Nach dem Tod Fidel Castros wurde in Südafrika an Kubas bedingungslose Unterstützung des Kampfes gegen die Apartheid, insbesondere in Angola, erinnert. In Vergessenheit geraten dagegen die Unterstützer der Apartheid. Dazu gehört auch die Geschichte des deutschen Engagements in Südafrika.
Weil Südafrikas Wirtschaft enorm abhängig vom Handel mit dem Ausland war, wurde in den 80er Jahren weltweit der Ruf nach einem Handelsboykott laut, um das Apartheidsystem zu schwächen. Dennoch blieb Deutschland über lange Zeit wichtigster Handelspartner des rassistischen Regimes. 14 Prozent aller Warenimporte und 25 Prozent aller Auslandsinvestitionen in die Wirtschaft Südafrikas kamen zu dieser Zeit aus der BRD. Selbst Sanktionen der UNO konnten das Wirken deutscher Banken und Konzerne nicht bremsen – im Gegenteil: In den letzten Jahren der Apartheid erhöhte Deutschland noch einmal seine Investitionen und wurde so zum wichtigsten Direktfinanzier des Regimes. Das Geld floss fast ausschließlich in die dort angesiedelten deutschen Banken und Konzerne, die ihrerseits zum Erhalt des reaktionären Regimes beitrugen, so durch Kredite oder Waffenproduktion.
Als 1994 der Afrikanische Nationalkongress, ANC, an die Macht kam, blieb eine Auseinandersetzung mit der Rolle der vormals privilegierten weißen Minderheit in weiten Teilen aus. Fragen nach der Besitzverteilung, nach den Nutznießern und den ökonomischen Folgen der Apartheid wurden nicht nachdrücklich gestellt. Die Opfer bekamen erst nach hartnäckigen, langjährigen Kämpfen bescheidene Entschädigungen in Aussicht gestellt. Die eingerichtete Wahrheits-und-Versöhnungs-Kommission gewährte allen Profiteuren und Unterstützern des Apartheidsregimes Amnestie, wenn sie vollständig Rechenschaft über ihre Taten ablegten. Nur drei Tage wurden für die Anhörung von Unternehmen angesetzt. Auch deshalb, weil nur 55 südafrikanische Unternehmen überhaupt eine Einlassung eingereicht hatten. Internationale Profiteure der Apartheid wurden trotz vielfältiger Versuche bislang nie zur Rechenschaft gezogen. So konnte ein Großteil von ihnen nahtlos an die Geschäftsbeziehungen aus früherer Zeit anknüpfen. Bestehende staatliche Verträge wurden nicht angetastet und die Investitionsmöglichkeiten für ausländisches Kapital auf Druck des Internationalen Währungsfonds bald erleichtert. Dafür stehen beispielhaft das neoliberale Strukturanpassungsprogramm GEAR 1996 oder das Freihandelsabkommen mit der EU aus dem Jahr 2000. Maßnahmen wie „Black Economic Empowerment“, die sich öffentlichkeitswirksam gegen die alte weiße Elite richten sollten, spülten zwar einen kleinen Teil schwarzer Mittelständler in die unteren Ränge der herrschenden Klasse, aber die Kluft zwischen armen Schwarzen und reichen Weißen ist auch in den Jahren nach der Apartheid weiter gewachsen.
Noch heute ist Deutschland nach China und USA drittwichtigster Handelspartner Südafrikas und Südafrika ist die wichtigste afrikanische Handelsnation für die EU. Etwa 600 deutsche Banken und Konzerne mit ca. 90000 Beschäftigten sind im südlichsten Land Afrikas ansässig. Schwerpunkte sind dabei die Autoindustrie, die chemische Industrie, der Maschinenbau und die Elektrotechnik. Unter den deutschen Konzernen in Südafrika sind auch Daimler und Rheinmetall. Beide gerieten in den letzten Jahren in die Presse, weil die südafrikanische Opferorganisation Khulumani die Konzerne General Motors (GM), Ford, IBM, Daimler und Rheinmetall als direkte Unterstützer des rassistischen Unterdrückungsapparats auf Entschädigungszahlungen verklagen wollte. Grundlage der Klage war das US-amerikanische Alien Tort Statue aus dem Jahr 1789, wonach auch Völkerrechtsverstöße in anderen Ländern in den USA geahndet werden können. Während GM in eine außergerichtliche Einigung einwilligte, wurden die Klagen gegen die übrigen Unternehmen vor drei bzw. zwei Jahren von einem New Yorker Gericht abgewiesen. Sie beträfen nicht in ausreichendem Maße die Belange der USA. Die Bundesregierung drückte bereits 2009 die Befürchtung aus, dass zugelassene Zivilklagen gegen Menschenrechtsverletzungen internationaler Konzerne auch in Zukunft ein Handelshemmnis darstellen könnten.
Daimler und Rheinmetall bestreiten noch immer eine direkte Unterstützung des Apartheidsregimes. Dabei sind ihre Machenschaften und Verstöße gegen gültige Waffenembargos bis hin zur UNO gut dokumentiert. Daimler produzierte zur Zeit der Apartheid unter anderem Polizeiausrüstung, Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und bis zu 6000 sogenannte Unimogs, mit denen Repressionskräfte gegen Demonstranten ausrückten. Heute betreibt Daimler ein großes Werk im Ostkap, einer der ärmsten Regionen des Landes. Rheinmetall hatte in den 70er Jahren eine komplette Munitionsfabrik nach Südafrika geliefert und bildete die südafrikanische Armee im Waffengebrauch aus. Flugabwehrkanonen und Munition wurden rechtswidrig bis zuletzt an das Apartheidregime exportiert. Aktuell hat Rheinmetall sechs Niederlassungen in Südafrika und ist dank Übernahme eines südafrikanischen Unternehmens 2010 mittlerweile führender Munitionsanbieter in Südafrika.
Ein Großteil der herrschenden Klasse hat das Ende der Apartheid gut überstanden. Die Banken und Konzerne, die zur Zeit der Apartheid durch direkte Unterstützung des Repressionsapparats oder dank der niedrigen Löhne für schwarze Arbeitskräfte hohe Profite machten, dominieren noch heute die südafrikanische Wirtschaft. Sie haben sich an die Verhältnisse angepasst und sind politisch mittlerweile in den größten Parteien des Landes, der Democratic Alliance, aber auch dem ANC, zuhause. Der zwölf Jahre währende Kampf von Khulumani gegen Konzerne wie Daimler und Rheinmetall zeigt, wie schwierig es ist, die alten Eliten mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen.