Herrschende Klasse sortiert sich neu

Deutsche Bank baut um

Von Manfred Sohn

Die Fassade glänzt, aber die Deutsche Bank sitzt auf mindestens 74 Milliarden Euro finanziell unsicherer Papiere.

Die Fassade glänzt, aber die Deutsche Bank sitzt auf mindestens 74 Milliarden Euro finanziell unsicherer Papiere.

( Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main)

Die Zahlen haben alarmiert: Bis 2022 will das Flaggschiff der deutschen Finanzwirtschaft, die Deutsche Bank (DB) jeden fünften Arbeitsplatz und damit insgesamt 18 000 Jobs streichen. Nun mag der eine oder andere sogar Genugtuung bei der Vorstellung empfinden, dass die gelackten Hochverdiener nun mit Packkartons auf der Straße stehen. Sicher aber ist: Von den 18 000 werden die meisten tariflich bezahlte Zuarbeiterinnen und Zuarbeiter dieser smarten Investmentbanker sein – ihre Sekretärinnen, die Sachbearbeiter im Hintergrund und andere. Auf sie zielt zu Recht die Forderung des verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske, der nun anstehende Personalabbau solle „sozialverträglich“ erfolgen und er „erwarte“, dass die DB auf „betriebsbedingte Kündigungen“ verzichte. Die smarten Akademiker aus den Investmentabteilungen werden ihr Schäflein vorher ins Trockene gebracht haben – durch Erwerb von Immobilien, Aktienpaketen und anderen Notrationen für schwere Zeiten.

Ob die Bank diesen Aderlass überlebt, wird sich zeigen. Sie hat zwar im letzten Jahr zum ersten Mal seit 2014 wieder einen Gewinn ausgewiesen – der fiel mit 201 Millionen Euro aber schmal aus gegenüber den Erfolgsmeldungen von Konkurrenten im Haifischbecken. Hinzu kommt: Die Bank sitzt nach eigenen Angaben weiter auf mindestens 74 Milliarden Euro finanziell unsicherer Papiere, die sie in eine interne „Bad Bank“ ausgliedern will. Bilanziell ist das zunächst einmal unwesentlich, solange die dort gelagerten Papiere in der Konzernbilanz mit ausgewiesen sind. Aber die Operation erleichtert es, die Verbindungstaue dieses Schrott-Beibootes bei der nächsten schweren See zu kappen, um das Mutterschiff zu retten und vielleicht das Schrott-Beiboot dann staatlichen Institutionen großzügig zur weiteren Bearbeitung zu überlassen.

„Die Bereinigung des Marktes hat begonnen“, titelte „Die Welt“ am selben Tag, an dem sie über den Kahlschlag bei der DB informierte. Das eigentlich Interessante am Niedergang der DB ist – neben den drohenden Arbeitsplatzverlusten – in der Tat etwas anderes, das am gründlichsten im deutschen Sprachraum bisher Werner Rügemer in seinem Buch „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts“ untersucht hat und das kürzlich auch auf einer Tagung der Hans-Böckler-Stiftung (UZ vom 5. Juli) intensiv diskutiert wurde: Der Niedergang der Deutschen Bank ist kein Beleg für das Schrumpfen der globalen Finanzindustrie. Er ist vielmehr ein Symptom für die sich dort vollziehenden Verschiebungen. Während die DB blutet, florieren Blackrock und andere weniger bekannte Investmentbanker. Die Einstellung der Investmentaktivitäten der DB wird dort mit Sekt und guter Laune als das Hissen der weißen Flagge eines Konkurrenten aus dem 20. Jahrhundert begrüßt worden sein, die das Zeichen setzt: Die alte „Deutschland AG“ ist Schnee von gestern – die Zukunft gehört den smarten, mit gigantischen, Informationen verarbeitenden Großcomputern ausgestatteten, global und im Hintergrund operierenden Finanzjongleuren. Diese Verschiebungen innerhalb der herrschenden Klasse selbst werden wir uns in den kommenden Monaten und Jahren genau anzusehen haben, um die Feinde einer rationalen Organisation menschlicher Gesellschaft – also den Sozialismus – präziser als bisher in den Fokus zu bekommen.

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"Deutsche Bank baut um", UZ vom 19. Juli 2019



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