Über die Debatte um „Friedenstruppen“ für die Ukraine

Deutsche an die Front

In einem am Sonntag ausgestrahlten NBC-Interview antwortete Donald Trump auf die Frage, ob er bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus am 20. Januar 2025 die Hilfe für die Ukraine reduzieren würde: „Wahrscheinlich.“ Nach seinem Treffen mit Emmanuel Macron und Wladimir Selenski am Samstag in Paris erklärte Trump in seinem Netzwerk „Truth Social“: „Ich kenne Wladimir gut. Jetzt ist seine Zeit, zu handeln.“ China könne dabei helfen. Zuvor hatte der „President elect“ erklärt, Russland habe „jedes Inte­resse an Syrien wegen der Ukraine“ verloren, „wo fast 600.000 russische Soldaten verwundet oder tot sind, in einem Krieg, der nie hätte beginnen dürfen und ewig weitergehen könnte“. Ebenso würden Selenski und die Ukraine „gerne einen Deal abschließen und den Wahnsinn stoppen. Sie haben auf lächerliche Weise 400.000 Soldaten und viele weitere Zivilisten verloren.“ Die Verlustzahlen wurden in Moskau und Kiew umgehend dementiert. Parallel kündigte die Regierung des desolaten Joseph Biden neue Waffen für Kiew im Wert von fast einer Milliarde US-Dollar an.

Die Gemüter der Kriegsfreunde in der EU und in Kiew will Trump offensichtlich nicht beruhigen. In Kiew geht Angst um, in den EU-Hauptstädten das russische Gespenst: Trump macht Putin zum Sieger.

Was daraus insbesondere für die deutschen Fans eines neuen Krieges gegen Russland folgt, analysierte nun die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS): Es gebe drei Szenarien. Das eine könne Modell „Israel“ genannt werden: „Ein Land, das nicht in die NATO darf, wird so stark gemacht, dass es sich selbst verteidigen kann.“ Das koste aber Geld. Die FAS schlägt daher unter anderem vor, das in der EU beschlagnahmte russische Staatsvermögen in Höhe von etwa 285 Milliarden US-Dollar dafür zu stehlen.

Das zweite Modell, zuerst von der US-Zeitschrift „Foreign Affairs“ veröffentlicht und dort „Modell Südkorea“ genannt: Die EU könnte „einen künftigen Waffenstillstand in der Ukraine mit eigenen Soldaten sichern“, so etwa 25.000 sollten es sein. Dem EU-Kartell für den Sieg über Russland und vor allem dessen deutschen Teil erscheint das offenbar als die optimale Lösung. Dahinter steht offenbar: Wenn Trump die USA aus dem Spiel nimmt, nehmen wir den „Platz an der Kriegssonne“ ein. Faktische Annexion inbegriffen. Die kann dann das Etikett EU erhalten, Hauptsache, es bleibt in deutscher Hand. Außenministerin Annalena Baer­bock verlangte jedenfalls am 4. Dezember beim NATO-Außenministertreffen eine „internationale Präsenz zur Absicherung eines Waffenstillstandes“ in der Ukraine. Vorher hatten sich bereits die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sowie die Außenminister von Estland, Frankreich, Italien und Polen ähnlich geäußert, Ähnliches ist aus Großbritannien zu hören: Deutsche an die Front. Das dritte Modell: Auch US-Soldaten einbinden – unter Trump unwahrscheinlich.

Widerspruch zur Entsendung deutscher Soldaten kam immerhin noch von den beiden wichtigsten Kanzlerkandidaten. Friedrich Merz nannte Baer­bocks Äußerungen „unverantwortlich“, der Kanzler ließ sich in den Funke-Zeitungen am Samstag zitieren: „Solche Spekulationen verbieten sich aus meiner Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt.“ Im Übrigen sei er zuversichtlich, dass er mit Trump „eine gemeinsame Strategie für die Ukraine entwickeln“ könne.

Der ukrainische Nationalismus kam durch den deutschen Militarismus im Ersten Weltkrieg zur Reife. Im Zweiten Weltkrieg übernahm der deutsche Faschismus lieber selbst anstelle der ukrainischen Faschisten die Herrschaft. Nun könnte es endlich wahr werden: Die Ukraine ist „unser“.

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"Deutsche an die Front", UZ vom 13. Dezember 2024



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