Nach Monaten der Drohungen begann die türkische Armee ihren Angriff gegen die Stadt Afrin im Norden Syriens. NATO-Waffen, deutsche Leopard Panzer, Artillerie und Luftangriffe sollten Stellungen der kurdischen YPG zerstören. Kämpfer der mit der Türkei verbündeten FSA und türkische Armee-Einheiten drangen gemeinsam gegen Afrin vor – militärisch bisher ohne Erfolg. Der Name der Operation galt wohl der „Internationalen Gemeinschaft“: „Olivenzweig“. Mit Erfolg – die internationalen Reaktionen bleiben zurückhaltend, die NATO-Staaten äußerten lediglich ihre „Besorgnis“. Auch Außenminister Gabriel sieht „mit Sorge nach Nordsyrien“ und befürchtet unkalkulierbare Risiken.
Die Regierungen von Syrien, dem Iran und Ägypten verurteilten den Angriff ebenso wie die Hisbollah als brutale und ungerechtfertigte Aggression. Frankreich fordert eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates – Afrin ist dabei jedoch nur ein Thema von mehreren. Der stellvertretende syrische Außenminister Mikdad hatte vor Tagen gedroht, die syrische Armee könnte türkische Flugzeuge über Syrien abschießen. Doch Syrien reagierte nicht militärisch auf den Angriff. Nach sieben Jahren des Krieges wäre das auch kaum realistisch.
Der russische Außenminister Lawrow hatte noch vor wenigen Tagen bestritten, dass russische Soldaten Afrin verlassen hätten. Kurz vor dem Angriff der Türkei wurden sie schließlich doch abgezogen. Für Russland ist die Türkei zurzeit ein unverzichtbarer Verbündeter – aus wirtschaftlichen Gründen und beim Versuch, zu einer Stabilisierung der Situation in Syrien zu kommen, gerade jetzt, wo der Kongress in Sotschi bevorsteht, auf dem über eine Nachkriegsordnung beraten werden soll. Und die Türkei ist einer der drei Garantiestaaten für die Deeskalationszonen. So hat sich die Regierung der Russischen Föderation offenbar mit dem Angriff abgefunden.
Die Partner der YPG, die USA, hatten 2016 die türkische Forderung akzeptiert, den kurdischen Einfluss auf die Gebiete östlich des Euphrat zu beschränken. Der türkische Ministerpräsident Yildirim erklärte damals: „Unsere Abmachung mit den USA lautet, dass sich die Kurden aus Manbidsch und der Region auf die Ostseite des Euphrats zurückziehen müssen“. Die USA wollten mit ihren kurdischen Verbündeten ein Gegengewicht gegen die syrische Regierung schaffen. Am 13. Januar verkündeten die USA den geplanten Aufbau einer kurdischen Grenztruppe im Norden Syriens. Dies war ein Schritt hin zur Spaltung Syriens – und forcierte zugleich den türkischen Angriff.
Wer erwartet hätte, die USA würden die YPG verteidigen, sah sich getäuscht. Auch die USA lassen die Türkei gewähren. Verteidigungsminister Mattis sprach von den berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei. Außenminister Tillerson bat um Zurückhaltung was Ausmaß und Dauer der türkischen Operation betrifft. Im Gegenzug versprach die türkische Regierung, dass sie keine Konfrontation mit US-Truppen suchen würde. Und die USA hatten der Türkei zugesichert, dass keine US-Soldaten im betreffenden Gebiet stationiert wären.
Entgegen allen Behauptungen dient das Bündnis der Kurden mit den USA letztlich nur den Interessen der USA, dem Ziel eines Regime-Change zu den Bedingungen Washingtons.
Afrin ist auf drei Seiten von Gebieten umgeben, die unter Kontrolle von Verbündeten der Türkei stehen. So gibt es nur den Weg über Aleppo, der Afrin mit den anderen Gebieten unter kurdischer Kontrolle verbindet. Hier sind am letzten Kontrollpunkt, wie Karin Leukefeld in der ‚jungen Welt‘ schrieb, eine syrische als auch eine kurdische Fahne gehisst. Die Zusammenarbeit mit Damaskus ist hier unverzichtbar. Gerade jetzt, wenn die SDF, zu denen die kurdische YPG gehört, prüfen, ob Verstärkungen nach Afrin geschickt werden können.
Tausende hatten in Europa unter kurdischen Fahnen gegen die türkische Aggression demonstriert. Der Angriff der Türkei richtet sich aber nicht nur gegen die YPG, sondern auch gegen Syrien. Die sogenannte Sicherheitszone, die die Türkei errichten will, soll auch den türkischen Einfluss auf die Nachkriegsordnung in Syrien stärken.