Neuer Élysée-Vertrag soll EU renovieren

Deutsche Europa-Strategie

Von Klaus Wagener

Nach 10 Jahren scheint die Weltwirtschaftskrise weitgehend überwunden, zumindest wenn man der deutschen Regierungspropaganda glauben will. Deutsche Panzer stehen wieder an der russischen Grenze. Der türkische Türsteher hält uns die Flüchtlinge zuverlässig vom Leib. Und selbst die griechische Wirtschaft nimmt eine „sehr positive Entwicklung“, wenn man dem Peter Altmeier vertraut. Zeit also, die nächsten Schritte in den Fokus zu nehmen.

Der 55. Jahrestag des Élysée-Vertrages bot eine solche Möglichkeit. Der französische Präsident hofft, dass die künftige Zusammenarbeit „vertieft“ und „gestärkt“ werden soll. Das „komplette Spektrum der Politik“ solle harmonisiert werden. In Afrika, beim Klimaschutz, in Fragen der wirtschaftlichen, technologischen und wissenschaftlichen Stärkung Europas gebe es eine „enge deutsch-französische Zusammenarbeit. Auch bei der Digitalisierung und dem Unternehmenssteuerrecht sollten „Deutschland und Frankreich vorangehen“. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sei zu entwerfen, ebenso eine gemeinsame Währungspolitik. „Die Eurozone müsse künftig die Avantgarde“ sein, „wenn es um Wettbewerbsfähigkeit“ gehe. Die „deutsch-französische Achse“ solle massiv gestärkt werden, (so dass gegen sie in der EU-27 praktisch nichts läuft).

An wohltönenden Erklärungen hat es also nicht gefehlt: Man werde die bilaterale Kooperation im Hinblick auf ein „prosperierendes, wettbewerbsfähiges, souveränes, vereintes und demokratisches Europa“ stärken, hieß es in der veröffentlichten Erklärung. Die Berlin-Pariser Kooperation solle dabei als „Motor“ für eine weitere europäische Integration verstanden werden. Die vertiefte Zusammenarbeit solle die „Finanz-, Sozial- und Wirtschaftspolitik“, aber auch die „Außen-, Verteidigungs-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik“ und die „Bekämpfung des Terrorismus“ umfassen.

Was von diesem hehren Anspruch Realität wird, ist eine andere Sache. Hat die Krisenbewältigungsstrategie den Kontinent in nord-südlicher Richtung gespalten, so hat der Zustrom von Flüchtlingen diese Spaltung um eine ost-westliche Dimension ergänzt. Während die „Med7“ – Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Zypern und Malta – schon fast traditionell für eine Beendigung des Austeritätskurses und eine Reduzierung der deutschen Exportüberschüsse sowie Verbesserungen bei den Migrationsregeln eintreten, sprach sich das Treffen der „Visegrad-Gruppe“ (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) in Budapest sich gegen eine weitere Vertiefung der europäischen Integration aus. „Wir brauchen nicht ein (EU-)Imperium, sondern einen Bund freier Nationen“, sagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nach einem Gipfeltreffen der sogenannten Visegrad-Vier. Und natürlich, da war auch noch der Brexit. Der erste, noch keinesfalls bewältigte Austritt eines großen Staates. Er wirft nicht nur ein Haushalts-, sondern auch ein schwerwiegendes Perspektivproblem auf. Und dass von einer Lösung der ausgeprägten Wirtschaftsprobleme der EU-Peripherie keine Rede sein kann, bedarf an dieser Stelle kaum der Erwähnung.

Bislang hatte eine ausgeprägte Russland-Phobie helfen sollen, die massiven Konflikte so gut wie möglich in den Hintergrund zu drängen. Vor allem Polen und die baltischen Staaten hatten, nach dem – westlichen – Putsch in der Ukraine und des umgehenden Anschlusses der Krim ans russische Mutterland, alle Alarmglocken klingeln lassen. Von einer „russischen Aggression“ war die Rede, der nun begegnet werden müsse. Das Problem auch hier, alle realen Maßnahmen, die über Symbolpolitik hinaus gehen, kosten Geld. Schon die bisherigen Kosten des Sanktionsregimes gegen Russland beliefen sich laut „Ostausschuss der deutschen Wirtschaft“ auf mehr als 100 Mrd. Euro.

Auf der anderen Seite des Atlantik hat Donald Trump die Rolle des Buhmannes übernommen. Trump gilt als unzuverlässig, protektionistisch, ausländerfeindlich. Mit Trump lässt sich – negativ – eine eigenständige europäische Rolle ebenso begründen wie – positiv – mit dem Élysée-Vertrag. Nur – auch hier kostet es Geld. Zumindest dann, wenn die EU-Integration nicht auf der Größe der Geschützrohre, sondern auf sozial-ökonomische Kooperation und Integration aufgebaut sein soll. Die Bundesrepublik müsste zumindest auf relevante Teile ihres exorbitanten Außenhandelsüberschusses verzichten und beispielsweise. die Löhne und Gehälter substantiell nach oben schrauben. Die laufenden Koalitionsverhandlungen und die gegenwärtige Lohnrunde in der Metallindustrie dürften zeigen, inwieweit hierzu Bereitschaft besteht. Ansonsten wird man über das Verfassen wohltönender Erklärungen kaum hinauskommen.

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"Deutsche Europa-Strategie", UZ vom 9. Februar 2018



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