Deutsche Helfershelfer

Katja Schnitter zur Verhaftung Puigdemonts

Im August 1940 nahm die deutsche Polizei im besetzten Frankreich den katalanischen Ministerpräsidenten Lluis Companys gefangen und lieferte ihn an die spanischen Faschisten aus. Dort wurde er am 15. Oktober 1940 erschossen.

Wird nun zum zweiten Mal ein demokratisch gewählter katalanischer Regierungschef von Deutschland an Spanien ausgeliefert? Auch wenn die Bedingungen nicht vergleichbar sind, fühlten sich viele Menschen an die Ereignisse vor 78 Jahren erinnert, als am vergangenen Sonntag gemeldet wurde, dass Carles Puigdemont aufgrund eines spanischen Haftbefehls durch die deutsche Polizei festgenommen wurde. Auch deshalb gingen nur Stunden später mehr als 50000 Menschen in Barcelona auf die Straße und zogen zum deutschen Konsulat.

Carles Puigdemont wurde im Januar 2016 vom katalanischen Parlament zum Präsidenten der Generalitat gewählt. Er machte kein Geheimnis daraus, dass er für die Unabhängigkeit seines Landes von Spanien eintritt. Zugleich sprach er sich für eine politische Lösung aus – die Zentralregierung in Madrid lehnte Gesprächsangebote Puigdemonts jedoch wiederholt ab. Die deshalb einseitig beschlossene Durchführung eines Referendums über die Frage, ob Katalonien eine eigenständige Republik werden sollte, wurde von Madrid verboten. Trotzdem fand es am 1. Oktober 2017 statt – durchgesetzt von Millionen Menschen, die sich auch von brutaler Polizeigewalt nicht davon abhalten ließen, ihre Stimme abzugeben. Nach dem klaren Votum der Teilnehmenden – 90 Prozent stimmten für die Republik – verabschiedete das katalanische Parlament am 27. Oktober eine symbolische Unabhängigkeitserklärung. Praktische Folgen hatte diese nicht – anders als die am selben Tag vom spanischen Parlament auf Antrag der Regierung beschlossene Aufhebung der katalanischen Autonomie. Seither wird Katalonien von Ma­drid aus zwangsverwaltet. Und die Justiz macht Jagd auf Regierungsmitglieder und Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung.

Inzwischen sitzt fast ein Dutzend katalanischer Politiker in spanischen Gefängnissen, andere zogen die Flucht ins Ausland der Verhaftung vor. Zu ihnen gehört Puigdemont, der nun in Deutschland festgenommen wurde. Ihnen wird „Rebellion“ vorgeworfen, was laut dem spanischen Gesetz zwingend mit Gewalt verbunden ist. Doch die katalanische Unabhängigkeitsbewegung war immer weitgehend gewaltfrei, im Unterschied zu Terroraktionen spanisch-nationalistischer Gruppierungen und faschistischer Banden sowie zum Vorgehen der spanischen Polizei.

Die deutschen Behörden machen sich durch die Festnahme Puigdemonts zu Helfershelfern der Repression in Spanien, die sich nicht nur gegen katalanische „Separatisten“ richtet, sondern auch Gewerkschafter, kritische Musiker und andere Aktivisten ins Gefängnis steckt. Dagegen ist unsere Solidarität gefragt: Freiheit für Carles Puigdemont!

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"Deutsche Helfershelfer", UZ vom 29. März 2018



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