Zynismusvorwurf an Moskau – Verschwundene Luftbrückenforderung – Eindrücke vom Donbass

Deutsche Konfliktverschärfungspraxis

Von Lucas Zeise

Kanzlerin Angela Merkel hat nach dem Urlaub am vergangenen Montag ihren ersten Arbeitstag in Berlin. Sie tritt im CDU-Präsidium dem in der christlichen Partei weit verbreiteten Wunsch nach einem „Burka“-Verbot entgegen und lässt ihren Pressesprecher Steffen Seibert für eine Verlängerung der Waffenruhe(n) im syrischen Aleppo eintreten. Die FAZ erscheint demzufolge am nächsten Tag mit der Schlagzeile „Berlin wirft Moskau Zynismus im Syrien-Krieg vor“. Syrien erscheint bei der Bundesregierung nicht als Addressat des Zynismusvorwurfs, weil die dortige Regierung von Deutschland nicht anerkannt wird, nicht einmal als Gegenpartei, gegen die Krieg geführt wird. Die islamistischen und die offen prowestlichen Rebellen/Terroristen werden von der Bundesrepublik unterstützt, die syrische Regierung von Russland. Der Ostteil der zweitgrößten Stadt Syriens war mehrere Jahre lang in der Hand der „Rebellen“. Nun sind sie fast besiegt. Aus humanitären Gründen haben Syrien und das verbündete Russland täglich drei Stunden Feuerpause zugestimmt. Das ist Merkel, ihrem Sprecher und ihrem Außenminister zu wenig.

Frank-Walter Steinmeier hatte am Wochenende eine „Luftbrücke“ für seine Eingeschlossenen ins Spiel gebracht. Das erinnerte nicht nur an die Brücke gleichen Namens zur „Verteidigung der Freiheit Westberlins“ zu Beginn des Kalten Krieges, sondern auch an den Krieg gegen Libyen, der dank der per UN-Beschluss genehmigten Lufthoheit gegen die legitime Regierung Libyens 2011 vom Westen gewonnen wurde. Nach der Luftbrückenforderung flog der deutsche Außenminister nach Jekaterinburg am Ural, um wie schon zwei Mal zuvor eine Rede zur langfristigen Zusammenarbeit von Deutschland und Russland zu halten, die nach Darstellung Steinmeiers darin besteht, dass Deutschland Maschinen und Anlagen liefert, Russland dagegen Öl und Gas und andere Rohstoffe. Das nennt sich dann „Modernisierungspartnerschaft“. Nebenbei unterhielt sich Steinmeier mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, der ihm erklärte, warum mehr als drei Stunden Feuerpause in Aleppo ausgeschlossen seien, weil das von den Rebellen-Verbündeten des Westens zur Beschaffung von Nachschub aller Art genutzt werde. Lawrow muss Steinmeier auch klar gemacht haben, dass speziell die „Luftbrücke“ als Provokation empfunden werde. Der deutsche Außenminister zog die Forderung explizit zurück. Seine Sprecherin in Berlin „stellte klar“, dass er sie gar nicht erst gefordert hatte.

Lawrow und Steinmeier redeten auch über die Ukraine, die Krim und die ostukrainischen Volksrepubliken von Donezk und Lugansk. Hier hat die ukrainische Regierung gerade kürzlich Provokationen an der seit zwei Jahren russischen Krim zur Kappung der Gas-, Wasser- und Stromversorgung begonnen. Zugleich wächst die Aggressivität gegen die beiden ostukrainischen Republiken. Beides wird nach Kräften von der deutschen Presse gefördert, während die deutsche Regierung in dieser Frage sichtbar eher den Ausgleich mit russischen Interessen sucht.

Einen Einblick in die Realität der Donezker Volksrepublik (DVR) liefert eine Reportage der UZ-Korrespondentin Renate Koppe. Hier ein Auszug: „Gegen Abend sind wir dann in Sedowo am Asowschen Meer. Die Front ist nie weit entfernt in der DVR, auch hier ist sie nah. Nach Mariupol, einer von den ukrainischen Truppen besetzten Hafenstadt, ist es nicht weit, sie liegt ebenfalls am Asowschen Meer. Den Genossen, war es wichtig, dass eine Genossin aus Westeuropa in den Donbass gekommen ist und dass über die Folgen der Aggression des ukrainischen Regimes berichtet, die Informationsblockade durchbrochen wird.

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"Deutsche Konfliktverschärfungspraxis", UZ vom 19. August 2016



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