Was passiert, wenn Selenski und seine Waffenlieferanten im Westen „siegen“?

Deutsche Panzer gegen Frieden

Ein Waffenstillstand oder gar Frieden bedeutet sein politisches Ende. Seine Amtstätigkeit beschränkt sich daher darauf, alles zu tun, damit das Töten kein Ende hat, und darauf, die eigene Schutzmacht so weit wie möglich direkt in den Krieg zu ziehen. Das trifft auf Benjamin Netanjahu ebenso zu wie auf Wladimir Selenski. Der erhielt Carte blanche, um mit dem von seinen Sponsoren gelieferten Kriegsgerät in russisches Territorium einzudringen. Seine wichtigsten Paten in Washington und Berlin behaupten, keine Details gekannt zu haben, was bedeutet, dass sie informiert waren, also die Deutschen auch darüber, dass 81 Jahre nach der Schlacht von Kursk wieder deutsche Panzer nach Russland vorstoßen.

Selenski hat wie stets zumindest rhetorisch Russland wieder einmal besiegt und rief offenbar deswegen am Wochenende erneut nach Langstreckenwaffen. Um Moskau zu bombardieren? Das darf er nach dem Willen seiner Waffenlieferanten vorerst aber nicht, das behalten die sich selbst vor. Aber sein oberstes Ziel hat Selenski erreicht: Der Krieg geht weiter. Denn Moskau lehnt Verhandlungen mit Kiew über was auch immer zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Am Montag erklärte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Rande des Besuchs von Wladimir Putin in Aserbaidschan im russischen Fernsehen: „Der Präsident hat sehr deutlich gesagt, dass, nachdem die Angriffe, genauer gesagt: die Invasion im Gebiet Kursk begonnen hat, von Verhandlungen keine Rede sein kann.“ Putin werde zudem in Kürze eine Einschätzung der Lage geben. Berichte über Kontakte zwischen Kiew und Moskau, die von Mittlern wie Katar oder der Türkei hergestellt worden seien, seien nichts weiter als Gerüchte.

Gerüchte sind offenbar auch die Triumphe, die Selenskis Truppen angeblich im Gebiet Kursk feiern. Am Montag behauptete er bei einem Auftritt vor ukrainischen Diplomaten und Beamten: „Stand heute kontrollieren unsere Kräfte mehr als 1.250 Quadratkilometer Territorium des Feindes und 92 Ortschaften.“ Die Offensive sei ein großer Erfolg. Kritiker hätten allein Gedankenspiele dieser Art als Überschreiten der „rotesten aller roten Linien Russlands“ abgelehnt. Darum seien die Vorbereitungen auch im Geheimen getroffen worden. Der jetzige Erfolg zeige aber deutlich „Putins Unfähigkeit, sein Territorium zu schützen“. Zudem habe er auch zu einem Umdenken bei den westlichen Partnern geführt. Selbst die „Deutsche Presseagentur“ kommentierte am Dienstag: „Die Angaben von Selenski zu den Gebietsgewinnen gehen über die meisten bisherigen Schätzungen von Militärbeobachtern hinaus.“ Die halbieren zumeist die Ziffern, die von Selenski kommen. Zudem, so DPA, veröffentlichten die ukrainischen Streitkräfte so gut wie nichts aus Kursk.

Mit gutem Grund, zumal sie wieder einmal eine atomare Katastrophe bewusst riskieren. Am vergangenen Samstag äußerte sich die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien besorgt: Ihre Beobachter hatten in unmittelbarer Nähe des von Russland kontrollierten Atomkraftwerks Saporoschje die Explosion einer mit Sprengstoff beladenen Drohne festgestellt. Kiew ließ ungerührt verlauten, die Russen hätten sich selbst beschossen. Zugleich rückten einige Einheiten der Truppen Selenskis auf das AKW Kursk vor, das etwa 60 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt liegt. Auch deswegen schlug die IAEA Alarm.

Fest steht: Russland ging nicht in die von Selenski gestellte Kursker Falle und zog keine größeren Truppenkontingente von der Front in der Ostukraine und im Donbass ab. Dort nähert sich der russische Vormarsch langsam, aber beharrlich weiter der Stadt Pokrowsk. Deren Behörden drängten laut westlichen Medien die Einwohner zur Evakuierung, was, wie auch eingeräumt wurde, bedeutet: Die überwiegend russischsprachigen Bewohner weigern sich zum großen Teil, die Stadt zu verlassen. Behördenvertretern zufolge standen die russischen Truppen vergangene Woche noch zehn Kilometer von den Außenbezirken entfernt. Laut Regionalgouverneur Wadim Filaschkin halten sich in Pokrowsk und angrenzenden Gemeinden noch rund 53.000 Menschen auf, darunter 4.000 Kinder. Selenski wird seinem Hofstaat und vor allem seinen Geld- und Waffengebern allerhand zu erklären haben.

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"Deutsche Panzer gegen Frieden", UZ vom 23. August 2024



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