Zum Umgang mit dem russischen Auslandssender „RT DE“

Deutsche Propagandakompanie

Ende August erwarb der Axel-Springer-Verlag für geschätzt mehr als eine Milliarde US-Dollar die 2007 gegründete US-Zeitung „Politico“. Das entspricht der vor Jahren verkündeten „Springer“-Strategie, zu den größten Medienmonopolen der Welt im englischsprachigen Raum aufzuschließen. Der Heimatmarkt ist dafür zu klein, wird aber nicht vernachlässigt: Seit dem 22. August sendet „Bild TV“ ein Fernsehprogramm, neben „Welt“ (früher N24) und „N24 Doku“ der dritte Sender des Konzerns.

Die Offensive folgt den fünf weltanschaulichen Grundsätzen, die für dessen Mitarbeiter bindend sind. Dazu gehört unter anderem „Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den USA“, das heißt Jubel für jeden US-Krieg. Welche Verheerungen das nach sich zieht, lässt sich an „Bild“-Chef Julian Reichelt studieren. Aber auch Konzernchef Mathias Döpfner leidet. 2010, drei Jahre vor Gründung der AfD, ließ er seinen Albtraum drucken: „Auf dem jahrhundertlangen Weg zum Weltkalifat sind den fundamentalistischen Moslems alle Mittel recht, um zuerst Israel, dann Amerika und schließlich den gesamten libertären Westen von innen zu unterminieren und von außen zu zerstören – mit Parallelgesellschaften, Selbstmordattentaten und Atomwaffen.“

Wem so etwas durchs Oberstübchen klabautert, dem ist auch Russland ein Gräuel: Denn das „Unterminieren“ betreiben die Moskowiter nicht anders als die Weltkalifen. Wenn sich nun auch noch der russische Auslandssender „RT DE“ um eine Sendelizenz bewirbt, kommt das einem Überfall gleich. So erschienen am 2. und 3. September im frisch erworbenen „Politico“ zwei Artikel, die Sensationelles verkündeten. Der German Marshall Fund, einst Sponsor von Annalena Baerbock und Cem Özdemir, hat herausgefunden: Das „Sprachrohr des Kremls in Deutschland“ wurde in den vergangenen sechs Monaten auf Facebook öfter angeklickt als „Bild“, „tagesschau.de“, „ZDF heute“ oder „Spiegel“. Das ist ein rauchender Colt: Die Russen mischen sich in die Wahlen ein. Irgendwo teilen die Fund-Leute allerdings mit, dass sie keine Falschinformationen finden konnten.
Egal, der Medienkrieg muss dem heißen vorausgehen. „RT Deutsch“ hat etwa 200 Mitarbeiter, Springer 16.500 Leute plus 500 bei „Politico“, Russland gibt 62 Milliarden US-Dollar für Rüstung aus, die NATO rund eine Billion. Das bedeutet: „RT DE“ ruiniert „Springer“ und Russland greift die NATO an.

Wo die Gefahr so groß ist, muss die Bundesregierung eingreifen. Also kündigt die teilverstaatlichte Commerzbank „RT DE“-Konten und im Bundeskanzleramt wird die Luxemburger Regierung davon überzeugt, dass sie keine Sendelizenz erteilt. Der übermotivierte Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) Hendrik Zörner, der „RT DE“ als „Moskaus Propaganda­schleuder“ bezeichnet, nahm die Frontbegradigung mit Begeisterung auf und erwartete einen „Gewinn für den Rundfunk, den Journalismus und alle Fernsehzuschauer“. 80 Jahre nach dem letzten Marsch Richtung Osten steht die deutsche PK (Propagandakompanie) wieder.

„RT DE“ prüft nun die Luxemburger Entscheidung, hält aber an seinem Ziel, Fernsehsender zu werden, fest. Die Hartnäckigkeit sollte belohnt werden. Wenn dann noch eine größere Zurückhaltung zum Beispiel gegenüber der von steuerflüchtigen deutschen Milliardären ausgehaltenen „Vogelschiss“- und Menschenjagdpartei AfD im Programm herrschte, könnte „RT DE“ eine Medienmacht werden.

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"Deutsche Propagandakompanie", UZ vom 17. September 2021



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