.9. das Bundesverfassungsrecht haben.

Nach ganz ähnlicher Methode war 1997 die Vermögensteuer unter Nutzung der Rechtsprechung des BVerfG abgeschafft worden. Der Artikel 106 des Grundgesetzes sieht die Erhebung einer Vermögensteuer grundsätzlich vor. Die konkrete Form ihrer Erhebung in der damaligen Form erklärte das Bundesverfassungsgericht im Juni 1995 für nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Immobilienvermögen dürfe gegenüber anderen Vermögensarten nicht bevorzugt werden.

Andere Kernländer des Kapitalismus, die USA, Großbritannien und Frankreich besteuern Vermögen und Erbschaften mit ca. 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes jährlich wesentlich höher als Deutschland, das bei ca. 0,4 Prozent liegt. Eine Katastrophe für die Finanzausstattung des Staates, besonders für die Bildungsausgaben der Länder. Auf der anderen Seite befindet sich Deutschland im Vergleich der OECD-Länder bei der Besteuerung von Arbeitseinkommen in der Spitzengruppe mit ca. 49,4 Prozent des Arbeitseinkommens. In dieses Bild passt ebenfalls, dass der Ertragssteuersatz für Kapitalgesellschaften (AG, GmbH u. a.) von einst 56 Prozent unter Kanzler Kohl auf 15 Prozent unter Kanzler Schröder gesenkt wurde.

Steuerfachleute und Verfassungsexperten sind zuversichtlich, dass das deutsche Verfassungsgericht die sehr weitgehende Begünstigung großer Firmenerben u. a. aus den Familien der Quandt/Klatten (u. a. BMW), Schaeffler (Schaeffler Technologies) und Finck (Mövenpick) vermutlich sehr bald wieder kassieren wird. Bis dahin kann allerdings noch schnell jede Menge Vermögen steuerfrei übertragen werden. Das wird sich sicher in Form hoher Parteispenden für die CDU/CSU niederschlagen.

Ins Lächerliche überspitzt

Auch im Steuerrecht sind Rechtsfragen Machtfragen. Das politische Kräfteverhältnis ist maßgebend, wer sich letztlich im Stellungskrieg der Klassen temporär durchsetzt und so über die Höhe der Besteuerung entscheidet. Das kommt heute den besitzenden Klassen zugute, während diejenigen keine Vorteile aus Sonderregelungen ziehen können, auch weil sie ihre Einkommensquellen nicht in Niedrigsteuerländer verlagern können. Abhängig Beschäftige, Arbeitslose, Rentner und kleinere Unternehmen ziehen den Kürzeren. Die Verfassungswidrigkeit der erbschafts-/schenkungsteuerlichen Verschonung großer Betriebsvermögen wird mit diesem Gesetzentwurf des Vermittlungsausschusses aus Bundestag und Bundesrat geradezu ins Lächerliche überspitzt. Zugleich geht es darum, die Abschaffung der Erbschaftsteuer vorzubereiten, ähnlich wie die Vermögensteuer schon 1997 abschafft wurde.

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"Deutschland bleibt Reichenparadies", UZ vom 30. September 2016



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